Rhetorik.ch

Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com
Aktuell Artikel Artikel Inhaltsverzeichnis Suche in Rhetorik.ch:

www.rhetorik.ch aktuell: (20. Nov, 2019)

Bundesgerichtbeschluss zum Rickli Rap

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Das Bundesgericht hat entschieden, dass ein sexistisches Lied das die Politikerin Natalie Rickli zum Thema hatte, keine sexuelle Belästigung sei. Es sei zwar eine Üble Beschimpfung, eventuell verleumderisch aber keine sexuelle Belästigung.
20 Min:
Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte die fünf an dem Musikstück mitwirkenden Interpreten 2018 wegen Beschimpfung und übler Nachrede zu bedingten Geldstrafen. Vom Vorwurf der sexuellen Belästigung sprach das Obergericht die Betroffenen frei. Damit gab sich die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern nicht zufrieden: In ihrer Beschwerde ans Bundesgericht beantragte sie, die fünf Musiker zusätzlich der Verleumdung und der sexuellen Belästigung schuldig zu sprechen. Nun hat das Bundesgericht die Beschwerde teilweise gutgeheissen. Das Urteil wird ans Obergericht zurückgewiesen, wie einer Medienmitteilung des Bundesgerichts zu entnehmen ist. Das Obergericht werde prüfen müssen, ob anstatt des Tatbestandes der üblen Nachrede derjenige der Verleumdung erfüllt sei. Der Freispruch vom Vorwurf der sexuellen Belästigung hingegen sei bundesrechtskonform und folglich nicht zu beanstanden. Die Begründung: Der Tatbestand der sexuellen Belästigung setze unter anderem eine "unmittelbare Wahrnehmung der Äusserungen durch das Opfer" voraus. Eine gleichzeitige körperliche Präsenz des Täters und des Opfers sei allerdings nicht zwingend erforderlich. Im vorliegenden Fall stelle der Song "inhaltlich zweifellos einen groben verbalen Angriff dar", räumen die Bundesrichter ein. Jedoch hätten sich die Interpreten mit der Veröffentlichung des Songs im Internet nicht direkt an Natalie Rickli, sondern an ein dieser gegenüber kritisch eingestelltes Publikum gewandt. Das Obergericht habe verbindlich festgestellt, dass die Beschuldigten zu keinem Zeitpunkt versucht hätten, Natalie Rickli den Song bzw. das Video zukommen zu lassen. Diese habe davon erst eineinhalb Jahre nach der Veröffentlichung Kenntnis erhalten. Damit fehle es für eine Verurteilung wegen sexueller Belästigung am dazu erforderlichen Kriterium der unmittelbaren Wahrnehmung durch das Opfer. Die von der SP in die GLP übergetretene Politikerin Chantal Galladé findet das Urteil enttäuschend. Auf Twitter verschafft sie ihrem Unmut Luft: "Dieses Bundesgerichtsurteil ist ein Schlag ins Gesicht aller Frauen. Für mich unverständlich und enttäuschend, dass die üblen sexistischen Beleidigungen dieser Rapper gegen Natalie Rickli keine sexuelle Belästigung sein sollen."
blick:
Urteil des Bundesgerichts Schmähsong gegen SVP-Rickli ist keine sexuelle Belästigung Es ist ein Leiturteil: Die Rapper, die Natalie Rickli in einem gewaltpornografischen Schmäh-Song attackierten, werden nicht wegen sexueller Belästigung verurteilt. Üble Beschimpfung, eventuell verleumderisch - aber keine sexuelle Belästigung: Vor fünf Jahren stellten Rapper des Kollektiv Chaostruppe aus dem Umfeld der Berner Reitschule den Song "Natalie Rikkli" ins Internet. Sie beschimpften die damalige SVP-Nationalrätin und heutige Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli (43) in gewaltpornografischer Sprache. Das Berner Obergericht verurteilte die fünf Rapper wegen Beschimpfung und übler Nachrede, sprach sie aber vom Vorwurf der sexuellen Belästigung frei. Die Staatsanwaltschaft zog das Urteil ans Bundesgericht weiter. Dieses musste nun in einem Präzedenz-Urteil entscheiden, was im Zeitalter der sozialen Medien und der "Metoo"-Bewegung als sexuelle Belästigung gilt - und was nicht. Gemäss Gesetz muss das Opfer eine sexuelle Belästigung "unmittelbar wahrnehmen". Die höchsten Richter hatten also zu entscheiden, was dies heutzutage bedeutet. Und sie entschieden gegen Rickli und gegen alle Frauen, die künftig einer solchen Art der Belästigung durch sexistische Rapper ausgesetzt sind: Für eine Verurteilung wegen sexueller Belästigung fehle eben das erforderliche Kriterium der unmittelbaren Wahrnehmung durch das Opfer, heisst es im Verdikt. Zwar urteilten die Richter, es handle sich "zweifellos um einen groben verbalen Angriff". Auch sei eine körperliche Präsenz des Täters und des Opfers für eine Verurteilung nicht zwingend erforderlich. Aber die Rapper hätten sich, so das Bundesgericht, mit der Veröffentlichung des Songs im Internet nicht direkt an Natalie Rickli gewandt, sondern an ein ihr gegenüber kritisch eingestelltes Publikum. Die Rapper hätten zudem keine Bemühungen unternommen, Rickli den Song zukommen zu lassen. Diese habe erst eineinhalb Jahre nach der Veröffentlichung davon Kenntnis erhalten. 2016 wurde der Schmähsong auf Ricklis Facebook-Konto gepostet. Im Urteil des Berner Obergerichts heisst es als Begründung, wieso die Rapper keine sexuellen Belästiger sind, wörtlich: "Ihr (Natalie Rickli) stand es - im Gegensatz zu direkten Äusserungen gegenüber einem anwesenden Opfer - offen, den Text anzuhören bzw. zu lesen oder dies zu unterlassen." Strafrechtsprofessor und SP-Ständerat Daniel Jositsch kritisierte das Urteil im SonntagsBlick. Der Tatbestand der "Sexuellen Belästigung" sei vom Gesetzgeber geschaffen worden, als soziale Medien noch keine Rolle gespielt hätten. "Es wäre daher ohne Probleme möglich, den geltenden Tatbestand auch im Zusammenhang sozialer Medien auszulegen", so Jositsch. Immerhin: Rickli konnte vor Bundesgericht einen kleinen Sieg gegen die Sexisten-Rapper feiern. Die höchsten Richter verpflichten das Berner Obergericht nochmals zu prüfen, ob anstatt des Tatbestandes der üblen Nachrede derjenige der Verleumdung erfüllt ist. "Natalie Rickli nimmt das Urteil des Bundesgerichts zur Kenntnis, wird es aber nicht kommentieren", sagt ihr Sprecher Patrick Borer auf BLICK-Anfrage. Grundsätzlich jedoch hoffe sie, dass die Musiker zur Einsicht gelangen, dass es Grenzen gibt und sie ihre Lehren daraus ziehen würden.

Rhetorik.ch 1998-2019 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com