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www.rhetorik.ch aktuell: (07. Jun, 2021)

Maschberger und Will, wie Tag und Nacht

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Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wurde im Interview von Anne Will nie hart befragt. Es war ein Talk wie unter zwei Freundinnen. An Schluss lachten sie sogar noch gemeinsam. Im Gegensatz zu diesem Gefälligkeitsinterview konnten wir bei Maischberger eine Moderatorin erleben, die sich nicht mit Hohlphrasen abspeisen lässt. Baerbock musste sich bei ihr grillieren lassen.

Sandra Maischberger geht auf das frühere Zitat Baerbocks ein. Die grüne Politikern hatte damals über die peinliche Maskengeschichte bei der Union gesagt:

"Ansonsten geht nicht nur das Vertrauen in die Union, sondern in den Parlamentarismus, in die Demokratie in Gänze verloren!"

Maischberger: "Das haben Sie am 9. März gesagt. Und am 30.März haben Sie nachgemeldet: 25 000 Euro, verdient in den Jahren 2018 bis 2020. Wie sehr gefährdet das den Parlamentarismus?" Die grüne K-Anwärterin muss gestehen:

"Ich habe mich natürlich selbst über meinen Fehler tierisch geärgert", schwächt aber gleich ab: "Das Weihnachtsgeld, das ich von meiner Partei bekommen habe - nicht von Dritten, also anders als bei den Maskengeschäften - habe ich in all den Jahren immer korrekt versteuert!

Doch leider hatte ich nicht auf dem Schirm, dass ich das Weihnachtsgeld meiner Partei auch an den Bundestagspräsidenten hätte melden müssen."

Maischberger entdeckt auch noch eine andere faule Stelle: "Das hat der Bundesvorstand der Grünen beschlossen, auch in der Höhe. Sie haben sich das Weihnachtsgeld also selber genehmigt?"

"Ja", muss die Kanzlerkandidaten zugeben, rechtfertigt sich jedoch umgehend mit der Konkurrenz: "Weil wir, anders als andere, Parteivorsitzenden, die auch im Bundestag sind, kein Gehalt zahlen. Wir nehmen auch keine Einnahmen von Dritten ein."

Die Taktik mit Nebelschwaden und Blitzableiter verfangen bei Maischberger nicht.

Maischberger lässt nie locker und bohrt stets nach: "Sie haben es nachgemeldet, aber nicht der Öffentlichkeit, sondern erst, als die BILD-Zeitung es gemeldet hat".

Baerbock versucht die peinliche Geschichte mit einem Wortschwall einzunebeln: "Das stimmt so nicht!", antwortet sie. "Ich habe es dem Bundestagspräsidenten gemeldet, bei dem musste ich das auch melden, hatte vorher alles dem Finanzamt gemeldet, also korrekt versteuert, es hat sich nicht um Einnahmen von Dritten gehandelt, sondern um Geld von meiner Partei." Die Talkmasterin hakt nach: "Die BILD-Zeitung hat es öffentlich gemacht, erst dann haben Sie ..." Weiter kommt Maischberer nicht, denn Baerbock unterbricht sofort mit folgender Erklärung: "Es war öffentlich, weil, der Bundestag meldet das dann ja auf den Webseiten, und bei Abgeordnetenwatch war das ja auch entsprechend ausgewiesen ...". Die diffuse Wortwolke klingt nach einer billigen Ausrede. "Sie hätten ja auch in die Offensive gehen können", findet Maischberger. "Natürlich ist man hinterher rückblickend immer klüger", antwortet Baerbock, "aber ich habe das selber gemeldet und das auch selber transparent öffentlich gemacht." Um dann noch sich selbst eine Frage zu stellen: "Ja, da kann man jetzt sagen: Warum haben Sie nicht selber eine Pressemeldung herausgegeben?" Genau! "Auf Facebook, auf Twitter, auf Instagram", ergänzt Maischberger. Auf diesen Vorschlag fällt Baerbock nichts mehr ein. Statt zu antworten, platziert sie erneut einen Plausibiltätsspruch, der immer ins Schwarze trifft: "Aus Fehlern lernt man". Unternehmer Thelen war Teilnehmer in der gleichen Diskussionsrunde. Er ärgert die Kanzlerkanditatin mit dem Vorschlag, sie solle doch einfach 1500 Euro an "Ein Herz für Kinder" spenden, dann würde er die gleiche Summe noch mal drauflegen.

"Ich habe in den vier Wochen, wo ich Kanzlerkandidatin bin, Heftigstes erlebt", versucht die Kanzlerkandidatin abzulenken. "Ich habe auch eigene Fehler gemacht. Dazu muss man stehen, aber was ich schon krass finde, ist diese Art von Shitstorm, wo über Fake news, wir kennen das aus den USA, Dinge behauptet werden."

Maischberger lässt sich nicht beirren: Ihr nächster Einspieler betrifft das Zitat, mit dem Baerbock ihren Kollegen/Konkurrenten Robert Habeck als dummen Schweinebauern verächtlich machte.

Das findet aber Baerbock nicht lustig: "Auch das habe ich gemerkt, dass mit Humor und Ironie es nicht so klug ist in der Politik", verteidigt sie sich. "Robert Habeck kennt meine schroffe Art sehr. Es ging bei der Frage darum, wo wir unterschiedlich ticken, und es ging um politische Kontexte." Darauf folgt wieder ein Ablenkungsmanöver. In heiklen Situationen weist Baerbock gerne mit grosser Entrüstung zurück, was gar niemand behauptet hatte. Auch in dieser Situation:

"Da Robert Habecks Eltern Apotheker waren, habe ich überhaupt nicht darüber gesprochen, wo er in der Kindheit auf dem Bauernhof gelebt hat!" Niemand hatte jedoch Baerbock dies unterstellt!

"Was ich meinte, war, dass er Landwirtschaftsminister war, bevor er Parteivorsitzender geworden ist." Gemeint ist nie dasselbe, wie es wortwörtlich formuliert worden ist.

Die grüne Politikerin zieht eine neue Karte, um sich den harten Fragen zu entziehen: "Die Vertrauensfrage spielte auch eine Rolle. Für uns ist es wichtig, das wir Dinge, die wir vertraulich besprochen haben, die auch nicht ganz einfach sind, auch nachher im Vertrauen weiter behalten."

Fazit: Im Gegensatz zu Anne Will weiss Maischberger, was sie will.

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