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www.rhetorik.ch aktuell: (09. Sep, 2017)

Selbstkritikfaehigkeit als Erfolgsfaktor

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Eine Mitarbeiterumfrage aus dem Jahr 2015 hat gezeigt, dass das Vertrauen in SRG-Generaldirektor Roger de Weck und SRF-Direktor Ruedi Matter klein ist. Matter sagt dazu: "Es gehört zum Selbstbild eines Journalisten, dass er seine Chefs unfähig bis unnötig findet." Er sei lange genug Journalist gewesen und habe dieselbe Einschätzung kultiviert. Zudem hätte es Unsicherheiten gegeben durch die Fusion von Radio DRS und dem Schweizer Fernsehen im Jahr 2011 - zwei Unternehmen mit ganz unterschiedlichen Kulturen. "Vor diesem Hintergrund waren die Ergebnisse nicht schlecht", so Matter. Wer diese Antworten liest, fragt sich jedoch, ob Matters Verständnis für die Kritiker echte Selbstkritik ist. Schiebt er mit seiner Erklärung die Schuld nicht vielmehr auf das Selbstbild vieler Journalisten ab? Die Frage ist somit berechtigt: Ist der Hinweis auf die unterschiedlichen Kulturen echte Selbstkritik? Selbstkritik braucht nicht nur Verständnis für die Kritik, sondern vor allem echte Einsicht bei den Mängeln. Es ist leider nicht selbstverständlich, dass Chefs bereit sind, bei Kritik wirklich selbstkritisch über die Bücher zu gehen. Christine Maier war bei SRF eine Moderatorin, die erstaunlich selbstkritisch war. Sie hatte erkannt, dass sie beim Moderieren im "Club" den Weg finden muss zwischen enger Führung und langer Leine. Sie schaffte es - dank der Selbstkritikfähigkeit - an die Spitze. In einer Analyse bezeichnete ich sie später als vorbildliche Moderatorin. Auch bei Jonas Projer habe ich feststellen dürfen, dass er die Kritik ernst nimmt und dadurch auf gutem Weg ist, die "Arena" beim Publikum akzeptabler zu gestalten. Ich habe bei Medienberatungen und Kommunikationskursen stets gesehen: Teilnehmende, die nicht bereit sind, sich von aussen spiegeln zu lassen, verbessern sich selten. Ich hatte bei Lehrerweiterbildungskursen erlebt, dass es Lehrpersonen gibt, die grosse Mühe im Umgang mit Videofeedback bekunden. Wenn sie wussten, dass mit der Kamera gearbeitet wird, meldeten sie sich gar nicht erst an. Hinsichtlich guter Selbstkritikfähigkeit stellte ich vor Jahren bei den Seminaren mit Piloten fest: Die Feedback-Kultur, das heisst die Auseinandersetzung mit Kritik, war dort etwas Alltägliches. Sie sind an das ungeschminkte Debriefing nach einem Flug gewöhnt. Auch bei Seminaren in einer Klosterschule war die Selbstkritik etwas Normales. Die Selbstkritikfähigkeit wurde dort schon im ersten Jahr bewusst geübt. Die Studierenden mussten sich dauernd selbst beurteilen. Heute wird beim fachgerechten Micro-Teaching das Tonband und die Fernsehkamera nicht mehr als Instrument benutzt, um Schwächen hervorzuheben oder zu verstärken, sondern vor allem, um die Coaches zu befähigen, selbst allfällige Defizite zu erkennen. Stärken werden dank des Spiegels "Video" erstaunlicherweise rasch selbst erkannt. Gleichzeitig werden beim Visionieren auch die Stärken bewusst. Der Coach sucht nur noch jenen blinden Fleck, der trotz des Spiegels die Teilnehmer nicht erkannt haben. In meiner langjährigen Tätigkeit ist mir der Spiegel "Video" gleichsam ein Lernbeschleuniger geworden. Er fördert die Selbstkritikfähigkeit, sofern dieser Spiegel fachgerecht eingesetzt wird. Der Weg über die Selbstkritik führt rascher zum veränderungswürdigen Lernpunkt. Werden Mängel selbst erkannt, kommt es viel schneller zu den erwünschten Verbesserungen. Dank der persönlichen Einsicht braucht es viel weniger Überzeugung- oder Motivationsarbeit. Die langwierigen Rechtfertigungsszenarien und Selbstschutzbehauptungen bleiben aus. Wer bei Kritik-, Beurteilungs- oder Schlechtnachrichtengesprächen die Selbstbeurteilung an den Anfang stellt, erspart sich zudem nicht nur die unerwünschten Rechtfertigungsphasen. Der Berater erhält bereits am Anfang hilfreiche Zusatzinformationen und kann damit viel gezielter nachfragen. Die Selbstkritikfähigkeit ist also die wichtigste Voraussetzung zur Qualitätssteigerung.

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