Rhetorik.ch

Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com
Aktuell Artikel Artikel Inhaltsverzeichnis Suche in Rhetorik.ch:

www.rhetorik.ch aktuell: (06. Dez, 2020)

Masturbieren als Kunstereignis

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
In der letzten "Kulturplatz"-Sendung (SRF) berichtete Eva Wannenmacher über einen Workshop, der zur Gruppenmasturbation anleitet. Akteurin war Talaya Schmid, die Gruppen- und Selbstbefriedigungsworkshops am Radio leitet. Bei ihren Übertragungen fordert sie die Hörer auf, die "Schenkel zu spreizen, die Herzen zu öffnen und gemeinsam zu masturbieren". Die Anwesenden sollten sich auf das Experiment mit geschlossenen Augen einlassen. "Heute geht es bei uns um körperliche Lust und weibliche Selbstermächtigung", begrüsste Eva Wannenmacher die Zuschauer von "Kulturplatz". Wenngleich in der Sendung nicht masturbiert wurde, zeigte aber Schmid Wannenmacher ihre Sexspielzeugsammlung. Auch Sequenzen aus einem Radiobeitrag waren zu hören. Selbst wer nicht prüde ist, musste sich fragen: Was hat gemeinsames Masturbieren mit Kunst und Kultur, vor allem im Schweizer Fernsehen zu tun?

Ich bin wohl nicht der Einzige, der sich die berechtigte Frage gestellt hat, weshalb SRF Masturbieren in Gruppen im Service public propagiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Programmverantwortlichen eine überzeugene Begründung finden, weshalb Masturbation und die Aufmunterung zum Masturbieren im Sendegefäss Kultur Platz gefunden hat. (Schlusswort von Schmid: "Passt auf euch auf und vergesst nicht zu masturbieren!") Eva Wannenmacher ist mir schon 2003 in einem Interview mit FACTS (Ausgabe 32) aufgefallen, als sie die Nähe zu einer niveaulosen Sendung gesucht hatte. Nach der Moderation von 10 vor 10 hätte sie die anspruchsvolle Sendung "Gesundheit Sprechstunde" moderieren können. Der Vertrag stand bereits. Damals wurde Eva Wannenmacher vertragsbrüchig und zog es vor, bei TV3 die seichte Sendung " Big Brother" zu moderieren. Dort hatte sie dann wenig Erfolg und es folgte eine fernsehfreie Zeit. Die Journalistin war einsichtig und gestand, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Mit der Moderation von "Kulturzeit" war dann die Journalistin wieder am Bildschirm zurück und blieb dann über Jahre der Kultur treu. Bei SRF beim "Kulturplatz". Sie entwickelte sich zu einer guten Kulturjournalistin.

Nach der deplazierten Masturbationssendung müssen wir uns fragen, wie hoch der Anteil des Ausrutschers bei der Moderatorin liegt. Wannenmacher hätte sich weigern können, in ihrer Sendung die fragwürdige Gruppenmasturbation auf den Status einer Kultur- und Kunsthandlung zu hieven. Wer letztlich für diesen Ausrutscher im SRF verantwortlich zeichnet, sei dahingestellt. Jedenfalls ist es unbegreiflich, öffentliche Masturbation als kulturellen Wert zu sehen oder unter Kunst einzuordnen. Weshalb tritt eine erfahrene Journalistin so unbedacht ins Fettnäpfchen? Es ist bedauerlich, dass Kulturjournalistin Wannenmacher ihr neues Image, das sie sich über Jahre erarbeiten konnte, mit diesem Thema beeinträchtigt hat. Nachtrag: SRF könnte Wannemacher verteidigen, indem auf den erweiterten Kulturbegriff und dessen Entwicklung verwiesen wird:

"Die ursprüngliche, engere Bedeutung von Kultur, die sich auf Praktiken und Techniken des Landbaus bezog, ist durch metaphorische Erweiterung und Übertragung auf andere Bereiche zum Modell für andere mentale und soziale Formen der Kultivierung einer Gesellschaft geworden: "Kultur ist die Kunst ("ars", "téchne"), durch welche Gesellschaften ihr Überleben und ihre Entwicklung in einer übermächtigen Natur sichern." (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung.) Wenn SRF einer Selbstbefriedigungskursleiterin eine Plattform bietet, entspricht dies nicht dem Auftrag einer breiten, sachgerechten Beleuchtung von fragwürdigen Verhaltensweisen. Und was eigentlich noch gravierender ist: Masturbieren in Gruppen ist sicherlich keine Form zur Kultivierung unserer Gesellschaft.

Rhetorik.ch 1998-2020 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com