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www.rhetorik.ch aktuell: (03. Mar, 2017)

Netzfilter in der Schweiz

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Obwohl technisch leicht zu umgehen ist die Einführung von Netzsperren ein Novum in der Schweiz. Eine Barriere wird durchbrochen, indem ähnlich wie in totalitären Staaten, gewisse Inhalt von Internet für Besucher abgeschnitten werden. Dabei werden die Internet provider verpflichtet, gewisse Seiten nicht im Domain Name System aufzuführen. Man kann jedoch auch leicht trotzdem auf die Seite zugreifen, wenn man andere Nameserver benutzt oder dann mit einem "Virtual Private Network" herumsurft, oder dann einfach die IP Addresse des Servers kennt. Das System ist ziemlich unwirksam, denn die Leute, die die Sperre umgehen wollen haben keine Probleme. Das System kann aber viel Schaden anrichten. Wenn etwa der Namen einer Firma irrtuemlicherweise gefiltert wird (das ist bei solchen Systemen immer möglich und auch passiert ist), dann ist die Firma futsch, denn dann sind die Kunden weg. Auch könnte das System für politische Zwecke misbraucht werden. Das muss nicht mittels einer korrupten Regierung oder bestochener Richter passieren, viel wahrscheinlicher ist etwa dass ein Hacker oder IT Insider Zugriff auf die Filter bekommt und unbemerkt unbequeme Seiten ausfiltert. Wenn ein System zum Filtern von Netzinhalt installiert ist, dann wird es auch gebraucht und mit grosser Wahrscheinlichkeit auch misbraucht. Kollateralschäden und mehr Einschräkungen der Informationsfreiheit sind vorprogrammiert.

20 Min:
In der Schweiz wird erstmals eine sogenannte Netzsperre eingeführt: Der Zugriff auf ausländische Online-Casinos soll nach dem Willen von National- und Ständerat blockiert werden. Während die Befürworter mit der Prävention und der Einhaltung beschlossener Gesetze argumentieren, beklagen die Gegner den Tod des freien Internets und befürchten einen Dammbruch. Umfrage Was halten Sie von Online-Sperren? Andere Interessensgruppen stünden schon in den Startlöchern, ist Marcel Dobler, FDP-Nationalrat und Gründer des IT-Onlineshops Digitec, überzeugt: "Es wird nicht beim Sonderfall Glücksspiele bleiben." Auch Martin Steiger, IT-Anwalt und Mitglied der Digitalen Gesellschaft Schweiz, sagt: "Nach diesem Entscheid schliesse ich nichts mehr aus - Heimatschutz und Abschottung sind gerade sehr in Mode." Spekuliert wird etwa über Sperren in folgenden Bereichen: CSP-Nationalrat Karl Vogler befürwortete die Sperre für ausländische Online-Casinos im Nationalrat. Über die Schreckensszenarien der Gegner kann er nur den Kopf schütteln: "Sie vergleichen Äpfel mit Birnen." Wer nun vor einer Zensur im Stil Nordkoreas warne, bagatellisiere die dortigen Verhältnisse. "Man kann den Diktatoren-Vergleich so oft wiederholen, wie man will, er wird dadurch nicht wahrer." Auch stehe es nicht zur Debatte, aus protektionistischen Gründen Online-Angebote wie Zalando oder Amazon einzuschränken. "Sie sind durch die Wirtschaftsfreiheit geschützt." Der Fall der Online-Casinos sei anders gelagert, weil ein Teil der Spielgelder laut Gesetz der Gemeinnützigkeit zukommen müsste. "Ohne Sperre fliesst das Geld einfach ins Ausland ab - das darf nicht sein." Zudem habe die Massnahme Präventionscharakter. Dass Sperren im Fall von verbotener Pornografie oder Jihadismus Sinn machten, liege auf der Hand, so Vogler. Auch für Dobler und Steiger ist es wichtig, dass der Zugang zu solchen Inhalten verhindert wird. Beide betonen jedoch: "Löschen ist in solchen Fällen besser als sperren." Dies inbesondere, weil Netzsperren kinderleicht umgangen werden könnten. "Jeder, der 30 Sekunden googelt, findet heraus, wie das geht", so Dobler. Damit eine Online-Sperre beschlossen werden kann, braucht es in jedem Fall eine gesetzliche Grundlage, wie es beim Bundesamt für Justiz auf Anfrage heisst. Diese müsse "durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig" sein, führt Sprecherin Ingrid Ryser aus. Sie hält fest: Eine Sperre von Twitter oder Facebook sei "aus rechtlicher und praktischer Sicht nicht denkbar".
SRF:
Gesperrte Geldspiel-Seiten "Netzsperren bringen statt Lösungen nur Probleme" Das sei ein Dammbruch, sagen Experten nach dem Entscheid des Nationalrates zum Online-Glücksspiel. Mit dem neuen Geldspielgesetz wird erstmals in der Schweiz eine sogenannte Netzsperre eingeführt. Netzsperren können immer umgangen werden Mehr zum Thema Netzsperren seien immer die falsche Option, sagt Alexander Sander, Geschäftsführer bei der Digitalen Gesellschaft Deutschland. Erstens, weil sie so gut wie immer umgangen werden können - ihr beabsichtigtes Ziel also in der Regel nicht erreichen. Zweitens lösten sie das grundlegende Problem nicht, sagt Sander. Ein illegales Online-Angebot bestehe nämlich weiterhin, es werde nur unsichtbar gemacht. Das sei also keine Ursachen-, sondern Symptombekämpfung. Die Auswirkungen von Netzsperren seien vor diesem Hintergrund unverhältnismässig hoch, eine absurde technische Zensurmassnahme. In verschiedenen europäischen Ländern werden Netzsperren regelmässig zum "Schutz vor Terrorismus" und "Kindsmissbrauch" gefordert. Fachleute sind sich jedoch einig: Löschen bringt mehr als sperren. Illegale Angebote sollen strafrechtlich belangt, abgeschaltet und den Hintermännern das Handwerk gelegt werden. Insbesondere im Fall von Terrorismus und Kindsmissbrauch sei ein Deckmantel des Schweigens ein fatales und kontraproduktives Signal. Dass in der Schweiz einschneidende Zensurmassnahmen mit wenig bedrohlichen Glückspielangeboten gerechtfertigt werden, lässt Schlechtes für die Zukunft befürchten, sagt Linus Neumann vom Chaos Computer Club. Dieser ist die grösste europäische Hackervereinigung und seit über dreissig Jahren Vermittler im Spannungsfeld technischer und sozialer Entwicklungen. Seien die technischen Anlagen und juristischen Prozesse für Netzsperren erst einmal etabliert, würden umgehend Forderungen nach Ausweitung in andere Bereiche laut, sagt Neumann. Deswegen sei schon der erste Schritt zum Errichten einer Zensur-Infrastruktur zu unterbinden.

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