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www.rhetorik.ch aktuell: (23. Dez, 2021)

Talibanmentalitaet

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Durch das Löschen von Namen oder missliebiger Wörter in Büchern, Schildern, Strassen oder Schulnamen, besteht auch die Gefahr der Geschichtsverfälschung.

In Berlin stehen 290 Strassennamen und Bezeichnungen von Plätzen auf dem Prüfstand. Es errinnert an die Umbenennungsaktionen in Kunstmuseen, als in einer Dresdner Sammlungen 143 Kunstwerke umbenannt worden sind. Wir erinnern uns auch an ein Gedicht von Eugen Gomringer, das übermalt worden war, weil es sexistisch galt.

Es gibt noch viele ander Pläne zur Umbenennung. So soll zum Beispiel die Harvard Kennedy Schule umbenannt werden, weil Kennedy Frauenaffairen hatte (Quelle). In Kalifornien könnten auch bald Namen wie George Washington oder Abraham Lincoln in Schulnamen verschwinden, denn historische Figuren wie George Washington, Abraham Lincoln, Herbert Hoover, Paul Revere oder Thomas Jefferson profitierten zu ihrer Lebzeit vom Sklaventum (wie übrigens ein Grossteil der Elite dieser Zeit). (Nach scharfen Protesten sind solche Namensänderungen jedoch im April diese Jahres verschoben worden.)

Die Vergangenheit kann nicht bewältigt werden, indem das kulturelle Gedächtnis geschleift wird. Die Versuche, historisch Gerechtigkeit zu schaffen, birgt auch die Gefahr von historischean Verfäschungen. Literatur und Zeitdokumente spiegeln den damaligen Zeitgeist. Filme, Romane, Bilder oder Denkmäler zeigen künftigen Generationen, dass auch Politikern, Pioniere, Autoren oder Künstler Fehler gemacht haben.

Dürfen wir Zeitgeschichte beschönigen, indem Fakten ausgemerzt werden? Für frühere Generationen war Koloniarisierung nichts Abwegiges, die ``Zivilisierung" der Welt galt sogar als Befreiung oder gar Rettung, denn Missionieren bringt die richtige Religion und erlöst die ``Barbaren", macht sie zu Gläubigen, die dann in den Himmel kommen. Aus moderner Sicht ist diese Mentalität unsinnig, sie zeigt aber, dass Moralvorstellungen sich mit der Zeit ändern.

Wenn wir heute Dokumente und Symbole vernichten, die den damaligen Zeitgeist wiedergeben, verleugnen wir historische Tatsachen. Eine Weisswascherei der Geschichte kann Fehler nicht wieder gut machen. Im Gegenteil, das Vergessen von Fehlern kkann eine Widerholung der gleichen Fehler beschleunigen.

Bücher aus der Vergangenheit dürfen weder umgeschrieben, noch zensiert werden. Sie gehören zum historischen Gedächtnis einer Gesellschaft. Historische Figuren müssen auch nicht den moralischen Massstäben von heute genügen. Mit der Erhaltung der Tatsachen können künftige Generationen sehen, welcher Zeitgeist einmal geherrscht haben und welche Lehren daraus gezogen werden können.

Es wäre auch ein Denkfehler, zu glauben, Werk und Autor seien deckungsgleich und deshalb könne der Öffentlichkeit alles, was mit einer missliebigen Person zu tun hat, nicht mehr zugemutet werden. Besser ist, von der Geschichte zu lernen.

Ein Beispiel ist Richard Wagner (1813 - 1883) der wegen eines in Zürich geschriebenen Artikels als Verfechter des Antisemitismus gilt. Die gewünschte Umbenennung nach Wagner benannter Plätze und Strassen, auch Bezeichnungen, die den Namen seiner Werke tragen - wie die Tannhäuserstrasse - würden die historische Situation nicht verbessern. Der nächster Schritt wäre dann, Wagners Werke von allen deutschen Bühnen zu verbannen.

Das Denkmal eines fragwürdigen Entdeckers wie Kolumbus dürfte man ebenfalls stehen lassen. Wenn heute gezeigt wird, mit welchen Kollateralschäden Christoph Kolumbus die Eroberung von Landstrichen unternommen hatte, wird der Kontrast zwischen der zurückliegenden Wahrnehmung und der Wirklichkeit deutlicher, als mit der Zerstörung von Kolumbus- Denkmälern. Vielleicht wird gar noch der Columbus Fluss umbenannt werden.

Man muss auch differenzieren: bei Statuen von Stalin oder Hitler machte eine Entfernung Sinn, denn es könnte es zu einer Glorifizierung kommen. Die Denkmäler wären zu Pilgerorten geworden. Eine Statue von Stalin, die von 1951 in Berlin errichtet worden war, wurde 1961 entfernt. Hitler war für die Vernichtung von 20 Millionen Menschen verantwortlich. Es gibt keine Hitler Statuen. Bei Stalin wird die Anzahl auf 6.5 Millionen geschätzt. Es wäre auch sicherlich falsch, den ersten Teil des Deutschlandlieds in Schulen aufzuführen, denn die Formulierung ``Deutschland über alles" ist ein Symbol deutschen Grossmachtwahns. Dass das Lied aber auf Wikipedia zu lesen ist, ist wichtig, denn so kann sich jederman davon überzeugen, dass der Text problematisch ist.

Der Versuch, Geschichte zu löschen, ist nicht neu. Bilder, Begriffe oder missliebige Namen zum Verschwinden zu bringen, wurde in der Vergangnheit vor allem von Sektierern, Fanatikern oder Ideologen gemacht. Ein wichtiger Grund ist die Symbolwirkung. Bei der Einführung der Reformation wurden Symbole aus den Kirchen entfernt. Es kam zum Bildersturm. Im dritten Reich wurden fremde Namen systematich ersetzt. Lustige Auswüchse sind "Schlauchapfel" statt "Banane", "Hebekastenjunge" statt "Liftboy" oder "Wonnekleister" statt "Schokolade".

Auch Stadtnamen haben Symbolkarakter. So wurde die Stadt Sankt Petersburg im Jahre 1914 zum Deutschen Petrograd, und dann im Jahre 1924 in Leningrad umbenannt zu werden. Es symbolisierte den Wechsel des sozialen und politischen Systems. Im Jahre 1992 wurde demokratisch die Rückbenennung in Sankt Petersburg beschlossen.

Die Buddha-Statuen von Bamiyan wurden vom Taliban im März 2001 irreversibel zerstört. Sie waren ein UNESCO Weltkulturerbe. Die beiden bekanntesten und grössten Statuen (53 bzw. 35 m hoch) waren historische Zeugnisse einer vom 3. bis zum 10. Jahrhundert praktizierten einzigartigen Kunst. Die Vernichtung erfolgte, weil sie nicht der Ideologie der Taliban entsprach.

Die Taliban Zerstörungskultur ist bei Weitem nicht einmalig. Die Vernichtung von Bildern in den Kirchen, oder die Bücherverbrennung der Nazis, waren immer auch ein Versuch, missliebiges Kulturgut zu eliminieren. Immer gingen dabei auch historische Werte kaputt.

Bei Zeugnissen die mit Untaten verbunden waren, muss man abwägen. Auf keinen Fall darf historisches Gedächtnis gelöscht werden. Künftige Generationen müssen von der Geschichte lernen können. Leider gehört es heute zur Ideologie von Politikern, Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit passend darstellen zu wollen. Da man die Vergangenheit nicht ändern kann, ist die Versuchung gross, Namen zu schleifen oder zu ändern. Man fühlt sich dann als Gutmensch und Weltenverbesserer.

Die Masche ist nicht nur Kosmetik fü moderne Ideologen. Sie wird auch als Waffe benutzt. Denn jeder, der sich der ``Reform" widersetzt, kann dann als Rassist, Nazi, Sexist dargestellt werden. So wurde bei der Forderung nach der Schleifung der Namen von frühren US Präsidenten auch der Name der Senatorin Dianne Feinstein gennant, denn sie hatte sich im Jahre 1984 als Bürgermeisterin von San Francisco erfrecht, nicht auf die Idee zu kommen, eine Kriegswappen der Conferderates zu entfernen. Dem Motto folgend ``Wer nicht für uns ist, ist gegen uns" wird dann der Name des Kritikers zerstürt.

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