Liz Truss ist am
6. September zur Premierministerin Englands ernannt worden. Sie hatte
einen harten Beginn und musste schon einen schlimmen U-Turn machen und
Pläne zur Senkung des Spitzensteuersatzes von 45 Prozent für
Topverdiener rückgängig machen.
Kein britischer Premier hat jemals eine so schnelle Bruchlandung gemacht.
Noch ist nicht klar, wie lange sie überleben wird.
Wie wirkt die neue britische Premierministerin?
Die konservative Liz Truss hatte in ihren früheren Aemtern
keine grossen Spuren hinterlassen. Obschon sie mit den beiden
eisernen Ladys, Margaret Thatcher und Theresa May verglichen wird, weist
wenig darauf hin, dass sie in die Fussstapfen ihrer Vorbilder passt. Als
Aussenministerin wirkte sie meist gefühlskalt und fiel durch ihre
Kriegsrhetorik gegen China und Russland auf. Sie wurde deshalb in der
Presse als Britanniens Baerbock bezeichnet.
Ihr Wendehalsverhalten beim Brexit irritierte. 2016 war sie für
ein Verbleiben in der EU. Begründung: "Ich will nicht, dass meine
Töchter in einer Welt aufwachsen, in der sie eine Abeitserlaubnis
für Europa brauchen." Als dann die Brexitbefürworter
gewannen, mutierte sie zu denen. Sie schwanke auch beim Vorschlag,
einkommensschwache Haushalte wegen der enormen Energiekosten zu
unterstützen. Dieses Chamäleonverhalten könnte bei Truss
als Geschmeidigkeit bezeichnet werden, denn die Kehrtwendungen haben mit
dazu beigetragen, dass sie als Premierministerin gewählt worden ist.
Im Gegensatz zu anderen Politikern interessiert sie sich nicht in erster
Linie für ihr Bild, das sie in den Medien hinterlässt. Sie
kümmert sich erfreulicherweise vor allem für den politischen
Alltag. Im Umgang mit den Medien hat sie aber Aufholbedarf. Sie
kann ungeschickt reagieren und wirkt manchmal - laut Toby Long -
Generalsekretär der Free Speech Union, etwas verwirrt. Bei den
öffentlichen Auftritten gebe sie eine etwas merkwürdige Figur
ab, findet er, nicht zuletzt wegen ihren formelhaften Reden.
"Wirbelwind" Truss gilt anderseits als fleissige Schafferin. Dank
Stehvermögen und guten Mitarbeitern könnte sie trotz der
heutigen misslichen Situation in Grossbritannien langfristig Erfolg haben.
Zu den Auftritte der Premierministerin:
Ihr Statement nach dem Tod von Queen Elizabeth II. ist eindrücklich.
Truss tritt staatsmännisch auf. Sie ist situationsgerecht schwarz
gekleidet.
Ihr Auftritt ist aber statisch, roboterhaft, ohne Gestik und beinahe
ohne Mimik. Die gut vorbereitete Rede liest sie ab. Beim Versuch,
über die Kamera das Publikum anzusprechen, ritualisiert Truss die
Blickführung. Bei jedem Gedanken schaut sie zuerst während des
Sprechens auf das Manuskript, um dann nur ganz kurz einen Blick in die
Kamera zu werfen. Schade. Das wirkt zu starr. Die ganze Rede wird durch
diesen Rhythmus ritualisiert. Es braucht längere Blickkontakte,
bis sich Zuschauer angesprochen fühlen. Variationen des Verhaltens
fehlen. Menschen sind keine Roboter. Wer bei sensiblen Auftritten ablesen
muss, weil nur ein missverständliches Wort negative Folgen haben
könnte, müssen Redner immer - auch beim Ablesen - den Text
mit vollem Engagement und authentisch gleichsam neu "gebären". Dies
habe ich bei Truss vermisst.
Ihre Stimme ist aber ausdruckstark. Die Pausentechnik stimmt. Sehr
gut sind die Hauptsätze, d.h. die kurzen verständlichen
Gedankenbogen, z.B.:
- "Die Queen war ein Fels, auf dem das moderne Grossbritannien gebaut wurde."
- "Unser Land ist gewachsen und hat geblüht."
- "Die Queen hat uns Stabilität geboten."
- "Sie wurde geliebt und wurde bestaunt."
- "Sie hinterlässt eine grosse Lücke."
Der Schluss ist kurz und bündig:"Gott safe the king". Truss dreht
sich um und tritt ab.
Wir können feststellen, dass die Auftritte von Liz Truss als
Premierministerin deutlich souveräner geworden sind.
Eine geschliffene Rednerin ist sie aber noch nicht.
Heute hat Truss einen schweren Stand. Sie steht im Gegenwind.
Journalsiten fragen sich, wie lange sie sich noch halten kann.