Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wurde im Interview von
Anne Will nie hart befragt. Es war ein Talk wie unter zwei Freundinnen.
An Schluss lachten sie sogar noch gemeinsam. Im Gegensatz zu diesem
Gefälligkeitsinterview konnten wir bei Maischberger eine Moderatorin
erleben, die sich nicht mit Hohlphrasen abspeisen lässt. Baerbock
musste sich bei ihr grillieren lassen.
Sandra Maischberger geht auf das frühere Zitat Baerbocks
ein. Die grüne Politikern hatte damals über die peinliche
Maskengeschichte bei der Union gesagt:
"Ansonsten geht nicht nur das Vertrauen in die Union, sondern in den
Parlamentarismus, in die Demokratie in Gänze verloren!"
Maischberger: "Das haben Sie am 9. März gesagt. Und am 30.März haben Sie
nachgemeldet: 25 000 Euro, verdient in den Jahren 2018 bis 2020. Wie sehr
gefährdet das den Parlamentarismus?" Die grüne K-Anwärterin
muss gestehen:
"Ich habe mich natürlich selbst über meinen Fehler tierisch
geärgert", schwächt aber gleich ab: "Das Weihnachtsgeld, das
ich von meiner Partei bekommen habe - nicht von Dritten, also anders
als bei den Maskengeschäften - habe ich in all den Jahren immer
korrekt versteuert!
Doch leider hatte ich nicht auf dem Schirm, dass ich das Weihnachtsgeld
meiner Partei auch an den Bundestagspräsidenten hätte melden
müssen."
Maischberger entdeckt auch noch eine andere faule Stelle: "Das hat der
Bundesvorstand der Grünen beschlossen, auch in der Höhe. Sie
haben sich das Weihnachtsgeld also selber genehmigt?"
"Ja", muss die Kanzlerkandidaten zugeben, rechtfertigt sich
jedoch umgehend mit der Konkurrenz: "Weil wir, anders als andere,
Parteivorsitzenden, die auch im Bundestag sind, kein Gehalt zahlen. Wir
nehmen auch keine Einnahmen von Dritten ein."
Die Taktik mit Nebelschwaden und Blitzableiter verfangen bei Maischberger
nicht.
Maischberger lässt nie locker und bohrt stets nach: "Sie haben es
nachgemeldet, aber nicht der Öffentlichkeit, sondern erst, als die
BILD-Zeitung es gemeldet hat".
Baerbock versucht die peinliche Geschichte mit einem Wortschwall
einzunebeln: "Das stimmt so nicht!", antwortet sie. "Ich habe es dem
Bundestagspräsidenten gemeldet, bei dem musste ich das auch melden,
hatte vorher alles dem Finanzamt gemeldet, also korrekt versteuert,
es hat sich nicht um Einnahmen von Dritten gehandelt, sondern um Geld
von meiner Partei."
Die Talkmasterin hakt nach: "Die BILD-Zeitung hat es öffentlich
gemacht, erst dann haben Sie ..."
Weiter kommt Maischberer nicht, denn Baerbock unterbricht sofort mit
folgender Erklärung: "Es war öffentlich, weil, der Bundestag
meldet das dann ja auf den Webseiten, und bei Abgeordnetenwatch war das
ja auch entsprechend ausgewiesen ...".
Die diffuse Wortwolke klingt nach einer billigen Ausrede.
"Sie hätten ja auch in die Offensive gehen können", findet
Maischberger.
"Natürlich ist man hinterher rückblickend immer klüger",
antwortet Baerbock, "aber ich habe das selber gemeldet und das auch
selber transparent öffentlich gemacht."
Um dann noch sich selbst eine Frage zu stellen: "Ja, da kann man jetzt
sagen: Warum haben Sie nicht selber eine Pressemeldung herausgegeben?"
Genau! "Auf Facebook, auf Twitter, auf Instagram", ergänzt
Maischberger.
Auf diesen Vorschlag fällt Baerbock nichts mehr ein.
Statt zu antworten, platziert sie erneut einen Plausibiltätsspruch,
der immer ins Schwarze trifft: "Aus Fehlern lernt man".
Unternehmer Thelen war Teilnehmer in der gleichen Diskussionsrunde. Er
ärgert die Kanzlerkanditatin mit dem Vorschlag, sie solle doch
einfach 1500 Euro an "Ein Herz für Kinder" spenden, dann würde
er die gleiche Summe noch mal drauflegen.
"Ich habe in den vier Wochen, wo ich Kanzlerkandidatin bin, Heftigstes
erlebt", versucht die Kanzlerkandidatin abzulenken. "Ich habe auch eigene
Fehler gemacht. Dazu muss man stehen, aber was ich schon krass finde,
ist diese Art von Shitstorm, wo über Fake news, wir kennen das aus
den USA, Dinge behauptet werden."
Maischberger lässt sich nicht beirren: Ihr nächster Einspieler
betrifft das Zitat, mit dem Baerbock ihren Kollegen/Konkurrenten Robert
Habeck als dummen Schweinebauern verächtlich machte.
Das findet aber Baerbock nicht lustig: "Auch das habe ich gemerkt, dass
mit Humor und Ironie es nicht so klug ist in der Politik", verteidigt
sie sich. "Robert Habeck kennt meine schroffe Art sehr. Es ging bei der
Frage darum, wo wir unterschiedlich ticken, und es ging um politische
Kontexte." Darauf folgt wieder ein Ablenkungsmanöver. In heiklen
Situationen weist Baerbock gerne mit grosser Entrüstung zurück,
was gar niemand behauptet hatte. Auch in dieser Situation:
"Da Robert Habecks Eltern Apotheker waren, habe ich überhaupt
nicht darüber gesprochen, wo er in der Kindheit auf dem Bauernhof
gelebt hat!" Niemand hatte jedoch Baerbock dies unterstellt!
"Was ich meinte, war, dass er Landwirtschaftsminister war, bevor er
Parteivorsitzender geworden ist."
Gemeint ist nie dasselbe, wie es wortwörtlich formuliert worden ist.
Die grüne Politikerin zieht eine neue Karte, um sich den
harten Fragen zu entziehen: "Die Vertrauensfrage spielte auch eine
Rolle. Für uns ist es wichtig, das wir Dinge, die wir vertraulich
besprochen haben, die auch nicht ganz einfach sind, auch nachher im
Vertrauen weiter behalten."
Fazit: Im Gegensatz zu Anne Will weiss Maischberger, was sie will.