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www.rhetorik.ch aktuell: (30. Sep, 2020)

Erste Debatte: Trump bleibt Trump

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Die wichtige Fernsehdebatte zwischen Donald Trump und Joe Biden in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wurde zum Spektakel und spannenden Medien-highlight. Das TV-Duell ist an Bedeutung nicht zu unterschätzen. Zusätzlich angeheizt wurde es durch den erbitterten Streit um die Neubesetzung der Richterstelle am Obersten US-Gericht und Trumps fragwürdige Steuernabgaben. Folgende Fragen beschäftigten mich: Wer punktet mehr? Wer überzeugt besser? Wer wirkt glaubwürdiger, kompetenter? Wer findet die Balance zwischen agressiv und präsidial? Wird sich - wie Trump dem Moderator unterstellte - der Gesprächsleiter parteiisch verhalten?
Das Radio SRF.

Um es zusammenzufassen: Trump bleibt Trump. Er nutzt im Duell die Unterbrechungstaktik. Biden versucht Angriffe wegzulächeln, lässt sich aber provozieren.

Sehr schnell haben auch die Komedianten die Debatte aufgenommen. Hier ist Weird Al.
Die erste Debatte zwischen Trump und Biden wurde von Wallace moderiert, der Schwierigkeiten hatte den Dompteur zu spielen. Auf 20 Min gibt Thomas Jaeger Tump 5 Punkte, Biden 4 Punkte, meint aber "Das war fürchterlich. Bei einer CBS Blictzumfrage meinten 48 der Befragten, Biden sei der Gewinner, 41 Prozent Trump, 10 Prozent unentschieden. Nach CNN sahen 60 Prozent Biden vorne. IM Blick: Totales Chaos bei TV-Debatte.
Spiegel: Wallace erntet Spott in den sozialen Medien. Die Performance des Moderators rufe ins Gedächtnis, dass Kita-Kräfte unterbezahlt seien, heisst es in einem Tweet der Comedy-Sendung "The Daily Show". Die Debatte war auch in der Schweiz Live zu sehen Live. Unten ist eine detailliertere Analyse. Zuerst ein Gedicht von Peter Doerig:

 
Unfaire Gesellen 
Zum Fernsehduell Trump/Biden vom 29. September

Sie schwatzen drein, beschimpfen sich,
benehmen sich gar fürchterlich,
die alten Männer am TV,
Donald and Joe, dies ganz genau.

Was soll die Jugend davon halten,
wenn sich Grossväter  so verhalten,
ist das des Wahlkampfs letzter Schluss,
dass man sich so beschimpfen muss?

God bless America sie sagen
und gehen tüchtig an den Kragen
dem andern, ohne sich zu kümmern,
dass viele Leute dabei wimmern.

Peter Dörig
Schaffhausen 


Der Rhetorik kommt während der Corona-Pandamie eine besondere Bedeutung zu. Fernsehduelle haben derzeit auch einen besonderen Stellenwert. Es geht vor allem um das Visuelle und #Wie" kommuniziert wird, auch um die Kraft, die ein Kandidat ausstrahlt. Für Biden war die Coronakrise gleichsam ein Geschenk. Da er Auftritte (freies Reden ohne Telepromter) meidet, konnte er den aktuellen Wahlkampf vor dem 1. Duell im Schonprogramm führen. Es musste sich dann aber fürs Duell umso härter vorbereiten.

Traditionelle Wahlkampfmethoden funktionieren dieses Jahr nicht.

Weil es den Kandidaten unmöglich ist, vor Tausenden von Menschen aufzutreten, wirkte dieses Jahr vor allem die Wahlkampfkommunikation online der beiden Kontrahenden. Biden wurde bei seinen Auftritten von seinem Haus aus als #authentischer" empfunden, als jene des Amtsinhabers Trump, der meist aus dem weissen Haus verlauten liess. Trump profitiert seit Jahren von seinen ungezählten Twitter-Accounts. Die Tweets mit den kurzen, pointierten Sätzen ("Fake News, America First") sind seine politische Waffe. Sie ist eindruckssvoller als die gemässigteren Aussagen Bidens. Vorurteile haben die Meinung der Medienkonsumenten schon vor dem Schlagabtausch beeinflusst. Provokateur Donald Trump gilt generell als unberechenbar und egozentrisch. Die Meinung war verbreitet, er habe bei der Coronakrise und bei der Gewalt in amerikanischen Städten versagt.

Nach einem Aussetzer in einer Rede wurde an Joe Bidens geistiger Fitness gezweifelt. Obwohl Biden in einer Ansprache alles vom Teleprompter ablesen konnte, verlor er plötzlich komplett den Faden. Er sagte einige Sätze, die keinen Sinn ergaben.

Der erste Eindruck prägt

Bei Debatten sind Stimmungen und Details vor einem Millionenpublikum sehr wichtig. Auch bei diesem TV-Duell. Das Begrüssungsritual war aufschlussreich. Trump inszenierte sich einmal mehr bei der Begegnung mit Biden als "Alphatier". Er kennt instinktiv dominantes Verhalten. Auf das Ritual mit dem Handschlag mussten beide verzichten. Trump schritt staatsmännisch und ruhig zum Rednerpult. Er ignorierte Biden. Dieser begrüsste den Gegner mit einem Lächeln und Fäusten, als wolle er sagen: "Ich verstehe heute, Dich zu schlagen!"

Trump verdankt seinen Erfolg der Körpersprache. Die grossen ausladenden Gesten (mit grosser Amplitude), die oft gekoppelt mit schnellen Bewegungen (hoher Frequenz) - im Duell sprach er im Duell meist mit der rechten Hand, mit offender Handfläche, als wolle er Bidens Aussagen wegschneiden. Obwohl der ausgestreckte Zeigefinger als Schulmeistergeste verpönt ist, nutzte Trump sie - wohl bewusst - als Achtungs- und Aufmerksamkeitsgeste. Trump signalisierte mit seiner populären Sprache: Ich bin einer von Euch (am Biertisch). Viele Politiker sind sich dessen nicht bewusst, dass Perfektion sogar Aggression auslösen kann. Aufschlussreich waren bei Trump Haltung und Mimik. Er kniff oft die Augen zusammen, als würde er geblendet. Damit schwächte er die Verbindung zum Gegenüber. (Der Blick ist die Nabelschnur der Kommunikation). Biden wich mit dem Blick oft Trump aus und blickte bewusst zur Kamera, wohl antrainiert. Wahrscheinlich wurde ihm gesagt: #Wer in die Kamera blickt, spricht das Publikum an". Bidens Gestik war gemässigter. Die Mundwinkel zog Trump vielfach nach unten. Kabarettisten können Trump leicht immitieren, dank seiner Haltung mit dem seitlich abgeknickten Kopf, den gefärbten Haaren, dem unatürlich gelb-roten Gesicht. Bei seinen zum Schmollmund geschürzten Lippen hat man immer das Gefühl, Trump signalisiere: Ich möchte andere Aussagen gar nicht hören.

Trumps krasse Unterbrechungstaktik

Trump versuchte ständig - mit Unterbrechungen - Biden zu destabilisieren. Oft sprachen beide gleichzeitig. Damit gelang es Trump, die Aussagen des Gegners zu killen. Denn beim Durcheinanderreden verstehen die Medienkonsumenten nichts. Der Moderator, der auch unterbrochen wurde, musste sich sogar wehren: "Ich bin hier der Moderator!" Die bewusst Unterbrechnungstaktik zeigte nach kurzer Zeit Wirkung. Sie vermochte Biden offensichlich zu irritieren. Biden sagte entnervt: "Würdest Du bitte die Klappe halten?" später sogar: "Mit diesem Clown kann man nicht diskutieren!" Damit verlor Biden wertvolle Punkte. Denn in Stressstituationen gilt immer: Ruhe bewahren! Biden versuchte ansonsten die Provokationen wegzulächeln (wurde wohl vom Coach empfohlen). Er bemühte sich. bewusst staatsmännisch zu bleiben. Biden war aber nicht mehr wie in früheren Gesprächen, der alternde Gentleman. Man merkte deutlich, dass er lange auf Angriff gecoacht worden sein muss. Wie ein guter fleissiger Schüler und befolgte die Anweisungen (wie er zu kontern habe, wann er in die Kamera schauen soll und dass er sich nie provozieren lassen dürfe). Biden dachte mir während des Sprechens zu viel an das, was ihm beigebracht wurde. Das ist nie gut. Die Rolle des kämpferischen Politveteranen liegt Biden nicht. Wirkungsmässig kam er dadurch nicht so gut weg. Zu verbraucht? Ausgebrannt? Die Emotionen passten jedenfalls während der Debatte selten zu seinem üblichen Verhalten. Wir fragen uns: Warum haben ihn überhaupt die Demokraten aufgestellt? Fehlt es an jungen, unverbrauchten Kräften? Dennoch werden ihn wahrscheinlich viele wählen, nur um Trump los zu werden.

Eindruck

Die Kleidersprache brachte keine Überraschung. Die Kontrahenden traten beide in klassischem Dunkelblau auf. Trump mit gestreifter Kravatte (USA Farben: rot/blau). Biden auch mit gestreifter Kravatte aber blau/weiss. Im Gegensatz zur kraftvolleren Stimme Trumps wirkte Bidens Stimme weniger griffig, gleichsam aufgeweicht. Ein Muster aus dem Wortgefecht. Trump nutzte die Fragetechnik (Wer fragt, führt) und provoziert: "Hast du dich gerade als Smart bezeichnet?" fragte Trump. Biden solle sich vor ihm nie als smart bezeichnen, er habe schliesslich als Schlechtester in seiner Klasse abgeschlossen. Biden lachte bewusst (wie antrainiert).

Ein Journalist fragte mich nach dem Duell, welchen Tip ich den Beiden nach dem Duell mit auf den Weg geben würde. Da Trump sich bei grossen Auftritten so wohl fühlt, dass er sich gerne verrennt, würde ich ihm empfehlen, einen Hofnarren zu beschaffen, der ihm den Spiegel vorhält. Dann müsste er sich selbst kritisieren. Ich vermute jedoch, dass Trump beratungsresistent ist. Biden müsste lernen, sich bei allen Auftritten von allen Nebengedanken zu entlasten, damit er sich 100 prozentig nur auf das Gegenüber und das Denken konzentrieren lernt.

Falls Trump in der Wahl unterliegt, ist noch nicht ersichtlich, ob er die Niederlage akzeptieren würde. Schon 2016 hat er sich geweigert, die Frage, ob er eine Niederlage respektieren werde, zu bejahen.

Der Auftritt 2020 hat gezeigt, dass Trump sich gesinnungsmässig und rhetorisch wenig verändert hat. Biden hat zwar - gemäss Umfragen - immer noch die Nase vorn. Doch befinden sich seine Zahlen im leichten Sinkflug. Bei Trump ist auch weiterhin mit einigen Ueberraschungen zu rechnen. Biden gelang es im Duell, die meisten Ratschläge der Berater zu befolgen. Aber er liess sich provozieren. Es fehlte anderseits auch der Befreiungsschlag Trumps. Seine penetrante Unterbrechungsstrategie zu seinem Schutz kam gar nicht gut an. Das Rennen ist somit weiterhin offen. Es gibt keinen Sieger. 2016 erhielt Trump von vielen Wählern die Stimme, nur weil sie den Sieg von Hillary Clinton verhindern wollten. 2020 könnte nun der profillose Biden Stimmen viele erhalten, diesmal, nur um Trump zu entmachten. Der Bevölkerung fehlt heute leider eine echte Auswahl.Sie kann wiederum nur das geringere Uebel wählen. Medienpofi Trump wird weiterhin mit Emotionen punkten. Vor allem, weil er selbst glaubt, was er sagt - auch seine Fakes. Bei Kommunikationsprozessen beeindrucken in erste Linie Persönlichkeiten mit Engagement. Wichtig ist nicht, was gesagt wird, sondern WIE es gesagt wird. Ohne AusDRUCK kein EinDruck.Trump war trotz rhetorischer Mängel in dieser Hinsicht im Duell besser. Seine Anhängerschaft wird bestimmt auch künftig alle Fakes des Präsidenten völlig ausblenden. Obwohl er weiter gegen parteiische Moderatoren, gegen Medien und politisch Ueberkorrekte wettern wird, bleiben ihm die Anhänger treu. Sie schätzen solche Töne. Anderseits hätte Biden eine grosse Chance gehabt, nach den vier Jahren, die von Narzissmus und Skandalen geprägt waren, die Stimmung für sich mehr zu nutzen. Im Fernsehduell gelang ihm dies leider zu wenig.

Wichtiger als auf Inhalte zu setzen (die dem Publikum bekannt sind), ist es bei TV- Duellen, das Narrativ des Abends zu prägen. Auch da punktete einmal mehr Trump. Er verstand es, seine alten Vorwürfe auf einfache Art zu wiederholen, damit sie im Langzeitgedächtnis der Wähler verankert bleiben. Schade, dass Biden die neuen Streitpunkte - wie die Steuern Trumps - zu wenig hartnäckig thematisiert hatte. Wir haben auch zu wenig erfahren, für was er als Präsident konkret einstehen würde.

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