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www.rhetorik.ch aktuell: (11. Okt, 2022)

Geschichts-Revisionismus

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Presentismus kritisiert die Vergangenheit mit heutigen Standards. Denkmäler verden gestürzt, Namen werden geändert, Autoren oder Filme werden verbannt, die vor 100 Jahren ein anderes Vokabular gesprochen haben, eine Sprache verwenden, die heute nicht mehr politisch korrekt ist oder die nicht mehr akzeptable Werte verwenden.

(Das Wort ist ein Begriff aus der Soziologie oder Geschichtsanalyse. Es ist nicht zu verwechseln mit Presentismus was heisst, trotz Krankheit zu arbeiten oder dem gleichen Begriff in der Philosophie, dass eine Denkrichtung benennt, bei der nur die Gegenwart existiert.)

Beispiele:
  • Die Literatur von Karl May gab vor kurzen eine Kontroverse. Obwohl Winnetou in Karl May's Geschichten ein Held war, ist das Weltbild des westlichen Kolonialmenschen noch nicht richtig dargestellt. Man muss aber sagen, dass das heutige in den Medien verbreitete Gut-Bös Schema in der heutigen Zeit, wo ganze Völker verteufelt werden weil deren Regierung Krieg führt, ist eigentlich verwerflicher. Man macht das auch mit Sprache: z.B. Oligarchen auf einer Seite, Philantropen Milliardäre auf der anderen.
  • Auch der Seefahrer Kolumbus ist heute ein Bösewicht. In den USA spricht man in einigen Städten nicht mehr Kolumbus Tag, sondern vom Indigenous Peoples' Day obwohl es sich aber nicht ganz durchzusetzen mag. Es ist klar, dass Christopher Kolumbus aus heutiger Sicht ein Vertreter von Kolonialismus war. Aus moderner Perspektive ist das verwerflich. Also muss der Name weg.
  • Das James Webb Telescope ist nach einem früheren NASA Administrator benannt. Es gab vor einem Jahr eine Kampagne, den Namen zu ändern, weil in den 50er und 60er Jahren homosexuelle Arbeiter diskriminiert worden sind. Als Direktor der NASA hatte Webb damals aber fast keine Wahl. Zu dieser Zeit waren homosexuelle Menschen auch erpressbar, weil andere sexuelle Orentierung nicht öffentlich gemacht werden durften. Das war vor allem bei Jobs wichtig, die sich mit klassifizierten oder gar geheimen Angelegenheite beschäftigten. Und die NASA gehörte dazu. Es ist gut, dass der Name nicht geändert wurde, denn dadurch wird man auch nicht vergessen, dass es einmal eine Zeit gab, als Leute wegen sexueller Orientierung nicht angestellt worden sind.
Wo liegen die Gefahren?
  • Presentismus birgt die Gefahr von Historischen Revisionismus. Die Geschichte wird geändert oder gefiltert. Verwerfliche Vorkommnisse werden aus dem Gedächtnis getilgt, kommen im Schulunterricht nicht mehr vor. Die Geschichte wird verfälscht. Man kann nicht mehr von Fehlern der Geschichte lernen. Warum nicht die Vorkommnisse, die vielleicht in Namen, Büchern oder Filmen benannt werden, diskutieren und reflektieren? So gibt es den Holocaust Tag. Es ist ein Tag an dem man darüber Nachdenken kann. Das Nichtvergessen macht auch eine Wiederholung weniger wahrscheinlich.
  • Die Nachinterpretation der Geschichte mit heutigen Standards ist unfair. Andere Zeiten hatten andere Umfelder. Es ist einfach, aus heutiger Sicht den Moralapostel zu spielen. Natürlich ist es in Ordnung, die Vergangenheit zu kritisieren. Man muss sich aber immer vorstellen, wie das Umfeld damals war. Wie hätten sich moderne Menschen denn zu dieser Zeit verhalten?
  • Wie auch orchestrierte Sprachänderungen, kann Kritik an Presentism als ``Nationalistisch" oder ``Rechts extrem" verbannt werden. James Sweet, ein Geschichtsprofessor an der Universitaet von Madison wurde zeitweise als Troll aus Twtter geworfen, weil er das Thema aufgriff: Der Geschichtsprof hatte sich darüber beschwert, dass Geschichte nicht mehr Geschichte ist, sondern immer mehr von Identitäts-Politik oder Teleologien ersetzt wird. Quelle. Sein Artikel ist nun mit einer langer Entschuldiguing versehen.
  • Derselbe James Sweet, der auch Praesident der Amerikanischen Geschichts Association ist, bemerkt hat, liegt auch Gefahr, das das Fach und die Wissenschaft ``Geschichte" weniger glaubhaft wird. Propaganda, Zensur oder Manipulation haben kurze Beine. Man hat gesehen, dass Studenten nicht mehr ein Gebiet studieren wollen, wo Ideologie-Minen begraben sind. Vor allem die Zeit vor 1800, gilt als gefährlich. In einer Zeit wo Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität, Nationalismus, Klima, oder Kapitalismus zu sozialen Gerechtigkeitschlachtfeldern geworden sind, geht es oft nicht mehr darum, die Geschichtliche Wahrheit zu erhalten, sondern um die Befriedigung von modernen Moralaposteln, die ihre Ideale auf die Vergangenheit projizieren und sich dabei als Gutmenschen fühlen dürfen.

Aus dem Buch "Max und Moritz", von Wilhelm Busch 1865



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