Persoenlich blog:
Heftige Kritik prasselte an der Generalversammlung auf den
Präsidenten der Credit Suisse nieder. Von zahlreichen Rednern wurde
auf die Führungscrew eingeprügelt. Doch scheint Urs Rohner
gegenüber der heftigen Kritik zahlreicher Aktionäre immun
zu sein.
Als ich ihn jedoch am Bildschirm genauer beobachten konnte, stellte ich
fest: Der Körper verrät meist mehr als die Worte. Rohner wirkte
trotz des Bemühens "sich im Gegenwind souverän zu verhalten"
recht gestresst, nervös. Der rhythmische Akzent liess immer wieder
zu wünschen übrig. Sein Körper schwankte vor allem in
angespannten Situationen. Dies signalisierte: Der Redner muss Stress
abbauen. Der Blickkontakt war vielfach unruhig und fahrig. Bei den
Nahaufnahmen fielen die Zuckungen in der Stirnpartie und das unpassende
abrupte Augenbrauenheben auf. Auffällig vor allem beim Beantworten
heikler Fragen. Für Kommunikationsinteressierte war diese CS
Generalversammlung spannend wie ein Krimi.
Erfahrene Aktionäre wissen zwar, dass bei Generalversammlungen
die Grossaktionäre das Sagen haben und die besten Argumente der
anwesenden Kritiker kaum etwas ausrichten können. Dass jemand eine
Belohnung erhält für eine Fehlleistung ist eigentlich grotesk.
Martullo Blocher brachte es auf den Punkt: "Manager sollen gut verdienen,
wenn sie Erfolg haben - aber wenig, wenn sie es nicht haben." Für
Otto Normalverbraucher ist nicht nachvollziehbar, dass Versagern Millionen
zugeschaufelt werden (bei Verlusten von Milliarden). Im Grunde genommen
müssten eigentlich Manager für schlechtes Management mit einem
Malus bedacht werden.
Zurück zum Verhalten Rohners: Es war auffallend, dass seine Aussagen
immer wieder einen deutlichen Realitätsverlust widerspiegeln. Ich
zitiere zwei Beispiele:
Erstens: "Das Hin und Her um die Boni ist letztlich eine philosophische
Frage - darf man ein Management, das seine vorgegebenen Leistungsziele
erreicht hat und operative Gewinne erzielt, für Verluste aufgrund
von Ereignissen aus der Vergangenheit büssen lassen?"
Der Realitätsverlust: Vergütungsberichte haben mit Philosophie
nichts zu tun.
Zweitens: "Ich habe vom ersten Tag an bei der CS und in jeder Funktion,
die ich hatte, meinen Beitrag dazu geleistet, dass sich die Firma und
die Prozesse verbessern und dass sich Sachen, die ich nicht für
richtig angesehen habe, verändern."
Zum Realitätsverlust: Rohner, der gewiefte Taktiker geht davon aus,
mit seinem Beitrag die Investoren zu beeindrucken. Es gilt zu bedenken:
Seit dem Start als CS-Präsident im April 2011 hat die Aktie der
Grossbank 57 Prozent ihres Börsenwerts eingebüsst.
Im Hallenstadion ging der Kelch an Rohner zwar vorüber, die
Grossaktionäre spielten für ihn einmal mehr die Retter. Aber:
Der Wink mit dem Zaunpfahl der Aktionäre wird bestimmt nicht nur bei
Rohner Spuren hinterlassen. Obwohl das Management der CS vorläufig
noch dem Gegenwind standhalten konnte, wird es wohl später -
nach dem gravierenden Vertrauensverlust - zwangsläufig doch
noch zu personellen Veränderungen kommen. Denn: Ein Kapitän
mit Realitätsverlust ist nicht nur für die Aktionäre
unzumutbar.