Google hat wieder Kunden verloren, nachdem Werbung auf
Videos mit fraglichem Inhalt gezeigt worden ist,
haben sich Coca-Cola, Pepsi, Wal-Mart, oder Dish Network
von der Werbung haben die Werbung temporär
suspensiert.
OE 24:
Nach Beschwerden namhafter Anzeigenkunden will der Internetkonzern Google
künftig verhindern, dass deren Werbung in direkter Nähe zu
extremistischen Inhalten auftaucht. "Wir wissen, dass Anzeigenkunden
ihre Werbung nicht neben Inhalten sehen wollen, die mit ihren Werten
nicht im Einklang stehen", schrieb der Google-Manager Philipp Schindler
am Dienstag auf dem Blog des Unternehmens.
Firmen sollen demnach grössere Kontrolle darüber erhalten,
wo ihre Anzeigen auf Google-Plattformen wie YouTube erscheinen. "Ab
heute nehmen wir daher eine kompromisslosere Haltung gegenüber
hasserfüllten, beleidigenden und herabwürdigenden Inhalten
ein", kündigte Schindler an. Der Internetkonzern werde einen
"strengen Blick" auf seine geltenden Richtlinien werfen und Vorkehrungen
verschärfen, damit Werbung nur in Verbindung mit seriösen
Inhalten erscheine.
Für die "kommenden Tage und Monate" kündigte Google Funktionen
an, mit denen Werbetreibende "leichter und lückenlos" regeln
könnten, wo auf YouTube und im Netz ihre Anzeigen erscheinen
sollen. Bereits am Montag hatte sich Google gegenüber namhaften
Werbekunden entschuldigt, deren Anzeigen vor allem auf dem Videoportal
YouTube in Verbindung mit extremistischen Inhalten zu sehen waren.
Proteste von Firmen und der britischen Regierung
So hatten in den vergangenen Tagen die britische Regierung und bekannte
Firmen wie die Kaufhauskette Marks and Spencer und die HSBC-Bank ihre
Google-Anzeigen gestoppt. Auch die BBC, die Zeitung "The Guardian" und
der britische Zweig der US-Fastfoodkette McDonald's legten über
Google geschaltete Anzeigen vorerst auf Eis. Die britische Regierung
erklärte, es sei "völlig inakzeptabel", dass vom Steuerzahler
bezahlte Werbung neben "unangemessenen Internetinhalten" erschienen
sei. Dies habe die Regierung Google "sehr klar" mitgeteilt.
Ein Regierungssprecher teilte am Dienstag mit, es sei "kein Fall
bekannt, in dem regierungsamtliche Kommunikation" neben extremistischen
Videos geschaltet worden sei. Bei der Platzierung von Anzeigen achte
die Regierung darauf, "dass die Platzierung möglichst gut zur
Zielgruppe sowie zum Thema passt". Dies schliesse ein extremistisches
Umfeld "selbstverständlich" aus. Google reagiere nicht schnell genug
Die Zeitung "The Times" hatte bereits in der vergangenen Woche
berichtet, dass BBC-Sendungen in Verbindung mit Videos des früheren
Anführers des Ku-Klux-Klans, David Duke, beworben worden seien. Auch
bei Videos eines islamistischen Predigers, der wegen Anstiftung zum
Hass nicht mehr nach Grossbritannien einreisen darf, sei BBC-Werbung
aufgetaucht.
Die Zeitung warf Google vor, nicht schnell genug auf Hinweise zu
fragwürdigen Inhalten zu reagieren. Bei einer Analyse seien mehr
als 200 antisemitische Videos gefunden worden. Google habe es bei sechs
davon nicht geschafft, sie innerhalb der von der EU verlangten Frist
von 24 Stunden nach dem Bekanntwerden zu löschen.
Für Google kann der vorübergehende Anzeigenstopp schwerwiegende
Folgen haben, denn der US-Internetkonzern macht einen Grossteil seines
Geldes mit dem Anzeigengeschäft im Netz.
SRF:
Swisslife und Baer schalten vorderhand keine Werbung mehr bei Google
und Youtube. Sie reagieren damit auf Recherchen von "10vor10". Diese
zeigen auf, dass Werbevideos auf Youtube vor Videos mit extremen Inhalten
geschaltet werden.
Die Weichkäse-Herstellerin Baer AG teilt mit: "Wir sind schockiert,
dass unsere Werbung offenbar auf Youtube im Kontext mit Videos mit
inakzeptablem Inhalt erscheint. Dies ist Rufschädigung und wir
distanzieren uns in aller Vehemenz von solchen Inhalten, die in keiner
Weise von uns akzeptiert oder geteilt werden. Aus diesem Grund werden wir
sofort sämtliche Werbeaktivitäten auf Google Display Network
(GDN) und Youtube stoppen."
Einen klaren Strich zieht auch Swiss Life. Der grösste
Schweizer Lebensversicherungskonzern schreibt "10vor10": "Swiss Life
distanziert sich klar von extremistischen Inhalten jeder Art und
zieht deshalb die Konsequenzen: Wir haben die von uns gebuchten
Swiss Life Ads auf Youtube und auf Google Display per sofort
gestoppt." Und: "Wir erwarten von den Plattformen, extremistische
Inhalte unverzüglich zu löschen." Sunrise und Electrolux
prüfen derzeit einen Rückzug - falls Google das Risiko
von Fehlplatzierungen nicht substanziell reduziere. Auch die
anderen betroffenen Firmen distanzieren sich ausdrücklich von
fragwürdigen Inhalten.
Der konkrete Hintergrund: Wie Recherchen von "10vor10" zeigen, tauchen
vor Neonazi-Videos Werbungen von Post, Micasa, Ikea Schweiz, Baer,
Swisslife, Sunrise, Nivea, Ricola, Swisscom und Electrolux auf.
Ein Coop-Werbefilm läuft vor einem Video von Michael Savage,
dem die Einreise nach Grossbritannien wegen "Schürens von Hass"
untersagt ist. Werbevideos von Coop oder Baer werden auch vor einem
Video mit dem umstrittenen Salafisten Pierre Vogel platziert.
Zudem taucht Schweizer Werbung bei diversen Verschwörungs-Talkern
auf. So etwa bei Alex Jones von "Infowars". Jones ist der Mann, der auch
schon behauptete, Hillary Clinton habe persönlich Kinder ermordet
oder das Sandy-Hook-Massaker habe nie stattgefunden. Auch vor Videos von
Jones tauchen Post, Fust, Emmi und viele weitere namhafte Schweizer Firmen
auf. Pikant: Betreiber von fragwürdigen Kanälen auf Youtube
verdienen - bei genug Klicks aus der Schweiz - an dieser programmatischen
Werbung mit. Google: "Änderungen sind angeschoben"
In Grossbritannien haben laut der Zeitung "The Times" bereits über
250 Unternehmen Werbe-Deals mit Google gestoppt, weil ihre Anzeigen bei
extremen Inhalten platziert worden waren.
Wie die britische Zeitung "The Guardian" berichtet, hat zudem Havas, eine
der weltweit grössten Agenturen, die Google- und Youtube-Werbung
ihrer Kunden in Grossbritannien sistiert.
Die betreffenden Videos hat Google inzwischen gesperrt. Auf Anfrage
von "10vor10" schreibt Google, man möchte sich "ausdrücklich
entschuldigen" für Fälle von "Anzeigen von Marken im Umfeld
von Inhalten, die nicht mit ihren Werten übereinstimmen". Und:
"Wir wissen, dass dies für Werbetreibende und Agenturen, die uns
vertrauen, nicht hinnehmbar ist."
Man habe daher die Richtlinien und Tools für Werbung umfassend
überprüft. Und bereits Änderungen in drei Bereichen
angeschoben: bei den Anzeigen-Richtlinien, bei der Durchsetzung dieser
Richtlinien und in Form neuer Kontrollmöglichkeiten für
Werbetreibende. "YouTube als Betreiberin der Plattform lehnt die
Einstellung solcher Inhalte genauso ab wie die Gemeinschaft der Nutzer
selbst", heisst es in der Stellungnahme. "YouTube reagiert innerhalb
von Stunden mit der Prüfung solcher Inhalte, sobald diese gemeldet
werden."
Persoenlich:
Youtube hat ein wachsendes Problem: Mehrere grosse Unternehmen haben ihre
Werbung auf der Google-Plattform gestoppt, nachdem die Anzeigen neben
extremistischen Videos auftauchten. Zuletzt erklärten unter anderem
die amerikanischen Telekom-Riesen Verizon und AT&T, dass sie aus diesem
Grund die Werbung bei Google ausserhalb der Suchmaschine stoppen.
Google kündigte an, Werbekunden mehr Kontrolle darüber zu geben,
wo ihre Anzeigen zu sehen sind. Die Unternehmen - und auch die britische
Regierung - waren vergangene Woche durch einen Bericht der Londoner
"Times" auf das Problem aufmerksam geworden.
Danach setzten unter anderem die BBC, der Konsumgüter-Riese
Johnson & Johnson, Ford und die Bank JP Morgan Chase Anzeigen bei
YouTube aus. Kern des Problems ist, dass die Werbeplätze im
Umfeld der YouTube-Videos weitgehend automatisiert über diverse
Marktplätze befüllt werden.
Dabei geht es darum, die vom Werbekunden anvisierte Zielgruppe zum
Beispiel nach Alter oder Geschlecht zu erreichen. Grundsätzlich
könne Google Werbekunden zwar zusichern, dass ihre Werbung nicht
neben extremistischen Inhalten auftaucht, sagte Verwaltungsratschef
Eric Schmidt in einem Fernsehinterview bei "Fox Business TV". Da die
Anzeigenplätze aber über viele Kanäle vermarktet werden,
"rutscht manchmal jemand unter dem Algorithmus durch". Als Konsequenz
habe Google die Richtlinien verschärft und setze mehr Kontrolle
durch Menschen ein.
In der Schweiz haben als erste Firmen Swiss Life und der
Käsehersteller Baer ihre Werbung über Google vorübergehend
gestoppt (persoenlich.com berichtete).
In der Branche wird seither die Diskussion genau beobachtet. Player,
die Produkte des Suchmaschinenriesen weiterverkaufen, erachten dies als
einen übertriebenen Schritt. Das sei nicht nachhaltig, sagte etwa
Joël Meier, Programmatic-Experte bei Webrepublic im Interview mit
persoenlich.com.