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"Bundesamt für Fehltritte" (NZZ), "Die Corona-Krise wird zur
BAG-Krise" (SRF), "Vertrauen verspielt" ("Aargauer Zeitung"): Nachdem das
Bundesamt für Gesundheit (BAG) falsche Zahlen zu den Ansteckungsorten
herausgab, steht es im Kreuzfeuer der Kritik.
Für Kritik sorgte vergangene Woche schon der Auftritt von
BAG-Direktor Pascal Strupler. Er hatte die Kantone wegen der steigenden
Corona-Zahlen eindringlich aufgefordert, einen Gang höher zu
schalten. Unter anderem empfahl er allen Kantonen eine Maskenpflicht in
Läden. Bisher ist aber kaum ein Kanton dem BAG gefolgt. "Die Leute
nehmen Ansagen nicht mehr ernst"
Für Kommunikationsexperte Marcus Knill ist der Bock mit den
falschen Daten nur einer in einer langen Serie von Kommunikationspannen:
"Das Vertrauen in das BAG als Institution ist beschädigt. Das ist
gravierend, weil es zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung
führt. Die Folge ist, dass die Leute Ansagen und Massnahmen aus
dem Bundesamt nicht mehr ernst nehmen."
"In einer Pandemie ist das besonders gefährlich, weil es unmittelbar
Auswirkungen auf die Ansteckungen haben kann." Laut Knill ist es richtig,
dass Alain Berset am Dienstag Stellung zur Panne genommen hat: "Ein Sorry
allein reicht in einem solchen Fall nicht. Berset muss konkret aufzeigen,
was er unternimmt, damit sich der Fehler nicht wiederholt." Die Reputation
sei viel schneller beschädigt als wiederhergestellt. Masken als
"Kardinalfehler"
Auch ZHAW-Kommunikationsexpertin Adrienne Suvada ist besorgt über
die Häufung von Pannen in den letzten Monaten. Sie rät
dem BAG, schneller und authentischer zu kommunizieren. Als Beispiel
führt sie die Kommunikation beim Thema Masken an, die sie als
"Kardinalfehler" bezeichnet: "Hätte man von Anfang an gesagt, dass
man wegen der zu kleinen Lagerbestände keine Maske empfehlen kann,
hätte das für Aufruhr gesorgt. Das BAG wäre heute aber
glaubwürdiger."
Im Bundesamt gebe es zweifellos kompetente Experten, sagt Suvada. Sie
empfiehlt, viel mehr zu erklären, damit die Leute die teils
einschneidenden Massnahmen auch nachvollziehen können. "Seit der
Öffnung entsteht der Eindruck, dass wieder Lobbyisten übernommen
haben. Die Leute haben zum Beispiel nicht verstanden, wieso Tattoo-Studios
aufmachen durften, Campieren aber lange verboten blieb."
Dass neue Corona-Massnahmen wegen der Pannen nicht mehr ernst genommen
werden, glaubt Suvada hingegen nicht. "Entscheidend sind die Fallzahlen,
die Hospitationen und die Todesfälle. Sind die Intensivstationen
voll, werden die Leute die Massnahmen auch ernst nehmen." Adrienne Suvada
stellt der Krisenkommunikation des BAG kein gutes Zeugnis aus.
Adrienne Suvada stellt der Krisenkommunikation des BAG kein gutes
Zeugnis aus. Foto: zvg "Vertrauen ins BAG nicht erschüttert"
Gesundheitsminister Alain Berset nahm gegenüber SRF Stellung zum
Zahlenchaos: "Es ist ein Fehler passiert. Es gibt so viele Anfragen,
so viel Druck. Das kann immer passieren." Wichtig sei, Fehler schnell
zu bemerken und zu korrigieren. Das sei auch passiert. Man werde die
Lehren daraus ziehen und die nötigen Anpassungen vornehmen. Der
Fall werde beim BAG Konsequenzen haben.
Das BAG hatte von einem Fehler eines einzelnen Mitarbeiters gesprochen.
Patrick Mathys, Leiter Krisenbewältigung beim BAG, sagte zu SRF:
"Wir haben aus den Fehlern gelernt. Ich glaube nicht, dass das Vertrauen
ins BAG erschüttert ist." Nicht zum ersten Mal Kritik und Pannen
Das BAG steht in der Pandemie nicht zum ersten Mal in der Kritik. Die
Chronologie:
# An einer Medienkonferenz Ende Juli entstand der Eindruck, die
Quarantänepflicht gelte auch dann, wenn ein Land erst kurz nach
der Rückkehr auf die Liste gerät. Dies dementierte das BAG
wenig später.
# Inzwischen empfiehlt das BAG den Kantonen eine Maskenpflicht in
Läden. Zu Beginn hiess es stets, es bringe nichts, wenn die breite
Bevölkerung Maske trage.
# Im Juli berichtete der "Tages-Anzeiger", dass Airlines handschriftlich
ausgefüllte Kontaktkarten mit Passagierdaten am Flughafen Zürich
für 14 Tage einlagern. Kommt es zu einem Fall, müssten die
Zettel eingescannt und nach Bern geschickt werden. Das BAG sagte damals,
man prüfe ein elektronisches System.
# Im Mai vermeldete das BAG via Twitter 98 Neuinfektionen. Weil ein
Labor falsche Zahlen durchgab, musste der Wert anschliessend auf 58
korrigiert werden.
# Im April musste das BAG die Todesfallstatistik korrigieren. Der
vermeintliche Tod eines Mädchens (9) hatte für Schlagzeilen
gesorgt. Das Opfer war in Tat und Wahrheit aber 109 Jahre alt. Ein
anderer Verstorbener war 87 statt 27.
# Im gleichen Monat sorgte die Frage, ob Grosseltern ihre Enkel
umarmen dürfen, für Verwirrung: Obwohl das BAG dringend davon
abriet, die Enkel von den Grosseltern hüten zu lassen, sagte der
Covid-Delegierte Daniel Koch, eine Umarmung liege drin.
# Ganz zu Beginn der Pandemie gab es "Anfangsschwierigkeiten": Die neu
lancierte Corona-Info-Hotline funktionierte in den ersten Stunden nicht.