Wer das "Parfüm" gelesen hat weiss, dass der Duft das Verhalten, die
Stimmung und Handlungen nachhaltig beeinflussen kann - im positiven wie
auch im negativen Sinn. Wenn wir beispielsweise beim Zahnarzt Schmerzen
erlitten haben und später wieder eine Praxis betreten, so wirkt
sich der Geruch negativ auf das Wohlbefinden aus.
Unternehmen sitzen heute Gerüche zur Verkaufsförderung
gezielt ein. Warenhäuser locken Kunden mit den Düften
der Kosmetikabteilung im Eingangsbereich an. Lebensmittelketten
versprühen einen Duft von frisch gebackenem Brot bei den Backwaren
auf der linken Seite nach dem Eintritt, weil die Kunden die rechte Seite
bevorzugen, wo Gemüse und Früchte sich zum Kauf angeboten.
Als ich jüngst die Privatklinik Lindberg betreten hatte, löste
ein dezenter Duft Wohlbefinden aus. Ich wähnte mich jedenfalls nicht
in einem Spital. Ich ging der Sache auf den Grund und fand im ganzen
Gebäude auf allen Ebenen grössere Gefässe mit Stäben,
die eine angenehme, unauffällige Duftnote verbreiteten. Die Klinik
lässt sich den individuellen Geruch etwas kosten: pro Gefäss
ungefähr 500 Franken.
Das zahlt sich aus. Denn Patienten, die eine Operation vor sich haben,
kommen in einer verständlichen Verspannung, die beim Betreten der
Klinik durch den angenehmen Geruch gelöst wird. Die Duftstrategie
wird kaum wahrgenommen. Ich machte die Nagelprobe bei zehn Patienten. Der
unauffällige Geruch wurde von den meisten nicht wahrgenommen.
Die Mobiliar ergänzt ihr Corporate Design um den neuen Raumduft
"Chère M" (persoenlich.com berichtete) und die Swiss will
demnächst ein eigenes Duftkonzept in den Kabinen schrittweise
einführen. Die eigene Duftnote soll schon beim Checkin eingesetzt
werden. An Bord, in der Luft, später auch am Erfrischungstuch soll
er erkennbar werden. Die Absicht ist es, den Kunden entlang der ganzen
Reise-Erfahrung die Marke Swiss mit allen Sinnen erlebbar zu machen. Das
sagte Suisse-Sprecher Stefan Vasic zu 20 Minuten.
Die Zusammensetzung der Swiss-Duftnote wird nicht verraten. Sie soll
jedenfalls nicht aufdringlich sein - ganz den Markenwerten entsprechend:
subtil, zurückhaltend, und naturbelassen.
Dürfte bewirken viel. Sie setzen sich im Hirn fest und sind stark mit
Erinnerungen verbunden. Deshalb führen immer mehr Unternehmen eine
Duft-Strategie ein. Sie soll eine emotionale Bindung an die Marke erzeugen
und damit die Kundenbindung verstärken. Düfte können aber
auch nerven und lästig werden.
Bei positiv besetzten Gerüchen besteht die Kunst darin, dass die
Konzentration so dosiert wird, dass der Duft noch knapp wahrgenommen
wird. Marketingleute machen sich diese physiologische Wirkungsweise
Geruch zum potentiellen perfekten Werbemittel. Entscheidend ist für
die starke Wirkung von Gerüchten, dass sie direkt auf das limbische
System und damit auf die Emotionen einwirken.
Die Information fliesst direkt in die Zentren, wo Erinnerungen und
Gefühle gespeichert sind. Deshalb besitzen Düfte eine so hohe
manipulative Kraft.
Wir sollten nicht nur mit offenen Ohren und offenen Augen durch die Welt
gehen, sondern die Umwelt vermehrt mit einer offenen Nase wahrnehmen. So
schärfen wir unsere Wahrnehmungsfähigkeit und erkennen, wie
wir mit Gerüchen verführt, manipuliert und beeinflusst werden.