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www.rhetorik.ch aktuell: (31. Aug, 2021)

Olaf Scholz im Aufwind

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Die erste TV-Debatte (Das Triell) zwischen Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz fand am Sonntag statt.
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Ein Cartoon zur Situation macht Gebrauch von einer optischen Täuschung. Olaf Scholz sieht rechts grösser aus, nachdem Laschet und Baerbock geschrumpft sind.

Olaf Scholz im Aufwind

Bislang wurde Olaf Scholz als Kanzlerkandidat nicht recht ernst genommen. Die SPD serbelte und Scholz wurde schon abgeschrieben. Nun hat er gewaltig aufgeholt. Die Sozialdemokraten haben nach der BILD-Umfrage mit 18 Prozent die Grünen bereits eingeholt. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hätte derzeit 48 Prozent und eine parlamentarische Mehrheit. Scholz profitiert von den Patzern der Konkurrenten. Laschet und Baerbock verloren Punkte und der SPD-Kandidat könnte vielleicht doch noch Kanzler werden. Jedenfalls hat Scholz bei der K-Frage durchaus eine Chance. Klammheimlich machte er im Windschatten der Konkurrenz an Boden gut. Nachdem die SN am 3. April 2021 Armin Laschet und am 19. Mai Annalena Baerbock einem Rhetorikcheck unterzogen hatte und später (am 29. Juli) beide auch noch als "Fettnapftreter" beleuchtete, könnte uns heute ein Check des SP Kandidaten ebenfalls interessieren.

Die Analyse:

Olaf Scholz politisiert ohne Ecken und Kanten. Ihm wurde deshalb der abwertende Beiname "Scholzomat" zugeschrieben. Es mangle dem Kandidaten an mutigen, visionären Ideen, war zu lesen. Er könne nicht begeistern. Scholz bemüht sich kraftvoll aufzutreten. Man spürt aber vor allem nur das Bemühen. Oft wirkt er langweilig. Aber die Langeweile ist bei ihm effektiv. Er erreichte jedenfalls mit seiner zurückhaltenden, freundlichen Art das Ziel. Der ständig lächelnde Politiker wurde immer beliebter. Ohne grosse Auftritte ist er zum Liebling der Deutschen aufgestiegen. Mitarbeiter bezeichnen ihn als nüchtern, unnahbar. Scholz sei sachkundig, seriös aber auch fordernd. Wenn jemand unklar antworte, könne er scharf werden. Seine Führungsformel laute "Owd". Gemeint ist damit: "Olaf will das". Scholz vertritt inhaltlich folgende Forderungen: Klimaneutralität bis 2045, höhere Steuern für Superreiche, mehr Mieterschutz und Mindestlöhne. Kohlekraftwerke (Dreckschleudern) will er noch nicht schliessen. Sein Bonus: Olaf Scholz hat als Vize-Kanzler reichlich Regierungserfahrung. Er stand nicht ständig in der öffentlichen Kritik. Von Skandalen blieb er verschont. In der Coronakrise hat er als Finanzminister rasch und unkompliziert die grossen Hilfspakete geöffnet. Die Bilanzfälschungen des Finanzdienstleisters Wirecard, die über Jahre nicht aufgedeckt wurden und die Steuerbetrügereien im Aktien-Geschäft (Cum-Ex-Skandal), schadeten erstaunlicherweise Scholz kaum. Die technischen Probleme bei Milliarden Skandalen sind wohl für Laien undurchsichtiger als geschönte Lebensläufe und Plagiate. Noch ein paar aufschlussreiche Aussagen des SPD-Kandidaten: Beim sozialen Wohnungsbau in Deutschland fordert Scholz: "400 000 Wohnungen sollten jedes Jahr neu gebaut werden, davon etwa 100 000 öffentlich geförderte. Das ist kein Hexenwerk, man darf nur nicht untätig bleiben." Die bisherigen Bemühungen würden nicht genügen, weil viele Menschen die Mieten nicht mehr bezahlen könnten. Zum Mieterschutz meinte Scholz: "Wir brauchen Mietpreisbremsen, und wir brauchen ein Moratorium, damit die Mieten nicht dramatisch durch die Decke steigen." Kommentar: Diese Forderungen zeigen, dass Scholz die SP Haltung konsequent durchzieht. Der Katalog ist nicht neu. Bezahlen sollen es die Reichen. Scholz wünscht den Zusammenhalt des Volkes
"Ich will was für Gerechtigkeit tun", begründete Scholz in der ARD seine Parteimitgliedschaft. Beim Wahlauftritt in Bochum stellte er den Zusammenhalt der Gesellschaft in den Mittelpunkt seiner Rede. Der Zusammenhalt müsse "das Prinzip unseres Landes" sein, wenn es um die Aufgaben der Zukunft gehe.
"Das, was Deutschland durch die Pandemie getragen habe, muss auch das Prinzip in anderen Bereichen sein."
Kommentar: Die Forderung nach Zusammenhalt ist eine Politikerforderung, der niemand widersprechen kann. Sie klingt immer gut, bleibt aber eine Hohlformel, solange nicht gesagt wird, WIE KONKRET dieser Zusammenhalt gefördert und finanziert werden kann.
Folgender Angriff war wirkungsvoll, aber": "Stellen wir die Weichen, damit die 20er Jahre gut werden. Durchwursteln, das hilft nicht. Durchlawieren auch nicht", betont der SPD-Kanzlerkandidat eindringlich. Frage: Wen meinte er wohl konkret damit? Zur Wirkung der Person Scholz strahlt Vertrauen aus. Er geht auf Menschen zu. Er glaubt trotz schlechter Umfragewerte an seinen Erfolg. Weil er von sich überzeugt ist, könnte er es schaffen. Nach dem Kommunikationsprinzip: Nur wer von sich überzeugt ist, kann andere überzeugen. Als Olaf Scholz im Frühjahr zum Kanzlerkandidaten ausgerufen wurde und seine Partei auf etwa 15 Prozent Wähleranteil abgesackt war, sagte er selbstsicher: "Im September werden wir sehen: Es hat geklappt". Dieser Satz klang damals völlig illusorisch. Heute ist jedoch ein Kanzler Scholz durchaus denkbar. Seine Beliebtheit steigt und steigt. Prognose: Obwohl es Scholz als Vizekanzler gut gemacht hat und Regierungserfahrung aus Hamburg hat, ist Berlin schon schwieriger zu regieren, vor allem, wenn nach den Wahlen herauskommt, dass keine göttlichen Gaben zu erwarten sind, um die immensen Kosten und Versprechen (Corona, Ueberschwemmungen, Weltrettung ect.) zu tragen. Ich traue Armin Laschet eher zu , das Zepter der Bundesrepublik zu führen als Scholz.

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