Marine Le Pen und Emmanuel Macron sind am Mittwoch zum TV-Duell
angetreten. Macron liegt in den Umfragen zur Präsidentenwahl
weit vorn. Kann die Debatte trotzdem für eine Überraschung
sorgen? lautete die Gretchenfrage.
FAZ:
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Kann ein Satz, ein rhetorischer Schlagabtausch die Wahl eines
Präsidenten entscheiden? In der Geschichte der französischen
TV-Duelle, die 1974 begann, gibt es dafür einige Beispiele. Mit
Erfolg hatte Giscard d'Estaing seinem Widersacher Mitterrand das
"Monopol der Herzen" streitig gemacht. Der als "Mann der Vergangenheit"
vorgeführte Sozialist nahm das Motiv bei der Neuauflage sieben Jahre
später auf, stilisierte den Gegner, der ihn als #passé"
bezeichnet hatte, zum Präsidenten der #Passive", der Defizite,
Niederlagen, Rückzüge.
In einem späteren Duell empörte sich Chirac über die
Anrede als Premierminister, die er als hierarchische Herabsetzung durch
den amtierenden Präsidenten empfand. Er versuchte, ihre Gleichheit
als Kandidaten zu beschwören. Damit lief er Mitterrand ins offene
Messer: #Sie haben vollkommen recht, Monsieur le Premierminister."
Ein Uber-Mensch aus der Retorte Aus dem TV-Duell
vor fünf Jahren zwischen François Hollande und dem damals
amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy hat das geflügelte
Wort #Moi, Président" überlebt. Schon zwei Stunden hatte
die Debatte gedauert, die Zuschauer waren ermüdet. Wie aus einer
Maschinenpistole kam die Wendung und brachte die Wende. Mit #Moi,
Président" begann Hollande seine Antwort auf die Frage des
Moderators, was für eine Art Präsident er sein würde. Er
nutzte die Steilvorlage zu einer gewagten Improvisation. Mehr als
drei Minuten dauerte die Sequenz. Ein Dutzend Mal wiederholte der
Herausforderer #Moi, Président", stets folgte ein Argument aus den
Wahlkampfreden. Mehr noch als den Franzosen schien Hollande sich selbst
das Rollenverständnis einhämmern zu wollen. So deutete er es
im Nachhinein: #Es ist der Augenblick, in dem sich die psychologische
Übertragung einstellt: Ich werde Präsident."
Ein Millionenpubikum hat das Duell Le Pen -Macron mit verfolgt. Es
dominierten gegenseitige Angriffe. Dies verhinderte jedoch eine sachliche
Diskussion. Wenn es ums Ueberzeugen geht, genügten ein harter
Schlagabtausch und Provokationen allein nicht.
Mir fehlten gute Argumente. Die ewigen Sticheleien brachten nichts. Die
Rechtspopulistin des Front National bezeichnete den früheren
Wirtschaftminister als Kandidaten der "wilden Globalisierung", der
"sozialen Brutalität" und des "Krieges alle gegen alle". Le Pen
sagte von sich, sie sei die "Kandidatin des Volkes".
Macron auf der anderen Seite warf Le Pen vor, sie verkörpere den
"Geist der Niederlage", sie verbreite "Dummheiten" und zeichne ein
"negatives Bild von Frankreich". Er hingegen wolle die Stärke
Frankreichs" aufbauen.
Beide Kandidaten schenkten sich an dieser Redeschlacht nichts.
Beide Kontrahenten hatten eine Schwachstelle:
Le Pen vermischte am Anfang Zahlen und Aussagen.
Stimme und Mimik verrieten, wenn sie nicht mehr weiter wusste.
Bei Macron kam es bei unsicheren Momenten zu Ueberreaktionen
(Unterbrechungsverhalten, Körperspräche).
Macron argumentierte oft zu technokratisch, zu komplex. Dies hat die
Verständlichkeit enorm beeinträchtigt.
Ich gehe davon aus, dass diese Debatte keine grossen Verschiebungen mehr
bewirken wird.
Viele Beobachter beurteilten das Duell als Patt-Situation.
Dies, obwohl Umfragen Macron offenbar die Gunst des Publikums
eher für sich gewinnen konnte. Nur ein Drittel fanden Le Pen
überzeugender.
Macron wird wohl das Rennen machen. Viele werden ihm wählen,
nur weil sie Le Pen unbedingt verhindern wollen.