Zu Christoph Blochers Rede zum 1. August: Eine Nachlese aus rhetorischer Sicht.
Nach seiner überraschenden Abwahl als Bundesrat, liess Christoph
Blocher unmissverständlich durchblicken, dass er als Politiker
nicht kürzer treten werde.
Tatsächlich nutzte er danach verschiedene Bühnen, um
seinen Einfluss geltend zu machen. Nicht nur mit der traditionellen
Albisgütlirede und der wöchentlichen Sendung #Teleblocher"
des Schaffhauser Fernsehens, die auch im Internet international auf
Youtube zu sehen ist. Bei seinen traditionellen Referaten füllt
er stets grosse Säle.
Am 1. August 2022 war Christoph Blocher offizieller Redner zum
Nationalfeiertag in der Kirche St. Johann in Schaffhausen.
Ich hatte verschiedene seiner Auftritte analysiert. Es interessierte
mich, wie Blocher jetzt als Redner wirkt, im Vergleich zu früheren
Auftritten. Er hatte schon immer polarisiert. Es gibt bei ihm eine
Fangemeinde, aber auch jene, die den Fernseher ausschalten, wenn er am
Bildschirm zu sehen ist.
Unbestritten ist, dass Christoph Blocher die politische Landschaft der
Schweiz nachhaltig geprägt hat. Immer wieder wurde er abgeschrieben.
Doch auch seine Kritiker müssen eingestehen: Blocher ist und bleibt
ein Phänomen.
Trotz seines fortgeschrittenen Alters ist er immer noch fähig,
Sachverhalte dank seiner grossen Erfahrung einzuschätzen und das
Publikum zu begeistern. Vor dem Auftritt in Schaffhausen zeigten sich
sich leider störenden Verhaltensweisen beim Sprechen vor allem bei
``Teleblocher":
Er wischt immer wieder den Speichel aus den Mundwinkeln mit blosser
Hand ab. Bei einigen Sendungen nimmt er zwar ein Nastuch zu Hilfe, doch
später verzichtet er wieder darauf. Auffallend ist auch, wie oft er
in sein Gesicht greift. Das war nun in Schaffhausen nicht mehr der Fall.
Ich achtete bei der 1. Augustrede auf die Stimme, aber auch auf
Satzbrüche, die früher vermehrt vorkamen. Vor allem
interessierte es mich, mit welchen rhetorischen Bausteinen Christoph
Blocher das Publikum fesseln kann.
Diese Stärken beeinflussen seinen Erfolg. Blocher spielt sie in
Schaffhausen aus.
Er spricht weitgehend, frei und passt sich der jeweiligen Situation an.
Er nutzt Elemente des Erzählens, wie die Anekdote aus der Kindheit in
Uhwiesen. Er bringt mit spontanen Einschüben das Publikum zum Lachen.
Er nutzt die Wiederholungstaktik des Marketings.
Vor allem aber überzeugt er, weil er selbst überzeugt ist
von dem, was er sagt.
Er beherrscht das Botschaftsmanagement. In Schaffhausen nutzt
er den Auftritt, um seine Anliegen zu verankern. Vor alle die
bewährten Säulen aus dem Bundesbrief, die Selbstbestimmung,
die Unabhängigkeit der Schweiz. Er koppelt seine Botschaften mit
Beispielen, die zeigen, dass sich der Einsatz und der Kampf für
diese Werte lohnt.
Erstaunlich, wie gut er heikle, unvorhergesehene Situationen gekonnt
meistert. Er verhält
sich professionell, als es mehrfach zu Problemen mit der Technik kommt.
Dass ein
Redner gut gehört werden muss, ist etwas vom Wichtigsten. Blocher
wartet bei der Panne unbeirrt, bis das Problem gelöst ist.
Sein Erfolg basiert auf rhetorischen Grundsätzen, die er immer
beachtet: Zuerst baut er eine Brücke zu den Anwesenden.
Dann dauert es nicht nicht lange, bis zu den ersten humorvollen
Einschüben.
Blocher beherrscht die Pausentechnik. Er setzt dynamische Akzente.
Früher sprach er meist nur im Register Fortissimo. Wenn er ein
grosses Publikum vor sich hat, blüht der Vollblutpolitiker auf. Er
fühlt sich dann wohl, wie ein Fisch im Wasser.
Blocher erhält einen lang andauernden Schluss-applaus. Zahlreiche
Zuhörer, die am Schluss auch noch aufgestanden sind, bestätigen,
dass Christoph Blocher den richtigen Ton getroffen hat und Menschen
immer noch mitreissen kann.