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Zwei Heise Artikel befassen sich mit der Medienforschung von neuen
Informationskriegen, Medientrollen oder Manipulationen.
Im ersten Artikel wird von Bernhard Pörksen berichtet:
"Grundfragen der Profession Journalismus" gehören
zur Allgemeinbildung. Was relevant sei und welche Nachrichtenfaktoren
es gebe, gehe heute einen 13-Jährigen genauso an wie einen arrivierten
Zeitungsredakteur."
In einem zweiten Artikel geht es um ein Spektrum von Dingen: vom Beeinflussen von
Meinungen durch Internettrolle bis zum Hacken von Informationsmedien.
"Das Ziel der Trolle sei es, Unsicherheit zu erzeugten, was wahr ist und ob
Menschen oder Bots, politische oder zivile Agenten hinter dem Treiben
steckten. Die grossen Online-Plattformen legten den Trollen und ihren
Hintermännern kaum Steine in den Weg, da sie mit ihren Algorithmen
ebenfalls bestrebt seien, "die Leute möglichst tief in ihre Agenda
hineinzuziehen".
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Heise:
Für Wissenschaftler Bernhard
Pörksen löst die durchs Internet "radikal veränderte
Medienwelt" momentan eine "Phase des grossen Verdachts" über
die Überbringer von Botschaften aus. Das Schicksal der Piraten
bezeichnete er als symptomatisch.
Zunehmende Berichte über im Wahlkampf angreifende russische Trolle,
einen ferngesteuerten US-Präsidenten Donald Trump oder Social Bots,
die rassistische Kommentare verbreiten, bleiben nicht ohne Wirkung. Davon
geht der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen aus,
für den die Bürger angesichts dieses medialen Brennglases
in die informationelle Verunsicherung hineindriften. "Es beginnt eine
Phase des grossen Verdachts: Wer spricht eigentlich?", glaubt der
Forscher. Permanent machten Nutzer daher den Turing-Test, um sich
über die Identität eines Kommunizierenden zu vergewissern.
(...)
Pörksen plädierte dafür, dass in den Zeiten der
fünften Gewalt in Form von Publizierenden in Blogs, Wikis oder
sozialen Netzwerken "Grundfragen der Profession Journalismus" zur
Allgemeinbildung gehören müssen. Was relevant sei und welche
Nachrichtenfaktoren es gebe, gehe heute einen 13-Jährigen genauso
an wie einen arrivierten Zeitungsredakteur.
Das Thema Medienkompetenz sei natürlich wichtig, ging die
Würzburger Medienpsychologin Astrid Carolus mit ihrem Kollegen
etwas konform. Es lasse sich aber immer weniger zwischen Online-
und Offline-Leben trennen und Filterbubbles seien keine Erfindung
des Internets. Auch schon früher habe es eine "defensive
Selektivität" gegeben. Der Einfluss von Medien auf Meinungen von
Machern werde überschätzt, viel wichtiger sei das direkte
Umfeld. Das Netz bestehe zudem nicht nur aus "Hate" und "Fake", sondern
vor allem aus Trivialitäten wie Katzen- oder Essensbildern. Die
grosse Masse menschele einfach auch online, was "gut tut".
Integrierende Wut und Erregung "Die medialen Möglichkeiten wirken
verschärfend, verstärkend", hielt Pörksen dagegen. Es
sei zwar in der Tat ein menschliches Phänomen, "dass wir uns
in Communities hineinbegeben, in denen wir uns wohlfühlen". Vor
allem Wut und Erregung entfalteten andererseits aber gerade in sozialen
Netzwerken "integrierende Kraft" und damit einhergehender Protest zerfalle
erst wieder, "wenn es ein anderes Thema gibt". Er habe das Schicksal
der Piraten da als "symptomatisch" empfunden. Die junge Partei habe vor
allem versucht, die Digitalisierung anders zu verstehen. Es sei ihr nicht
gelungen, "von der Schwarmformation zum klassischen Kollektiv zu werden"
mit einem Programm mit ganz unterschiedlichen Feldern und Strukturen. Die
Lehre daraus sei, dass nicht alles im Modus hierarchiefreier Vernetzung
organisiert werden könne.
In "völlig enthemmte, jegliche Grenzen überschreitende
Auswüchse menschlicher Abgründe" glaubte Marcel Ritter,
Mitglied der Geschäftsleitung von Telefónica Deutschland,
in so mancher "entfesselten" Online-Kommunikation zu blicken: "Wir
sehen Menschen, die im Privatleben vermutlich zivilisiert sind, sich im
Schutz der digitalen Anonymität aber zu fürchterlichen Dingen
hinreissen lassen." Er forderte daher: "Wir brauchen Werte für
die digitale Kommunikation; es muss ein Minimum an Anstand und Respekt
füreinander gewahrt werden."
Den Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), mit dem
dieser weit gefasste strafbare Inhalte rascher aus dem Netz bringen will,
sah Ritter trotzdem skeptisch. "Wir gewähren freien Zugang zum
Internet", betonte der Ritter. Dabei handle es sich um ein "unfassbar
hohes Gut". Er unterstrich: "Wir wollen Inhalte nicht kontrollieren,
auch nicht zensieren." Vor der Diskussion hatte er bereits erklärt:
"Im Kampf gegen Hasskommentare dürfen wir die Freiheit des Internets
nicht gefährden."
Heise:
Praktische Beispiele aus Serbien
brachte Vladan Joler mit, Professor am Institut für Neue Medien
an der Universität Novi Sad. Das von ihm mit ins Leben gerufene
Share Lab biete seit vier Jahren Opfern von Cyberangriffen in dem
Balkanstaat kostenlose Hilfe an und sei so in rund 400 Fällen
"verschiedenster Formen von Gewalt" im Netz quasi als Rettungswagen
gerufen worden. Dabei sei deutlich geworden, dass die serbische Regierung
oder von ihr beauftragte Saboteure in einer Form von Automatismus immer
einen Distributed-Denial-of-Service-Angriff (DDoS) gegen eine Webseite
führten, sobald dort Kritik veröffentlicht werde. Joler ist
sich sicher: "Wir haben die Spuren gefunden - wie Blut auf dem Boden."
Da solche Zensurversuche aber kaum effektiv seien und in der Regel
einen Streisand-Effekt auslösten, hat Belgrad dem Experten zufolge
als nächstes "die Online-Sphäre mit Kommentaren von Trollen
geflutet". Mitarbeiter des Labs hätten eine ins Netz entfleuchte
Dokumentation über die eingesetzten Werkzeugkasten entdeckt,
sodass sich die Handlungen dieser Truppe nachvollziehen liessen:
"Die haben ein Portal, über das sie ihre Aufgaben empfangen",
berichtete Joler. Spuren der Trolle seien recht einfach zu finden, da
Faulenzer darunter teils dieselben Sätze hunderte Male in diverse
Foren per Copy & Paste einfügten.
Ziel ist es dem Forscher zufolge, "möglichst jedes Kommunikationsfeld
zu besetzen". Es solle Unsicherheit erzeugt werden, was wahr ist und ob
Menschen oder Bots, politische oder zivile Agenten hinter dem Treiben
steckten. Die grossen Online-Plattformen legten den Trollen und ihren
Hintermännern kaum Steine in den Weg, da sie mit ihren Algorithmen
ebenfalls bestrebt seien, "die Leute möglichst tief in ihre Agenda
hineinzuziehen". Share-Lab-Mitarbeiter hätten rund 6500 Patente und
Designmuster von Facebook und Co. analysiert um herauszufinden, wie dort
"unser Verhalten in Profit umgemünzt wird".
Blackout im Stromnetz - in manchen Ländern legten Angreifer schon
ganze Städte lahm (Bild: Transemdiale / Daten von WeLiveSecurity)
Gegen den Krieg: Neufassung des vernetzten Subjekts Bei der Frage, wie
sich der Nebel des Krieges im Netz lichten lassen könnte, stochern
die Wissenschaftler noch weitgehend im Dunkel. Matviyenko sprach sich
für die Entdeckung der Langsamkeit aus. Da die Maschinen darauf
trainiert seien, ständig alles miteinander zu synchronisieren,
täten bewusste Pausen und die Abkopplung von der rechnergesteuerten
Echtzeit gut. Nur so könne wieder ein echtes Gefühl für
die Verbindung mit der Umwelt entstehen.
Boler riet aus ihrer philosophischen Ecke heraus, Spinoza
wiederzuentdecken, um das vernetzte Subjekt neu zu fassen. Der
niederländische Denker habe im 17. Jahrhundert Gefühle und
Affekte gegenüber dem Verstand rehabilitiert. Leidenschaften seien
ihm zufolge spontane Emotionen, die der Mensch zwar nicht sofort,
aber mit etwas Bemühen richtig einschätzen lernen und aus
diesem Prozess Befriedigung ziehen könne. Die Feministin rief das
Publikum so auf, "Lücken in den binären Codes zu besetzen,
um die affektiven Feedback-Schleifen zu durchbrechen, die zentral sind
für die Totalisierung des Kriegs".
Nur eine "radikal-feministische Bot-Armee" zu entwickeln, brächte
nichts, ergänzte Joler. Damit bleibe man auf dem gleichen
Schlachtfeld, auf dem es in typisch maskuliner Denkart darum gehe,
wer die besseren Waffen habe und länger durchhalte. Auch der
Vorschlag, ein neues, stärker geschütztes Internet oder
anderes Kommunikationsmedium aufzubauen, bleibe der Logik technischer
Lösungen verhaftet. Maschinen zu stürmen bringe ebenfalls
nichts, sodass es wohl hauptsächlich darum gehen müsse, die
ausgemachten Probleme durch eine kluge Regulierung einzuhegen.