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www.rhetorik.ch aktuell: (17. Okt, 2022)

Liz Truss im Check

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Liz Truss ist am 6. September zur Premierministerin Englands ernannt worden. Sie hatte einen harten Beginn und musste schon einen schlimmen U-Turn machen und Pläne zur Senkung des Spitzensteuersatzes von 45 Prozent für Topverdiener rückgängig machen. Kein britischer Premier hat jemals eine so schnelle Bruchlandung gemacht. Noch ist nicht klar, wie lange sie überleben wird.

Wie wirkt die neue britische Premierministerin?

Die konservative Liz Truss hatte in ihren früheren Aemtern keine grossen Spuren hinterlassen. Obschon sie mit den beiden eisernen Ladys, Margaret Thatcher und Theresa May verglichen wird, weist wenig darauf hin, dass sie in die Fussstapfen ihrer Vorbilder passt. Als Aussenministerin wirkte sie meist gefühlskalt und fiel durch ihre Kriegsrhetorik gegen China und Russland auf. Sie wurde deshalb in der Presse als Britanniens Baerbock bezeichnet.

Ihr Wendehalsverhalten beim Brexit irritierte. 2016 war sie für ein Verbleiben in der EU. Begründung: "Ich will nicht, dass meine Töchter in einer Welt aufwachsen, in der sie eine Abeitserlaubnis für Europa brauchen." Als dann die Brexitbefürworter gewannen, mutierte sie zu denen. Sie schwanke auch beim Vorschlag, einkommensschwache Haushalte wegen der enormen Energiekosten zu unterstützen. Dieses Chamäleonverhalten könnte bei Truss als Geschmeidigkeit bezeichnet werden, denn die Kehrtwendungen haben mit dazu beigetragen, dass sie als Premierministerin gewählt worden ist.

Im Gegensatz zu anderen Politikern interessiert sie sich nicht in erster Linie für ihr Bild, das sie in den Medien hinterlässt. Sie kümmert sich erfreulicherweise vor allem für den politischen Alltag. Im Umgang mit den Medien hat sie aber Aufholbedarf. Sie kann ungeschickt reagieren und wirkt manchmal - laut Toby Long - Generalsekretär der Free Speech Union, etwas verwirrt. Bei den öffentlichen Auftritten gebe sie eine etwas merkwürdige Figur ab, findet er, nicht zuletzt wegen ihren formelhaften Reden.

"Wirbelwind" Truss gilt anderseits als fleissige Schafferin. Dank Stehvermögen und guten Mitarbeitern könnte sie trotz der heutigen misslichen Situation in Grossbritannien langfristig Erfolg haben.

Zu den Auftritte der Premierministerin:

Ihr Statement nach dem Tod von Queen Elizabeth II. ist eindrücklich. Truss tritt staatsmännisch auf. Sie ist situationsgerecht schwarz gekleidet.

Ihr Auftritt ist aber statisch, roboterhaft, ohne Gestik und beinahe ohne Mimik. Die gut vorbereitete Rede liest sie ab. Beim Versuch, über die Kamera das Publikum anzusprechen, ritualisiert Truss die Blickführung. Bei jedem Gedanken schaut sie zuerst während des Sprechens auf das Manuskript, um dann nur ganz kurz einen Blick in die Kamera zu werfen. Schade. Das wirkt zu starr. Die ganze Rede wird durch diesen Rhythmus ritualisiert. Es braucht längere Blickkontakte, bis sich Zuschauer angesprochen fühlen. Variationen des Verhaltens fehlen. Menschen sind keine Roboter. Wer bei sensiblen Auftritten ablesen muss, weil nur ein missverständliches Wort negative Folgen haben könnte, müssen Redner immer - auch beim Ablesen - den Text mit vollem Engagement und authentisch gleichsam neu "gebären". Dies habe ich bei Truss vermisst.

Ihre Stimme ist aber ausdruckstark. Die Pausentechnik stimmt. Sehr gut sind die Hauptsätze, d.h. die kurzen verständlichen Gedankenbogen, z.B.: Der Schluss ist kurz und bündig:"Gott safe the king". Truss dreht sich um und tritt ab. Wir können feststellen, dass die Auftritte von Liz Truss als Premierministerin deutlich souveräner geworden sind.

Eine geschliffene Rednerin ist sie aber noch nicht. Heute hat Truss einen schweren Stand. Sie steht im Gegenwind. Journalsiten fragen sich, wie lange sie sich noch halten kann.
Nachtrag vom 20. Oktober: Blick: Liz Truss am Abgrund- kommt jetzt doch der Rücktritt?:

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