Jolanda Spiess-Hegglin
ist heute Journalistin. Sie war von 2014-2016 Kantonsrätin von Zug. Im Jahre 2014
wurde Spiess-Hegglin an der Zuger Landammannfeier Opfer eines Sexualdeliks, über das
viel in den Medien geschrieben worden war.
Gegen einen Bericht von Blick hat sie eine Presseratsbeschwerde eingelegt. Die wurde gutgeheissen.
Auch eine Anzeige gegen Philipp Gut, Chefredaktor der Weltwoche wurde im Jahre 2017 gutgeheissen.
Gut wurde wegen übler Nachrede verurteilt, denn dieser hatte behauptet, dass Spiess
Hegglin die Schändung bloss erfunden habe. Der Vorfall aus dem Jahre 2014 und
die darauffolgenden medialer Hetzjagt hat Jolanda Spiess Hegglin zur Netzaktivistin gemacht.
Obwohl sie gerichtlich immer Recht bekommen hat, muss dieser Vorfall hart gewesen sein.
Man sagt, über 2000 Artikel seien über sie geschrieben worden.
TagesWoche:
Heute ist klar, dass Spiess-Hegglin etwas erreicht hat. Sie hat gezeigt, dass man sich gegen
Hasskommentare wehren kann. Sie hat 160 Hasskommentare innert eineinhalb, zwei Jahren
eingeklagt. Sie noch nie verloren, wenn es zu einem Gerichtsverfahren kam.
Allerdings ist die Sache teuer. Im spricht, dass es total um
sechsstellige Beiträge handelt
Aus dem Interview mit der Tageswoche:
Das Internet ist also nicht nur ein Pranger, sondern etwas, das Ihnen
auch Kraft gibt:
Extrem. Nachdem ich mich entschieden habe, vom Pranger herunterzusteigen
und gegen Hasskommentare juristisch vorzugehen, erhielt ich viel
Unterstützung. Wohl auch darum, weil das noch niemand gemacht
hat. Ich habe mich auch mit Mächtigen angelegt, etwa dem "Blick"
oder der "Weltwoche".
Sie haben sich dadurch auch ein Stück weit die Kontrolle
zurückgeholt. Genau. Aber mir ging es nie darum, in der
Öffentlichkeit zu stehen.
Wirklich? Sie waren Politikerin, da findet man Öffentlichkeit
doch toll. (lacht) Das war früher. Wenn ich mich dagegen
wehre, in einer Medienkampagne durch die Gassen geschleift zu
werden, heisst das nicht, dass ich mediengeil bin. Ich wehre mich
einfach gegen Unterstellungen und Verleumdungen. Im Jahr 2015 war
ich die meistgegoogelte Frau der Schweiz. Nach Sepp Blatter und
Stan Wawrinka kam ich. Die Leute haben mich im hintersten Chrachen
erkannt. Überall. Das war mir so unangenehm. Ich brauche das nie
mehr. Am liebsten wäre ich total unbekannt, aber ...
... aber? Ich merke, dass es wichtig ist, was ich mache. Mir
haben schon über 100 Frauen ihre Geschichten von Missbrauch und
Vergewaltigungen erzählt. Es gibt auch eine ganze Reihe von Frauen,
die aufgrund meiner Geschichte ihre Vergewaltiger angezeigt haben.
(...)
Sind soziale Medien besonders praktisch für Schweizer, weil wir die
Konfrontation in der Öffentlichkeit scheuen?
Das kann gut sein. Die Schweizer haben gemerkt, dass der Stammtisch heute
im Internet steht. Man geht in die virtuelle Hassgruppe und kotzt sich da aus.
Aber es waren nicht nur die Journalisten, die Hegglin
Geschichte ohne Nachdenken über Folgen auschlachteten, es gab auch viele Hasskommentare.
Hegglin hatte dies gesammelt und Daten für eine Studie zu Hasskommentaren weitergegeben.
Dagegen wurde Strafanzeige eingelegt. Nun hat die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug die acht
Anzeigen eingestellt.
20 Min:
Jolanda Spiess-Hegglin stellte dem Soziologischen Institut der
Universität Zürich Daten von Personen zur Verfügung,
die sie auf Social Media mit Hasskommentaren eingedeckt hatten und
dafür verurteilt wurden. Rund 30 Personen erhielten darauf einen
Brief mit der Einladung, an einer Studie zum Thema "Kommentieren im
Internet" teilzunehmen. Die Daten würden gelöscht, wenn man
Bescheid gebe, hiess es weiter im Brief.
Einige Betroffene reichten darauf Strafanzeige ein, weil die Daten ohne
Einwilligung weitergegeben worden seien und es sich bei Strafurteilen
um besonders schützenswerte Daten handle. Sie empörten sich:
"Das ist eine Frechheit." Vom Soziologischen Institut der Uni Zürich
erhielt Spiess-Hegglins Verein Netzcourage ein Beratungshonorar über
1000 Franken, das als Spende verbucht wurde.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug hat rund acht Anzeigen in diesem
Fall nun eingestellt.
Sie hält fest, dass Jolanda Spiess-Hegglin die Daten weitergeben durfte
und für die korrekte Information darüber das Soziologische
Institut der Universität Zürich zuständig gewesen
sei. Dieses untersteht dem kantonalen Datenschutzgesetz. Das Institut
sei mit dem Brief an die Betroffenen seiner Informationspflicht
nachgekommen. Netzcourage könne in diesem Punkt gar nicht belangt
werden, weshalb die Einstellung verfügt werde.
Auch dass durch die Bearbeitung durch die Uni Zürich
"besonders schützenswerte Daten" betroffen gewesen seien, sah die
Staatsanwaltschaft nicht als Problem: Es könne ein überwiegendes
Interesse geltend gemacht werden. "Es wird zudem erklärt, dass
die Daten nicht zu personenbezogenen Zwecken verwendet werden, sondern
sich der Zweck auf statistische Auswertungen beschränkt." Ein
Rückschluss auf die Person solle nicht mehr möglich sein.
Da auf diesem Punkt aber keine Sanktion stehe, bleibe offen, ob das
Gesetz eingehalten worden sei. Die Behörde lehnte auch den Punkt
der üblen Nachrede und der Ehrverletzung ab.
Für Jolanda Spiess-Hegglin ist der Entscheid der Staatsanwaltschaft
keine Überraschung. Gegenüber "Zentralplus" sagt sie: "Ich
habe damit gerechnet, dass die Verfahren eingestellt werden, weil ich
die rechtliche Situation vorgängig mit Anwälten abgeklärt
habe", sagt sie. Ihr sei bewusst gewesen, dass die Weitergabe der Daten
heikel sein könnte.
"Ich habe das Risiko von Strafanzeigen in Kauf genommen, war mir aber
sicher, dass die Gefahr einer Verurteilung gering ist. Allerdings gibt
es bislang nur wenig Rechtsprechung in diesem Bereich. Aber man geht
immer ein gewisses Risiko ein, wenn man Pionierarbeit leistet."
Das nun eingestellte Strafverfahren sei für sie mit grossem Aufwand
verbunden gewesen, mehrfach sei sie polizeilich befragt worden, auch
wenn die Untersuchung sie nicht emotional belastet habe. "Als ich das
erste Mal angezeigt worden bin, hat mich das aus der Bahn geworfen. Aber
inzwischen habe ich realisiert, dass es die Absicht der Anzeigesteller
ist, mich einzuschüchtern und zum Rückzug zu drängen -
mit Strafanzeigen und Hasskommentaren."
Sie lasse sich davon nicht mehr beeindrucken. "Hass im Netz ist ein
gesellschaftliches Phänomen, über das wir noch viel zu wenig
wissen. Wir brauchen eine wissenschaftliche Grundlage, um politisch
dagegen vorgehen und sinnvolle Prävention machen zu können."
"Die Sachlage ist sehr enttäuschend und nicht nachvollziehbar",
sagt einer der Kläger. Für ihn ist die "Glaubwürdigkeit
der Schweizer Justiz verloren gegangen". Ihm sei die Angelegenheit nun
aber "zu blöd geworden", weshalb er sie nun ruhen lasse.