Die gendergerechte Sprache scheitert am Prinzip; Geschriebenes muss
auch gesprochen werden können. Der Gendergap beeinträchtigt
den Sprechfluss. Trotzdem soll schriftlich und mündlich das
"Loch im Wort" druchgeboxt werden. Verlage und Redaktionen, auch
Bildungsstätten sind aufgerufen, die militanten Sprachpolilizistinnen
zurückzubinden, die Sprache verkomplizieren, statt zu
vereinfachen und mit unnötigen Lücken unverständlicher
machen. Der Stern hat eine eindeutige Funktion als Fussnote. Der
Doppelpunkt hat innerhalb eines Wortes nichts zu suchen. Das Binnen I
(SchülerInnen) kann nicht ausgesprchen werden. Wir lehnen
alles ab, was die Verständlichkeit beeinträchtigt, unlogisch
ist oder das Sprachbild zerstört. Es lohnt sich gegen den Strom der
gendergerechten RotstifttypenInnen zu schwimmen.
Wie gross ist das Loch im Wort? Das Problem mit dem Loch im Wort. Als
der Gendergap Anfang der Nuller-Jahre eingeführt wurde, konnte die
Lücke nicht gross genug sein. Der Philosoph Steffen Kitty Hermann
machte den Unterstrich damals salonfähig: "Er schiebt grafisch die
männliche und die weibliche Form auseinander, um dazwischen Platz
für etwas Neues zu machen. Nämlich genau für jene, die sich
nicht mit der zweigeschlechtlichen Ordnung identifizieren können oder
wollen. Der Unterstrich dient also in erster Linie der Sichtbarmachung."
Doch Lücke heisst eben auch Trennung. Im Fall des Unterstrichs,
meint Anna Berkenbusch, aber sprachlich völlig unlogisch: "Das hat
mich am Anfang immer sehr irritiert, als es diesen Unterstrich gab mit
einem wirklich deutlichen Platz zwischen dem Wort und dann dem Anhang,
dass da eben ein Wortteil entsteht, der eigentlich "-innen` wie "aussen`
- eben einfach nochmal eine besondere Bedeutung hat."
Dann kam das Gender-Sternchen. Aber auch das, wie alle Satzzeichen,
die wir zweckentfremden, sei nur eine Behelfslösung, so Berkenbusch:
"Das Sternchen steht ja eigentlich für eine Fussnote, und in dem
Moment ist dann sozusagen das dritte Geschlecht mit einem Fussnotenzeichen
bezeichnet. Und beim Doppelpunkt ist es eigentlich ähnlich. Nur
der Doppelpunkt, der passt sich sicherlich sehr viel besser ein in ein
Alphabet und reisst nicht so eine Lücke."
Also, nach der möglichst sichtbaren Lücke soll sie jetzt
lieber wieder schrumpfen, obgleich nicht unsichtbar werden. Man
könnte das als Fortschritt in der Genderdebatte sehen, als Weg
hin zur Normalisierung im Schriftbild. Abgesehen von ganz praktischen
Vorteilen: Sprachausgabeprogramme lesen den Doppelpunkt automatisch
als Pause. Das Zeichen ist somit barriereärmer und inklusiver,
weshalb es inzwischen sogar von einigen Stadtverwaltungen eingesetzt wird.
Woher der Doppelpunkt eigentlich stammt, ist schwer zu sagen. Das
erste Mal taucht er 2015 beim Fusion-Festival auf - und zwar bei der
jährlichen Ticketverlosung. Warum, weiss niemand so genau. Von dort
trat der Doppelpunkt den Siegeszug an - wenn es denn einer werden wird.
Die Schweizer Künstlerin Bea Schlingelhoff, die mehrere Schriftarten
entwickelt hat, die nach Widerstandskämpferinnen benannt sind,
weist auf ein weiteres Doppelpunkt-Dilemma hin:
"Die zwei Punkte können ja schlecht für non-binary stehen,
oder? Das wäre bizarr. Und dann ist es ja eigentlich so, es kommt
immer eine Auflistung nach einem Doppelpunkt. Man sagt: Heute gehe
ich einkaufen. Doppelpunkt. Birnen, Äpfel, Mehl, keine Ahnung."
Diese Suche nach einem einzigen passenden Zeichen, das sprachlich
Gendergerechtigkeit schaffen soll, ist Problem und Chance zugleich. Ist
doch eigentlich ganz schön, dass wir seit 20 Jahren um den richtigen
schriftlichen Ausdruck für den Gendergap ringen und dabei auch
immer ein bisschen scheitern.
"Eigentlich bedeutet das ja, wir sind noch im Prozess, das zu finden",
sagt Bea Schlingelhoff, "und wir haben alle noch ein Unbehagen damit.
Vielleicht ist das auch etwas Gutes, dass es weiterhin Vorschläge
gibt, oder dass es weiterhin Versuche gibt."