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www.rhetorik.ch aktuell: (17. Sep, 2017)

Das Wort "Evakuieren"

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Im Tagesanzeiger wurde am 14. September ein Beitrag über den Sprachgebrauch von "Evakuieren" gemacht. Der Germanist Martin Ebel plädiert darin, das Wort (wörtlich die Luft raus lassen) nur dann zu gebrauchen, wenn es angebracht ist. Selbstkritisch fragt er: "Ist das zu pingelig". Er meint "nein", denn es gehe um Sprachpflege.

Man muss aber sagen, dass der in den Medien und im Alltag gebrauchte Begriff korrekt ist. Der Duden meint, "wegen drohender Gefahr von seinem [Wohn]platz wegbringen, [vorübergehend] aussiedeln".

Die von Martin Ebel vorgeschlagene Alternative "Menschen in Sicherheit bringen", ist nicht korrekt. Evakuieren heisst mehr. Man würde den Begriff kaum gebrauchen, um kurzfristig ein Gebäude wegen eines Feueralarms zu leeren, obwohl man es als eine Evakuation im Sinne der Duden Definition betrachten kann. Das Wort wird so nicht gebraucht.

Im Alltag wird das Wort Evakuation hauptsächlich in grossräumigem Sinn gemeint, wie beim kurzfristigen Aussiedlungen. Die Menschen in Bondo oder beim Hurrican Irma mussten evakuiert werden. Es gab in Florida "Evakuationsrouten". Es wär falsch, dieses Wort umzubenennen.
Der Video ist hier unter dem Titel "Die Evakuation der Menschen führt zu unschöner Leere Martin Ebel erklärt, warum man Menschen nicht entleeren sollte.
Ebel spielt in seinem Beitrag fast ein bischen den Sprachpolizisten. Die Motivation der Sprachpolizei ist oft "politische Korrektheit, Fairness und Balance", wie beim Abändern in Schulbüchern. Das hat zu grotesken Auswüchsen wie bei der Feministischen Sprache geführt. Eine weitere Sprachmanipulation ist der Euphemismus. Da wird ein negativ geladenes Wort wie "Vertreibung" durch "Umsiedlung" ersetzt. Die Ersetzung von "Evakuation" durch "In Sicherheit bringen" ist tatsächlich auch ein schwacher Euphemismus, denn "Evakuation" kommt mit einem negativen Beigeschmack, weil es auch "Die Luft rauslassen" heisst. Das ist die Motivation des Germanisten, das Wort nicht zu gebrauchen. Ein anderer Grund für Sprachkorrekturen sind "Rechtschreibereformen". Wir haben in diesem Beitrag gesehen, wie das zu Irritationen führen kann.

Die Korrektur durch eine Sprachpolizei hat im Allgemeinen Nebeneffekte. Was bei allen Korrekturen durch Sprachpolizisten beachtet werden muss:

Die Klarheit der Sprache hat eindeutig Vorrang.


Es gibt Fälle, wo der Sprachgebrauch und eine Wortzensur berechtigt ist: bei rassistischen, beleidigenden oder sexistischen Worten oder Begriffen. Das Wort "Evakuieren" zu vermeiden, nur weil die Etymologie das berechtigen kann, geht unserer Meinung nach etwas zu weit.

Martin Ebel hat übrigens im Jahre 2011 im Tagi einen hervorragenden Artikel geschrieben, bei dem er für Klarheit und Ästetik der Sprache und gegen falsche Sprachregulierung plädiert.

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