Bislang wurde Olaf Scholz als Kanzlerkandidat nicht recht ernst
genommen. Die SPD serbelte und Scholz wurde schon abgeschrieben. Nun hat
er gewaltig aufgeholt. Die Sozialdemokraten haben nach der BILD-Umfrage
mit 18 Prozent die Grünen bereits eingeholt. Die Ampel-Koalition
aus SPD, Grünen und FDP hätte derzeit 48 Prozent und eine
parlamentarische Mehrheit. Scholz profitiert von den Patzern der
Konkurrenten. Laschet und Baerbock verloren Punkte und der SPD-Kandidat
könnte vielleicht doch noch Kanzler werden. Jedenfalls hat Scholz
bei der K-Frage durchaus eine Chance. Klammheimlich machte er im
Windschatten der Konkurrenz an Boden gut. Nachdem die SN am 3. April 2021
Armin Laschet und am 19. Mai Annalena Baerbock einem Rhetorikcheck
unterzogen hatte und später (am 29. Juli) beide auch noch als
"Fettnapftreter" beleuchtete, könnte uns heute ein Check des SP
Kandidaten ebenfalls interessieren.
Die Analyse:
Olaf Scholz politisiert ohne Ecken und Kanten. Ihm wurde deshalb der
abwertende Beiname "Scholzomat" zugeschrieben. Es mangle dem Kandidaten
an mutigen, visionären Ideen, war zu lesen. Er könne nicht
begeistern.
Scholz bemüht sich kraftvoll aufzutreten. Man spürt aber vor
allem nur das Bemühen.
Oft wirkt er langweilig. Aber die Langeweile ist bei ihm effektiv. Er
erreichte jedenfalls mit seiner zurückhaltenden, freundlichen Art
das Ziel. Der ständig lächelnde Politiker wurde immer beliebter.
Ohne grosse Auftritte ist er zum Liebling der Deutschen aufgestiegen.
Mitarbeiter bezeichnen ihn als nüchtern, unnahbar. Scholz
sei sachkundig, seriös aber auch fordernd. Wenn jemand unklar
antworte, könne er scharf werden. Seine Führungsformel laute
"Owd". Gemeint ist damit: "Olaf will das".
Scholz vertritt inhaltlich folgende Forderungen: Klimaneutralität
bis 2045, höhere Steuern für Superreiche, mehr Mieterschutz
und Mindestlöhne.
Kohlekraftwerke (Dreckschleudern) will er noch nicht schliessen.
Sein Bonus:
Olaf Scholz hat als Vize-Kanzler reichlich Regierungserfahrung. Er stand
nicht ständig in der öffentlichen Kritik. Von Skandalen blieb
er verschont. In der Coronakrise hat er als Finanzminister rasch und
unkompliziert die grossen Hilfspakete geöffnet.
Die Bilanzfälschungen des Finanzdienstleisters Wirecard, die
über Jahre nicht aufgedeckt wurden und die Steuerbetrügereien
im Aktien-Geschäft (Cum-Ex-Skandal), schadeten erstaunlicherweise
Scholz kaum. Die technischen Probleme bei Milliarden Skandalen sind
wohl für Laien undurchsichtiger als geschönte Lebensläufe
und Plagiate.
Noch ein paar aufschlussreiche Aussagen des SPD-Kandidaten:
Beim sozialen Wohnungsbau in Deutschland fordert Scholz: "400 000
Wohnungen sollten jedes Jahr neu gebaut werden, davon etwa 100
000 öffentlich geförderte. Das ist kein Hexenwerk, man
darf nur nicht untätig bleiben." Die bisherigen Bemühungen
würden nicht genügen, weil viele Menschen die Mieten nicht mehr
bezahlen könnten. Zum Mieterschutz meinte Scholz: "Wir brauchen
Mietpreisbremsen, und wir brauchen ein Moratorium, damit die Mieten
nicht dramatisch durch die Decke steigen."
Kommentar: Diese Forderungen zeigen, dass Scholz die SP Haltung konsequent
durchzieht. Der Katalog ist nicht neu. Bezahlen sollen es die Reichen.
Scholz wünscht den Zusammenhalt des Volkes
"Ich will was für Gerechtigkeit tun", begründete Scholz in der
ARD seine Parteimitgliedschaft. Beim Wahlauftritt in Bochum stellte er
den Zusammenhalt der Gesellschaft in den Mittelpunkt seiner Rede. Der
Zusammenhalt müsse "das Prinzip unseres Landes" sein, wenn es um
die Aufgaben der Zukunft gehe.
"Das, was Deutschland durch die Pandemie getragen habe, muss auch das
Prinzip in anderen Bereichen sein."
Kommentar: Die Forderung nach Zusammenhalt ist eine Politikerforderung,
der niemand widersprechen kann. Sie klingt immer gut, bleibt aber eine
Hohlformel, solange nicht gesagt wird, WIE KONKRET dieser Zusammenhalt
gefördert und finanziert werden kann.
Folgender Angriff war wirkungsvoll, aber":
"Stellen wir die Weichen, damit die 20er Jahre gut werden. Durchwursteln,
das hilft nicht. Durchlawieren auch nicht", betont der SPD-Kanzlerkandidat
eindringlich.
Frage: Wen meinte er wohl konkret damit?
Zur Wirkung der Person
Scholz strahlt Vertrauen aus.
Er geht auf Menschen zu.
Er glaubt trotz schlechter Umfragewerte an seinen Erfolg.
Weil er von sich überzeugt ist, könnte er es schaffen. Nach
dem Kommunikationsprinzip: Nur wer von sich überzeugt ist, kann
andere überzeugen.
Als Olaf Scholz im Frühjahr zum Kanzlerkandidaten ausgerufen
wurde und seine Partei auf etwa 15 Prozent Wähleranteil abgesackt
war, sagte er selbstsicher: "Im September werden wir sehen: Es hat
geklappt". Dieser Satz klang damals völlig illusorisch. Heute ist
jedoch ein Kanzler Scholz durchaus denkbar. Seine Beliebtheit steigt
und steigt. Prognose: Obwohl es Scholz als Vizekanzler gut gemacht hat
und Regierungserfahrung aus Hamburg hat, ist Berlin schon schwieriger
zu regieren, vor allem, wenn nach den Wahlen herauskommt, dass keine
göttlichen Gaben zu erwarten sind, um die immensen Kosten und
Versprechen (Corona, Ueberschwemmungen, Weltrettung ect.) zu tragen.
Ich traue Armin Laschet eher zu , das Zepter der Bundesrepublik zu
führen als Scholz.
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