Konstruktiver Journalismus hat
das Ziel, nicht nur über Probleme zu berichten, sondern auch Lösungsansätze zu vermitteln
ohne aber die Realität zu verzerren. Ein Weiterbildungskurs der SRG hatte dies kürzlich zum Thema.
Aus dem Persoenlich Blog:
Medienkonsumenten fragen immer wieder: Warum sind Medien ständig
so negativ? Journalisten wird vorgeworfen, sie würden mit den
negativen Schlagzeilen über grausame kriminelle Handlungen,
Gewalt, Terroranschläge, Umweltkatastrophen, grassierende Armut und
Kriegsbilder den Menschen ein negatives Bild vom allgemeinen Niedergang
vermitteln. Das Fokussieren auf Negatives habe verheerende Folgen, weil
das tatsächliche Weltbild verzerrt und beispielsweise Jugendlichen
die Freude am Leben genommen werde.
Nachdem sich "10 vor 10" über dieses Unbehagen Gedanken gemacht
hatte, setzt es seit drei Jahren auf den Ansatz des "Constructiven Journalism".
In einem Weiterbildungskurs der SRG über den
konstruktiven Journalismus, veranschaulichten Politmoderatorin Susanne
Wille zusammen mit Christian Dütschler, Sendeleiter von "10 vor 10",
mit konkreten Beispielen, dass dieser Ansatz nicht heissen will, das
Negative unter den Teppich zu kehren. Bei negativen Berichten muss der
Journalist, der den konstruktiven Ansatz verfolgt, Probleme benennen. Er
muss nach wie vor eine kritische Haltung haben, deckt Missstände
auf, stellt Fragen. Dies, damit der Medienkonsument Sachverhalte besser
einordnen kann und die grösseren Zusammenhänge erkennt.
Ich habe immer wieder gesehen, dass die Kritiker von negativen Botschaften
den Journalisten gerne eine rosa Bille verpassen möchten,
und erwarten, dass Medienschaffenden negativen Vorkommnissen
bewusst ausklammern. Das heisst, es müssten vor allem gute
Nachrichten publiziert werden. Bei der lebendigen Diskussion an der
Weiterbildungsveranstaltung im Leutschenbach wurde erkannt, dass
die Medien stets verpflichtet sind, sachgerecht zu informieren und
unangenehme Fakten nicht ausgeklammert werden dürfen. Denn durch
das Weglassen von negativen Sachverhalten würden die Medien auch ein
verzerrtes Bild malen. Es gilt in erster Linie, dem Publikum zu helfen,
die negativen Botschaften einzuordnen. Der Däne Ulrik Haagerup, er
ist der Uebervater des konstruktiven Journalismus, sagte treffend: "Wir
dürfen nicht nur über die Fliege in der Suppe erzählen,
sondern dürfen die Suppe nicht vergessen."
Es gibt somit bei negativen Geschichten kein "Entweder oder". Es gilt
der Grundsatz "Sowohl als auch". Journalisten haben diese Balance zu
finden. Susanne Wille und Christian Dürschler berichteten aus dem
Alltag, wie die Redaktion "10 vor 10" diese Balance erreicht.
Ich stelle im Alltag bei Kritikgesprächen ebenfalls fest: Auch
Kritik kann konstruktiv vorgebracht werden oder destruktiv. Viele
Konsumenten sind sich ferner zu wenig bewusst, dass beispielsweise
der Boulvardjournalismus vor allem von negativen Geschichten lebt. Bei
der Regenbogenpresse wird belohnt, wer eine ungewöhnliche Story
möglichst dick aufträgt, vor allem bei den Schwerpunkten Sex,
Blut und Tränen. Im Grunde genommen hätte es der Leser in der
Hand, dieses Angebot zu steuern. Würden negative Geschichten nicht
mehr gelesen, würden sich die Journalisten bestimmt anpassen. Wenn
mir gesagt wird, Medien sollten nur noch Positives berichten, entgegne ich
jeweils: Wie ist es bei Ihnen im Beruf? Wenn jemand in der Kaffeepause
eine Klatschgeschichte ganz leise zum Besten gibt, wird es in der Regel
plötzlich still. Alle hören dem Erzähler aufmerksam
zu. Vielleicht sind Menschen so programmiert, dass Negatives attraktiver
ist als positive Geschichten.

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SRG