Der Co-Chef der Grünen Robert Habeck pflegt sein Image und zeigt sich
heimatverbunden. Ihm ist es wichtig, dass er als authentisch und
natürlich wahrgenommen wird. Und es gelingt ihm auch. Gefahr
besteht jedoch, dass er die Echtheit zu stark inszeniert. Kann Echtheit
überhaupt inszeniert werden? Gegenüber Annalena Baerbock hat
er ein leichtes Spiel. Er beweist, dass man ohne Redenschreiber und
Berater besser abschneiden kann. Er ist einfach er selbst.
Habeck profitiert von den Patzern seiner Kollegin, der er als Mann bei
der Kandidatur notgedrungen den Vortritt gelassen hat. Das wirkte
fair und signalisierte Bescheidenheit. Baerbock bleibt immer noch
Kanzlerkandidatin, es sei denn, sie trete zurück. Damit ist aber
nicht zu rechnen. Sie ist derzeit zu stark mit ihrer Defensivstrategie
beschäftigt.
Habeck ist clever genug, der günstigen Situation den Lauf zu lassen
und einfach abzuwarten. Er muss gar nicht viel machen, denn seine
Partnerin an der Spitze der Grünen brachte es fertig, innerhalb
von acht Wochen die Aufbauarbeit der Grünen von drei Jahren in
den Sand zu setzen. Das schafft nicht jeder. Habeck kann damit rechnen,
dass für ihn die Stunde des Glücks noch kommen könnte.
Zu seiner Auftrittskompetenz:
Habeck spricht mediengerecht, weil er sich so gibt, wie er im Alltag
spricht. Verständlich und nicht zu langfädig. Er wirkt
natürlich. Taz schreibt über ihn:
Habeck verkörpert die
Mischung aus Zukunftsoptimismus, Zugewandtheit und Lässigkeit. Aber
seine #Alles-möglich-Rhetorik" erzeugt Erwartungen, die seine Partei
nicht erfüllen kann.
Es geht nur noch ein paar Wochen bis zur Bundestagswahl. Im Wahlkampf
dominieren Pannen, Lapalien. Auf der Strecke bleiben leider die Inhalte.
- Laschet kann nicht mehr im Schlafwagen Kanzler werden.
- Baerbock hat sich selbst ihre Chance verbockt.
- Scholz wäre noch der unbescholtense von allen. Doch die Partei
serbelt und er ist farblos. Nicht ausgeschlossen, dass es doch noch zu
einer Ueberraschung kommt und vielleicht die Karte Habeck oder eine
andere Person aus dem Hut gezaubert wird.
Denn es sieht darnach aus, dass es weder Laschet noch Baerbock schaffen
wird. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass sie immerhin an der neuen
Regierung beteiligt sein werden und Vizekanzlerin, Finanzminister oder
Aussenminister wäre auch schon was und würde Einfluss sichern.
Die Situation bleibt jedenfalls spannend.