Bundesrat
Didier Burkhalter wird per 31. Oktober zurücktreten.
Burkhalter ist seit 8 Jahren im Bundesrat.
Es ist eine Überraschung. Schon wird über die Nachfolge nachgedacht.
Im Blick wird dem Tessiner Ignazio Cassis grosse Chancen gegeben.
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Aussenminister Didier Burkhalter liess am
Mittwoch eine Bombe platzen. Der FDP-Bundesrat tritt per 31. Oktober
zurück - noch vor Ende der Legislatur. Viele Beobachter hätten
vorher den Rücktritt von Parteikollege Johann Schneider-Ammann
erwartet, über dessen Gesundheitszustand verschiedentlich spekuliert
worden war.
Vor den Medien führte Burkhalter mit wässrigen Augen
persönliche Gründe für den überraschenden Abgang an -
laut Parlamentariern dürften aber auch die stockenden Verhandlungen
über ein Rahmenabkommen mit der EU eine Rolle gespielt haben.
Amtsmüdigkeit: Der 57-Jährige ist seit 30 Jahren in der
Politik und seit bald 8 Jahre im Bundesrat. Gerade im Jahr 2014, als er
Bundespräsident war und zugleich den Vorsitz der OSZE inne hatte,
stemmte der Neuenburger ein Mammut-Programm. Dass das anhängt,
verhehlte der sichtlich müde wirkende Aussenminister gestern nicht:
"Es braucht Jugendlichkeit, um zu regieren", sagte er.
Politikberater Mark Balsiger sagt: "Burkhalter wirkt seit langem wie
abwesend. Nach seinem Jahr als OSZE-Chef hat sein Gestaltungswille im
Bundesrat abgenommen." Auch Politologe Adrian Vatter sagt: "Das Amt des
Bundesrates ist aufreibend, die Arbeitsbelastung ist sehr hoch. Vielen
Magistraten fehlt nach einigen Jahren die Energie, eine Amtsdauer von
acht Jahren ist deshalb nahe am Durchschnitt."
Genug vom Rummel in der Öffentlichkeit: Als Bundesrat stand
Burkhalter ständig im Fokus der Öffentlichkeit. "Bundesrat zu
sein, ist wie eine zweite Haut", sagte der freisinnige Magistrat. Selbst
am Sonntag könne man sie nicht einfach ablegen. Zuletzt hatte
er seine Reisetätigkeit bewusst reduziert, sich zunehmend nach
Neuenburg zurückgezogen und Dossiers von zu Hause aus studiert.
Auch seine Frau Friedrun, die zu Beginn seiner Amtszeit
häufig an seiner Seite zu sehen war, scheute das Licht der
Öffentlichkeit zunehmend. Künftig will Burkhalter weniger
in der Öffentlichkeit stehen: "Ich brauche mehr Platz für das
private Leben."
Misserfolg im EU-Dossier: Burkhalter drängte auf den Abschluss
eines institutionellen Rahmenabkommens mit der EU. Damit hat er sich
laut Medienberichten in der Regierung, im Parlament und auch in seiner
eigenen Partei zunehmend isoliert. Beobachter vermuten, dass er sich am
EU-Dossier die Zähne ausgebissen hat. "Burkhalter hatte mit seinem
Dossier zum Rahmenabkommen kein Glück. Er wollte vorwärts
machen, doch er hatte keine Mehrheit im Bundesrat", so Politologe Vatter.
Grünen-Präsidentin Regula Rytz vermutet, dass ihm auch die
ständigen Angriffe zugesetzt haben: "Als Humanist und Demokrat
perlte die ständige Kritik nicht einfach an ihm ab."
Burkhalter selbst bestreitet einen Zusammenhang. Er habe einfach Lust,
eine neues Kapitel in seinem Leben aufzuschlagen. Auch, dass er als zu
wenig bürgerlich kritisiert wurde, habe ihm nichts ausgemacht.
Einen Hinweis, dass der Entscheid doch einen Zusammenhang mit der
Europapolitik haben könnte, lieferte Burkhalter jedoch gleich
selber: Er habe seinen Rücktritt nicht nach der Bundesratssitzung vom
Freitag angekündigt, weil er den Entscheid nicht mit der Diskussion
im Bundesrat über die Europapolitik verknüpfen wollte, sagte
er. So könne er Druck wegnehmen. Das Dossier Europa werde sich aber
kaum in die Richtung entwickeln, die er sich wünsche. Ein Wechsel
im Bundesrat werde aber möglicherweise eine ganz neue Dynamik
bringen. "Das Spiel ist offen."