In einer Zeit von alternativen Fakten wird das
Aufdecken von Fake News zu einem Sport. Auch der
Humor hilft mit. Die SNL Show, bei der Melissa McCarthy
den Pressesprecher Sean Spicer mimt, wurde zu einem grossen
Hit.
Spiegel:
Saturday-Night-Live-Sketch Spicer reagiert auf McCarthy-Parodie.
Ein Millionenpublikum sah den Sketch von Melissa McCarthy,
in dem sie den Sprecher des Weissen Hauses, Sean Spicer,
spielt. Der erklärt nun, er habe durchaus gelacht - mit einer Ausnahme.
Alternative Fakten, Pseudo-Terroranschläge, Fake News: Seit Donald
Trump auf die politische Bühne getreten ist, hat sich die Arbeit
der Nachrichtenjournalisten in den USA verändert. Der sogenannte
Faktencheck ist für die Medien wichtiger denn je. Neue innovative
Formate stossen beim Publikum auf ungewöhnlich grosses Interesse.
"Wir schreiben über einen Präsidenten, der eine ganze
Menge falscher Angaben macht", sagt Glenn Kessler, der in seinem "Fact
Checker"-Blog für die "Washington Post" politische Äusserungen
auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Je nach Grad der
Lüge vergibt Kessler bis zu vier "Pinocchios". Im Januar verzeichnete
die Internet-Seite laut Kessler 50 Prozent mehr Besucher als im Oktober
und 15-mal mehr als im Januar 2013.
Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) veröffentlicht
regelmässig Faktenchecks zu politischen Themen. In der vergangenen
Woche stellte die AP erstmals eine Reihe umstrittener Aussagen
zusammen unter der Überschrift "A week's supply of baloney", frei
übersetzt: "Der Quatsch der Woche".
Auch die Äusserungen von Trump-Beraterin Kellyanne Conway über
das angebliche "Bowling-Green-Massaker" unterzog die AP einem Faktencheck.
Der Text war am vergangenen Freitag der am häufigsten gelesene
Beitrag auf APNews.com. Am Montag interessierten sich die Nutzer gemessen
an der Verweildauer am meisten für eine AP-Story, die sich mit
Trumps Vorwurf beschäftigte, die Medien würden zu wenig
über Terroranschläge berichten.
AP-Vizepräsident John Daniszewski beobachtet ein grosses Interesse
an dieser Art der Berichterstattung: "Die Leute erwarten von einem
knallharten Journalisten eine unabhängige Einschätzung
darüber, ob eine Geschichte wahr, gelogen oder irgendetwas dazwischen
ist."
Für viele Medien gehört der Faktencheck inzwischen zum
Alltag. Die "New York Times" titelte unlängst: "Das Weisse Haus
verbreitet #alternative Fakten# - hier sind die wahren." NPR (National
Public Radio), ein Zusammenschluss öffentlicher Hörfunksender,
kommentiert Äusserungen aus Reden oder Debatten. Der Fernsehsender
CNN korrigiert falsche Aussagen mit Hilfe von Grafiken. Und Scott
Pelley, Chefmoderator der Abendnachrichten des Fernsehsenders CBS,
sprach nach einem Bericht über Trumps Medienschelte am Montag von
"realitätsfernen Präsidenten-Statements".
Normalerweise treten Faktenchecks in den Hintergrund, wenn der Wahlkampf
vorüber ist. Diesmal nicht. Im Gegenteil: "Wir haben in den
nationalen Nachrichtenmedien ein unglaubliches Ausmass an Faktenchecks
in einer Phase, in der das früher unüblich war", sagt Bill
Adair, Professor an der Duke University und Mitgründer der Website
PolitiFact.com. "Das hat schon immer zu unserer Aufgabe gehört,
aber jetzt ist es wichtiger geworden", erklärt NPR-Chefredaktor
Michael Oreskes. Anders als früher sei die Einschätzung des
Wahrheitsgehalts einer Aussage kein Nebenaspekt mehr, sondern "in gewisser
Weise ist das die Geschichte", sagt Oreskes.
Und auch in anderen Medien werden Faktenchecks eher intensiviert
als zurückgefahren. Die "Washington Post" will laut Kessler
künftig auch mit Videos arbeiten. Die "New York Times" denkt
über die Einrichtung einer eigenen Faktencheck-Redaktion nach. Die
AP kooperiert mit Facebook, damit zweifelhafte Beiträge auf der
Social-Media-Plattform als solche gekennzeichnet werden.
Abzuwarten bleibt, inwiefern sich dies alles in der öffentlichen
Meinung niederschlägt. Anders gefragt: Halten diejenigen, die den
Medien insgesamt misstrauen, Faktenchecks für glaubwürdig? "Es
gibt einen Unterschied zwischen Fakten und Wissen", sagt der Direktor
des Instituts der Amerikanischen Presse (API), Tom Rosenstiel. "Ich kann
dir sagen, deine Fakten sind falsch, und trotzdem ändert das nichts
an deiner Überzeugung."