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www.rhetorik.ch aktuell: (08. Apr, 2017)

Vom heissen Stuhl zum Kreuzverhoer

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Immer mehr werden Wirtschaftsführer und Politiker in den Medien harten Befragungen ausgesetzt. Sie trainieren vielfach derartige Situationen, um harten Fragen zu begegnen. Es ist somit verständlich, wenn Journalisten Formate entwickeln, mit denen sie auch geschulten Profis unerwartete Aussagen entlocken können. Die Rundschau hatte Erfolg mit dem heissen Stuhl. Schawinski lässt sein Gegenüber mit vorbereiteten Zitaten, oder unerwarteten Situationen an seinem vorgefertigten fixen "roten Faden" entlang hangeln. Die Rundschau versucht es derzeit mit einer kreuzverhörähnlichen Befragung in der Sendung "Rundschau Spezial" mit zwei Journalisten gegen eine Person mit dem neunen Modell: Zwei gegen Einen.

Wer mit den zahlreichen Techniken der Interviewer nicht vertraut ist, kommt bei harten Interviews vor Mikrofon und Kamera rasch ins Schleudern. Beleuchten wir kurz die erwähnten Modelle:

Der heisse Stuhl

Hannes Britschgi liess bereits vor Jahren das Gegenüber auf einem Stuhl Platz nehmen und wechselte während der Befragung die Seite. Als einmal Hayek in der Rundschau vom heissen Stuhl hinuntersprang, als ihn Hannes Britschgi wiederholt unterbrochen hatte, wurde einmal der Moderator destabilisiert. Jonas Projer hat das Modell "Heisser Stuhl" in der Arena modifiziert eingebaut. Ein Kandidat wird unverhofft im vorgesehenen Prüfstand in den Schwitzkasten genommen.

Schawinskis Konfrontationstechnik

Bei Schawinski hingegen geht es nicht um einen wohlwollenden Dialog. Der Moderator konfrontiert das Gegenüber Schlag auf Schlag mit vorbereiteten Texten und Filmsequenzen. Das enge Fragekorsett lässt keine vertiefenden Antworten zu.Andreas Thiel durchbrach einmal dieses Ritual, indem er selbst die Führung übernahm und den Profi-Moderator selbst aus dem Lot brachte.

Zwei gegen Einen

Bei NZZ STANDPUNKTE vom SRF können wir seit Jahren vertiefende Gespräche mit zwei Journalisten erleben. Dieses Modell hat jedoch keinen Inquisitionscharakter. Ein Journalisten Duo lässt den Interviewten stets ausreden. Journalist Marco Färber hat mich bei diesem Sendegefäss besonders überzeugt. Er war stets darauf bedacht, mit seinem Partner - trotz Doppelbesetzung - ein vertiefendes Gespräch zu führen. Die Rundschau hat nun in einem neuen Konzept "Rundschau Spezial" ebenfalls das Setting "ZWEI gegen EINS" übernommen.
Nur geht es bei diesem Format weniger um ein tiefschürfendes Gespräch, sondern vielmehr um eine harte Befragung durch zwei Journalisten.Ich habe mir dieses neue kreuzverhörähnliche Modell angeschaut. Susanne Wille und Sandro Brotz nehmen eine Person aus unterschiedlicher Warte in die Zange und provozieren dadurch Aussagen, die man unter normalen Bedingungen nicht zu hören bekäme.Kreuzverhöre spielen bei der Wahrheitsfindung vor Gericht ein grosse Rolle. Wir kennen diese Szenen aus amerikanischen Gerichtsfilmen. Staatsanwalt und Verteidiger nehmen Angeklagte oder Zeugen abwechselnd in die Zange. Das neue Modell der Rundschau ist aber kein klassisches Kreuzverhör. Dem Duo Wille/Brotz geht es darum, mit ihrer Doppelmoderation Widersprüche aufzudecken und Ausweichmanöver abzublocken. Die Befragung aus unterschiedlicher Warte verspricht mehr Erfolg als das Modell mit dem heissen Stuhl. Beim jüngsten Rundschau-Spezial Polittalk mit Peter Maurer IKRK kann Susanne Wille nicht mehr vorgeworfen werden, sie rede zu viel, zu laut, wie bei einzelnen Sendungen, als die vielen Unterbrechungen Zuschauer genervt hatten. Das neue Konzept überzeugt in verschiedener Hinsicht. Das Duo Brotz/Wille versteht es, gemeinsam Fragen mit Fakten und Filmsequenzen zu veranschaulichen und hatte die Gnade, das Gegenüber ausreden zu lassen. Selten kommt es zu Unterbrechungen.Die Rollenteilung harmoniert. Das Duo wirkt als Einheit. Es ist nichts von Konkurrenzdenken spürbar.Der Ablauf ist minutiös vorbereitet und das Ganze ist alles andere als ein Gefälligkeitsinterview. Die Moderatoren hören gut zu und haken gezielt nach, wenn ausweichend geantwortet wird. Fürs Publikum ist "Rundschau-Spezial" ein Gewinn. Die Zuhörer erfahren dank der Vertiefung Details aus dem Arbeitsalltag und den Problemen des Befragten. Das Modell ist nach meinem Dafürhalten etwas Neues, etwas Ganzes und dadurch eine Bereicherung der Modelle mit Explorationscharakter.

Wie macht man sich fit?

Wie können wir uns für harte Befragungen fit machen? Wir müssen vor allem die Wahrnehmung schulen. Nur wer die unfaire Dialektik erkennt, kann ihr begegnen.Die Taktik der Journalisten müssen wir wahrnehmen. Dann beschreiben wir konkret das erkannte Spiel und nutzen das Prinzip "Fragen statt Sagen". Wenn Sie beispielsweise dauernd unterbrochen werden: "Bis jetzt wurde ich drei Mal unterbrochen. Darf ich den Gedanken jetzt fertig formulieren?" Wer mit Medien zu tun hat, muss sich frühzeitig mit Medienrhetorik auseinandersetzen. Vor allem mit den Techniken der unfairen Dialektik. Es gibt immer noch Vorgesetzte, die glauben, das Verhalten vor Mikrofon und Kamera sei vor allem Begabung. Sie vergessen, dass heikle Situationen trainiert werden müssen, so wie jeder Pilot, der begabt ist und sehr gut fliegen kann, dennoch im Simulator regelmässig Krisensituationen üben muss. Fazit: Ueberzeugende Medienauftritte sind keine Selbstverständlichkeit.

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