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www.rhetorik.ch aktuell: (08. Nov, 2022)

Vom Gerechtigkeitswahn

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Nachdem sich Sprachpolizisten auf Gender-, Rassisten- und Woke-Themen eingeschossen haben, nehmen die Forderungen der militanten Ideologen immer groteskere Formen an. Auch historische Texte mit heute politisch nicht korektem Inhalt sollen bereinigt oder dann zensiert werden. Wer sich nicht an die neuen Forderungen hält, wird an den Pranger gestellt. Karl May verfilmt Verfilmungen werden verunmöglicht. Ist jemand nicht bereit, beispielsweise die Gendersternchenforderung mitzumachen, kann er den Lehrauftrag verlieren oder muss als Student mit einer ungenügenden Beurteilung der Arbeit rechnen. Menschen dürfen nicht mehr mit Damen und Herren angesprochen werden, denn es könnten auch Menschen mit einem anderen Geschlecht im Publikum sitzen. Es darf auch nicht mehr geklatscht werden, aus Rücksicht auf Behinderte. Autoren, Künstler, Kabarettisten, Musiker oder Filmemacher müssen sich durch ein Minenfeld navigieren. Schauspieler dürfen ihre Figur nicht mehr künstlich dick machen. Der Gebrauch von Fettanzügen ist, wie früher das dunkle Schminken des Gesichtes nicht mehr cool. Politisch korrekt ist heute dass ein Schauspieler nur einen übergewichtigen spielen darf, wenn er oder sie selbst echt übergewichtig ist.

Filme werden heute nach Kriterien bewertet, wie der Farbverteilung der Spieler oder die Geschlechtsverteilung, oder nun auch dem Gewicht der Schauspieler. Auch bei der Verteilung von Gut und Böse muss man heute aufpassen. Es steht eine Zeit bevor, wo man mit Kalkulationstabellen eine Produktion einschränken kann. Dazu kommen andere Anliegen: ein Film, in denen Kinder gefährliche Sachen machen, birgt die Gefahr der Nachahmung. Kriegsfilme, in denen eine Seite zu gut dargestellt wird, sind ebenfalls zu ändern, denn sonst handelt es sich um Propaganda. In neusten Disney Produktionen müssen auch ein gleichgeschlechtliches Ehepaar vorkommen, um allen Gerechtigkeitsanliegen nachkommen. Produktionen wollen vermeiden, im Gericht der sozialen Medien zerstört zu werden. Man könnte auch die Diskrimination von Filmorten zum Thema machen. Das Wallis wurde besispielsweise mit dem Tschugger Hit von der SRG bevorzugt. Ist es fair, wenn alle Schauspieler in ``Tschugger" den selben Walliser Dialekt sprachen?

Soziale Gerechtigkeit ist ein wichtiges Anliegen. Man muss aber die richtige Balance finden. Auch in der Politik kommt das zum Tragen: muss man bei wichtigen Ämtern auf Quoten schauen? Die Nachfolge von Sommaruga zum Beispiel illustriert das. Für die SP ist klar, dass die Nachfolge eine Frau sein muss. Idealerweise muss diese auch wie Sommaruge aus Bern kommen. Das schränkt den Pool von idealen Kandidaten stark ein. Die Probleme sind ähnlich bei der Besetzung von Rollen in Filmen. Dort sind es neben Gender auch natürliches Aussehen wichtig geworden Hautfarbe, Gewicht oder Grösse und Herkunft spielen eine Rolle. Einen gerechten Kandidaten ist für Politiker schwieriger zu finden, ähnlich wie es für einen Produzenten schwierig geworden ist, einen gerechten Schauspieler zu finden. Darf ein Jüdischer Schauspieler einen Christlichen Geistigen spielen? Darf eine Frau einen Mann spielen? Darf ein Heterosexueller einen Homosexuellen spielen? Wenn man Gerechtigkeit auf die Spitze treibt, dann ist die Antwort immer ``Nein".

Interessanterweise, werden Quoten oder Gerechtigkeit nicht immer gleich gemessen. In der Schweiz sind zum Beispiel 2019 schon 83 Prozent aller Lehrer weiblich. Die Tendenz ist stark steigend. In Deutschland und den USA sind es 87 Prozent Frauen, die lehren. Quelle. Im Basketballsport sind 73 Prozent aller Spieler Schwarz Quelle. Die meisten Sportler in Sprint-Lauf Disziplinen sind schwarz, während die meisten Schwimm Sportler Weiss sind. Apropos Schwimmen. Dort steht es mit dem Gerechtigkeitssinn der sozialen Kämpfer nicht immer gut. So wurde es zeitweise als richtig beurteilt, wenn ein Mann der zu einer Transgender Frau wird, die Wettkämpfe leicht gewann. Man hat dort aber gelernt: im Juni dieses Jahres hat der Welt Swimmverband Transgender Frauen von Frauenewettkämpfen verbannt. Tatsächlich hatten Einzelfälle dort den Sport zerstört.

Der gesunde Menschenverstand wird bei Gerechtigkeitsanliegen oft ausgeklammert. Die Bevölkerung, der Markt und das Publikum sind auch wichtig. Warum nicht zuerst wichtigere Kriterien ernst nehmen? Als Politiker wollen wir eine kompetente und integre Person, die Probleme lösen kann. Als Schauspieler wollen wir jemand, der die Rolle glaubwürdig spielen kann und das Publikum fasziniert. In einem Roman wollen wir unterhalten und zum Denken angeregt werden. Als Lehrer wollen wir eine kompetente Person, die gut mit Studenten umgehen kann. Als Forscher wollen wir innovative Köpfe, die international bestehen können. Im Kino wollen wir Unterhaltung, Spannung Humor womöglich auch etwas Überraschung. Nicht nur mittels Tabellen abgestimmte Politische Korrektness. Ohne Zweifel wird der Markt mitentscheiden. Wie sagt man so schön: "Go woke, go broke". Die Konsumenten haben das letzte Wort. In der Politik sind es die Wählbürger, zumindest in einer Demokratie.

In der Politik kommen natürlich auch andere Kriterien wie die Repräsentation von möglichst vielen Teilen und Arten der Bevölkerung. Dazu gehört Geschlecht, Herkunft oder Religion. Die Frage ist, wie man die Balance finden kann. Ohne Zweifel ist ein Gleichgewicht anzustreben, wo beide Sachen, die Mehrheit als auch die repräsentatiive Komponente eine Rolle spielen. In der Politik kennt man dazu zwei Kammern: Nationalrat und Ständerat. Beim Nationalrat geht es um die Mehrheit, beim Ständerat um die Repräsentation. In anderen Teilen der Welt, wie den USA kennt man Ähnliches. Das Haus und der Senat. Im Asiatischen Bereich gelten Quoten offensichlich weniger. Ein Bild aus China etwa illustriert das.

Problematisch wird es, wenn eine kleine Gruppe die Mehrheit zwingt, Gesetze und Regeln zu übernehmen. Das kommt beim allgemeinen Publikum nicht gut an, denn es werden dabei grundsätzliche demokratische Mechanismen ausgeschaltet. Eine kleine "Elite" entscheidet, wie man sprechen muss, wie man schreiben soll, wie man sich korrekt verhält. Das stösst vor allem in der Kommunikatikon auf. Sprache wurde schon immer im Klassenkampf als Waffe verwendet. Wer nicht die richtige Sprache der Sprachpolizei spricht, wird ausgesondert. Das hat eine lange Tradition. Die Kirche hatte sich durch Lateinische Texte vom Volk abgehoben und so auch gerechtfertigt, dass es Klassenunterschiede gibt.

Heute werden Sprachänderungen und Verhaltensänderungen als Klassenwaffe benutzt. Es rechtfertigt, dass man Anliegen vom Volk ausschalten kann. So etwa wurden Anliegen von Bauern oder Lastwagenfahrern in den letzten Jahren ignoriert. Ihre Proteste werden nicht einmal in den Medien gebracht. Als Rechtfertigung der Medienkontrollierenden wird angegeben, dass es sich dabei um Rassisten oder Umweltschutzgegner handelt. Weil moralisch verwerflich ist es auch gerecht, dass sie weniger verdienen, oder gar durch Massnahmen ihren Job verlieren. Soziale Medien haben aber Wege gefunden, die Gatekeepers zu umfahren. Ob der Versuch, die soziale Medien zu kontrollieren funktionieren wird, muss sich in den nächsten Jahren noch zeigen.

Sprache ändert sich selbständig. Auch Verhaltensweisen passen sich dem Zeitgeist an. Ein unsinniger Gerechtigkeitswahn, Verbote und verordnete Quoten bringen längerfristig wenig. Sprache und Ausdrucksfreiheit (natürlich mit Grenzen) sind wertvolle Güter, die es zu schützen gilt.

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