Kritik an Fehrs Vergleich mit Germanwings-Absturz
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SP-Justizdirektorin Jacqueline
Fehr erinnert der Fall Kuster an den Germanwings-Piloten, dessen
Gefährlichkeit man auch falsch eingeschätzt habe. Politiker
finden den Vergleich daneben. Bildstrecke im Grossformat " 1|14 Der
entflohene Häftling Tobias Kuster ist gefasst: Das sagte die
Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP), Vorsteherin
der Direktion der Justiz und des Innern, am Mittwoch, 25. Januar
2017 an einer Medienkonferenz. Bild: Keystone/Ennio Leanza Der
entflohene Häftling Tobias Kuster ist gefasst: Das sagte die
Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP), Vorsteherin
der Direktion der Justiz und des Innern, am Mittwoch, 25. Januar 2017
an einer Medienkonferenz. Er war von der Berner Kantonspolizei am
18. Januar verhaftet worden - durch Zufall. Das Fahndungsbild von
Tobias Kuster: Die Polizei suchte damit nach dem 23-Jährigen. Er
war am 23. Juni 2016 aus seinem ersten unbegleiteten Hafturlaub nicht
in die Strafanstalt Pöschwies ZH zurückgekehrt. Kuster wurde
verdächtigt, das Tötungsdelikt im Seefeld begangen zu haben. Ein
43-Jähriger wurde dort am 30. Juni 2016 auf der Altenhofstrasse am
helllichten Tag erstochen. Der Täter sei über die Bahngeleise
geflüchtet, hiess es. Die Polizei verhaftete kurz darauf einen Mann,
auf den das Signalement passte. Der 25-Jährige trug offenbar wie der
Tatverdächtige beigefarbene Hosen und hatte tätowierte Arme.
Am 22. Juli 2016 bestätigte der zuständige Staatsanwalt Adrian
Kägi gegenüber 20 Minuten, dass der 25-Jährige wieder
freigelassen wurde. Der Tatverdacht habe sich nicht bestätigt.
Der Tatverdacht gegen den verhafteten 25-Jährigen soll laut einer
Kollegin schon bei dessen Festnahme wackelig gewesen sein. Dass er kaum
etwas mit der Tat zu tun habe, sei schon zwei, drei Tage später
festgestanden, behauptet sie. Am Samstag, 2. Juli 2016 machte die Polizei
einen öffentlichen Fahndungsaufruf nach Tobias Kuster. Am Montag,
4. Juli, lud Regierungsrätin Jacqueline Fehr, Vorsteherin der
Direktion der Justiz und des Inneren, zu einem Point de Presse zum Fall
Seefeld und Kuster ein. Den Medien erzählte man damals weiterhin
von zwei dringend Tatverdächtigen. Über den 43-jährigen
Mann, der am 30. Juni auf der Altenhofstrasse getötet wurde,
weiss man bis heute wenig. Unklar ist etwa, ob sich Tobias Kuster,
der zur Tat nun ein Teilgeständnis abgelegt hat, und das Opfer
kannten. Zeugen wollen den 43-Jährigen in der Unterführung
der Altenhofstrasse beobachtet haben. Er soll dort gesessen, geraucht
und ein Bier getrunken haben. Es ist gut möglich, dass er auf
jemanden wartete. Laut Anwohnern soll das Opfer in der Nähe gewohnt
haben. Am Tatort wurden Blumen für den Mann niedergelegt.
Er ist gefasst: Der seit Ende Juni international gesuchte Straftäter
Tobias Kuster, der im Zürcher Seefeld während eines
Hafturlaubs an der Tötung eines 42-jährigen Mannes beteiligt
gewesen sein soll, wurde am 18. Januar im Kanton Bern verhaftet. Die
Zürcher Justizdirektion informierte darüber am Mittwoch in
einer kurzfristig einberufenen Medienkonferenz. Umfrage Was sagen Sie
zum Germanwings-Vergleich?
An dieser lobte Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) nicht nur die
Arbeit der Einsatzkräfte, sie sagte auch, dass sie der Fall
"persönlich oft an den Germanwings-Absturz" erinnere. Bei diesem
steuerte ein Pilot das Flugzeug im März 2015 absichtlich in einen
Berg - alle 150 Insassen starben.
"Auch dort waren zuvor Fachleute und Psychologen involviert", sagte
Fehr mit Blick auf den Hafturlaub von Kuster und die damit verbundene,
falsch eingeschätzte Fluchtgefahr. "Doch all die Kontakte lieferten
keine Hinweise auf die Gefährlichkeit des Täters." Nach der
Tat hätten sich die Elemente zusammengefügt und dieser Pilot
sei plötzlich in ganz anderem Licht erschienen.
Diesen Vergleich hält Thomas Vogel, FDP-Fraktionschef im Kantonsrat
und selber Jurist, für "ausgesprochen unglücklich". Er sagt:
"Bei Piloten geht man ja nicht per se von einer Gefährlichkeit aus,
anders bei Tobias Kuster - bei ihm handelt es sich um einen mehrfach
vorbestraften Straftäter."
Sie habe wohl zum Ausdruck bringen wollen, dass die Einschätzung der
Psyche keine exakte Wissenschaft sei: "Daran wird sich auch nie etwas
ändern - es bleibt ein Restrisiko." Zudem fusse unser Strafrecht
auf der Resozialisierung von Gefangenen. Vogel: "Dazu gehören
auch Hafturlaube. Es dient der Sicherheit der Bevölkerung nicht,
wenn Gefangene unvorbereitet wieder Teil der Gesellschaft werden."
Für SVP-Nationalrat Gregor Rutz gehören
rückfallgefährdete Straftäter per se nicht in den
Hafturlaub: "Dafür trägt der Staat die Verantwortung und das
Schlimme am Fall Kuster ist, dass die Justizdirektorin null Selbstkritik
übt - sie sagt, man habe den Hafturlaub gewähren müssen."
Damit sich dies ändere, sei die SVP auf Kantons- und Bundesebene
mit Vorstössen aktiv.
"Vollkommen absurd" ist laut Rutz der Germanwings-Vergleich: "Jacqueline
Fehr sucht offensichtlich nach Ausreden - ohne ärztliche
Schweigepflicht hätte man ja von der Depression des Piloten
gewusst." Die Zürcher Justizbehörden hingegen hätten sehr
wohl über Kuster Bescheid gewusst - durch Gutachten.
Auch Kommunikationsexperte Marcus Knill findet: "Der Vergleich
hinkt und ist weit weg von Gut und Böse - so etwas darf einer
Regierungsrätin nicht passieren." Der Pilot habe sich nach
aussen nichts anmerken lassen und seine Gefährlichkeit sei erst
im Nachhinein erkannt worden - das könne man von Tobias Kuster
nicht behaupten.
"Bei den nachträglichen Interviews wirkte Jacqueline Fehr
angespannter, unsicherer und ängstlicher als zuvor im Plenum,
als sei in ihrer Direktion ein Fehler passiert", so Knill. Zugute halten
müsse man ihr aber, dass sie betont habe, es werde alles unternommen,
um das Risiko bei solchen Hafturlauben künftig zu minimieren.