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www.rhetorik.ch aktuell: (14. Okt, 2020)

Historiker Gerste über Trumps Rhetorik

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Im SRF gibt es ein bemerkenswertes Interview mit dem Historiker Ronald Gerste über die Rhetorik von Trump. Er vergleicht Trump mit Andrew Jackson, der ähnlich ein grosses Vermögen hatte und burschikos politisierte. Gerste weist aber auch darauf hin, dass Trump eine Aushahme ist, weil er militärisch zurückhaltend war (und das sei eine Eigenschaft, die in den Medien bisher kaum zur Sprache gekommen ist). Man muss da bis zu Herbert Hoover zurückschauen, um eine ähnliche Zurückhaltung zu finden. Das Interview wurde am 12. Oktober im Echo der Zeit ausgestrahlt.

Roger Brändlin: Seit vier Jahren sorgt US-Präsident Donald Trump mit seinem Auftritt und seinen Vorhaben für Schlagzeilen. Ist er wirklich so anders als all seine Vorgänger?

Ronald Gerste: Sicher in der neueren Geschichte der USA. Aber auch schon früher wurde polarisiert und kräftig ausgeteilt. Es kommt nicht von ungefähr, dass Trumps Vorbild Präsident Andrew Jackson ist, der von 1829 bis 1837 regierte und einen sehr burschikosen Politikstil pflegte. Neu und für viele verwirrend, wenn nicht gar abstossend, ist die sehr persönliche Rhetorik. So war es früher undenkbar, einem ehemaligen Aussenminister nachzuwerfen, er sei "dumm wie ein Stein". Das geht über das manchmal hemdsärmelige Diskutieren in der US-Politik deutlich hinaus.

Roger Brändlin: Neu und für viele verwirrend, wenn nicht gar abstossend, ist die sehr persönliche Rhetorik. Sie ziehen einen Vergleich zu Andrew Jackson. Können Sie ein Beispiel machen?

Ronald Gerste: Jackson hat sich rhetorisch wenig zurückgehalten, besonders als er 1824 das erste Mal kandidierte. Es gab damals eine enge Wahl unter vier Kandidaten, und die Entscheidung musste letztlich im Kongress fallen. Damals taten sich die Stimmen und Anhänger von zwei der anderen Kandidaten zusammen, worauf Jackson von einer völlig korrupten Handlung sprach und den nachmaligen Vizepräsidenten schwer beschimpfte. Das war aber eine Zeit, als die USA noch jung und der Westen noch wild war. Was jetzt abläuft, unterscheidet sich aber doch stark, ging es doch damals persönlich noch immer halbwegs fair zu und her.

Roger Brändlin: Trump wird vorgeworfen, er beschädige das Amt und die Institutionen. Gab es das bei Jackson auch schon?

Ronald Gerste: Bei Andrew Jackson sagten das viele bisherige Eliten auch. Dessen Wahl gilt ein wenig als Durchbruch der Demokratisierung in dem Sinne, dass viele Menschen aus sozial schwächeren Schichten mitreden konnten und einen vermeintlichen "Champion" ihrer Sache im Weissen Haus hatten. Auch Jackson war der Präsident der einfacheren Bevölkerung, was nicht den biografischen Realitäten entsprach, denn er war steinreich, mit grosser Plantage vor den Toren von Nashville und jeder Menge Sklaven.

Roger Brändlin: Es entsteht der Eindruck, dass Trump ein Präsident der Weissen und der Wirtschaft ist. Gibt es andere solche US-Präsidenten?

Ronald Gerste: Die US-Präsidenten waren alle nicht aus armem Haus. Wer es bis zur Präsidentschaft geschafft hat, hatte ein ordentliches privates Vermögen angehäuft und gehörte traditionell eher einer weissen Oberschicht an. Was sie allerdings unterschied, war die Fähigkeit, sich auch als Kämpfer für die anderen Ethnien darzustellen, auch wenn sie wenig Bezug dazu hatten. Zwei ganz prominente und positive Beispiele sind John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson, welche die Bürgerrechtsgesetze nach vielen blutigen Tragödien auf den Weg brachten.

Roger Brändlin: Hatten die USA je einen Präsidenten, der militärisch so zurückhaltend war wie Donald Trump?

Ronald Gerste: Dieser Aspekt findet eigentlich überhaupt keine Beachtung. Was sicherlich für Trump spricht, ist die äusserste militärische Zurückhaltung. Er hat keinen neuen Krieg angefangen und kaum direkte Militäraktionen befohlen. Mir kommt nur der Raketenschlag gegen einen wohl schon leer geräumten syrischen Flughafen in den Sinn. Man muss zurückschauen bis auf Herbert Hoover, der von 1929 bis 1933 regierte, um Ähnliches zu finden.

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