Immer mehr werden Wirtschaftsführer und Politiker in den
Medien harten Befragungen ausgesetzt. Sie trainieren vielfach
derartige Situationen, um harten Fragen zu begegnen. Es ist somit
verständlich, wenn Journalisten Formate entwickeln, mit denen sie
auch geschulten Profis unerwartete Aussagen entlocken können.
Die Rundschau hatte Erfolg mit dem heissen Stuhl. Schawinski lässt
sein Gegenüber mit vorbereiteten Zitaten, oder unerwarteten
Situationen an seinem vorgefertigten fixen "roten Faden" entlang hangeln.
Die Rundschau versucht es derzeit mit einer kreuzverhörähnlichen
Befragung in der Sendung "Rundschau Spezial" mit zwei Journalisten gegen
eine Person mit dem neunen Modell: Zwei gegen Einen.
Wer mit den zahlreichen Techniken der Interviewer nicht vertraut ist,
kommt bei harten Interviews vor Mikrofon und Kamera rasch ins Schleudern.
Beleuchten wir kurz die erwähnten Modelle:
Der heisse Stuhl
Hannes Britschgi liess bereits vor Jahren das Gegenüber auf
einem Stuhl Platz nehmen und wechselte während der Befragung die
Seite. Als einmal Hayek in der Rundschau vom heissen Stuhl hinuntersprang,
als ihn Hannes Britschgi wiederholt unterbrochen hatte, wurde einmal der
Moderator destabilisiert. Jonas Projer hat das Modell "Heisser Stuhl"
in der Arena modifiziert eingebaut. Ein Kandidat wird unverhofft im
vorgesehenen Prüfstand in den Schwitzkasten genommen.
Schawinskis Konfrontationstechnik
Bei Schawinski hingegen geht es nicht um einen wohlwollenden Dialog.
Der Moderator konfrontiert das Gegenüber Schlag auf Schlag
mit vorbereiteten Texten und Filmsequenzen. Das enge Fragekorsett
lässt keine vertiefenden Antworten zu.Andreas Thiel durchbrach
einmal dieses Ritual, indem er selbst die Führung übernahm
und den Profi-Moderator selbst aus dem Lot brachte.
Zwei gegen Einen
Bei NZZ STANDPUNKTE vom SRF können wir seit Jahren vertiefende
Gespräche mit zwei Journalisten erleben. Dieses Modell hat jedoch
keinen Inquisitionscharakter. Ein Journalisten Duo lässt den
Interviewten stets ausreden. Journalist Marco Färber hat mich bei
diesem Sendegefäss besonders überzeugt. Er war stets darauf
bedacht, mit seinem Partner - trotz Doppelbesetzung - ein vertiefendes
Gespräch zu führen.
Die Rundschau hat nun in einem neuen Konzept "Rundschau Spezial" ebenfalls
das Setting "ZWEI gegen EINS" übernommen.
Nur geht es bei diesem Format weniger um ein tiefschürfendes
Gespräch, sondern vielmehr um eine harte Befragung durch zwei
Journalisten.Ich habe mir dieses neue kreuzverhörähnliche
Modell angeschaut. Susanne Wille und Sandro Brotz nehmen eine Person
aus unterschiedlicher Warte in die Zange und provozieren dadurch
Aussagen, die man unter normalen Bedingungen nicht zu hören
bekäme.Kreuzverhöre spielen bei der Wahrheitsfindung vor
Gericht ein grosse Rolle. Wir kennen diese Szenen aus amerikanischen
Gerichtsfilmen. Staatsanwalt und Verteidiger nehmen Angeklagte oder
Zeugen abwechselnd in die Zange. Das neue Modell der Rundschau ist
aber kein klassisches Kreuzverhör. Dem Duo Wille/Brotz geht es
darum, mit ihrer Doppelmoderation Widersprüche aufzudecken und
Ausweichmanöver abzublocken. Die Befragung aus unterschiedlicher
Warte verspricht mehr Erfolg als das Modell mit dem heissen Stuhl.
Beim jüngsten Rundschau-Spezial Polittalk mit Peter Maurer IKRK kann
Susanne Wille nicht mehr vorgeworfen werden, sie rede zu viel, zu laut,
wie bei einzelnen Sendungen, als die vielen Unterbrechungen Zuschauer
genervt hatten. Das neue Konzept überzeugt in verschiedener
Hinsicht. Das Duo Brotz/Wille versteht es, gemeinsam Fragen mit
Fakten und Filmsequenzen zu veranschaulichen und hatte die Gnade, das
Gegenüber ausreden zu lassen. Selten kommt es zu Unterbrechungen.Die
Rollenteilung harmoniert. Das Duo wirkt als Einheit. Es ist nichts von
Konkurrenzdenken spürbar.Der Ablauf ist minutiös vorbereitet
und das Ganze ist alles andere als ein Gefälligkeitsinterview.
Die Moderatoren hören gut zu und haken gezielt nach, wenn ausweichend
geantwortet wird. Fürs Publikum ist "Rundschau-Spezial" ein
Gewinn. Die Zuhörer erfahren dank der Vertiefung Details aus
dem Arbeitsalltag und den Problemen des Befragten. Das Modell ist nach
meinem Dafürhalten etwas Neues, etwas Ganzes und dadurch eine
Bereicherung der Modelle mit Explorationscharakter.
Wie macht man sich fit?
Wie können wir uns für harte Befragungen fit machen?
Wir müssen vor allem die Wahrnehmung schulen. Nur wer die unfaire
Dialektik erkennt, kann ihr begegnen.Die Taktik der Journalisten
müssen wir wahrnehmen. Dann beschreiben wir konkret das
erkannte Spiel und nutzen das Prinzip "Fragen statt Sagen". Wenn Sie
beispielsweise dauernd unterbrochen werden: "Bis jetzt wurde ich drei
Mal unterbrochen. Darf ich den Gedanken jetzt fertig formulieren?"
Wer mit Medien zu tun hat, muss sich frühzeitig mit Medienrhetorik
auseinandersetzen. Vor allem mit den Techniken der unfairen Dialektik.
Es gibt immer noch Vorgesetzte, die glauben, das Verhalten vor
Mikrofon und Kamera sei vor allem Begabung. Sie vergessen, dass heikle
Situationen trainiert werden müssen, so wie jeder Pilot, der begabt
ist und sehr gut fliegen kann, dennoch im Simulator regelmässig
Krisensituationen üben muss. Fazit: Ueberzeugende Medienauftritte
sind keine Selbstverständlichkeit.