Seit Freitag zieht das Dschungelcamp wieder Millionen Zuschauer vor den
Bildschirm. Es ist die 11. Staffel.
Wikipedia.
Was sind wohl die Gründe?
Persoenlich blog:
Im Bereich der Unterhaltungsshows kommt niemand an "Ich bin ein Star -
Holt mich hier raus" heran. Sieben Millionen Zuschauer erreichte die
stärkste Folge im Januar 2016.
Das Erfolgsrezept des Ekel-Formats ist ganz einfach: Es spricht die
niederen Instinkte des Zuschauers an. Die Konsumenten können
sich darüber lustig machen, wie sogenannte Prominente (zweiter
und dritter Klasse), welche nach Publicity lechzen, an zähen
Känguru-Penissen herumwürgen und dabei den hämischen
Kommentaren der Moderatoren ausgesetzt werden. Schadenfreude ist
bekanntlich die reinste Freude.
Die Beliebtheit des Dschungelcamps hat aber noch einen zweiten Grund:
Die Sehnsucht nach ehrlichem Fernsehen. Wer einen halben Liter
Kotzfrucht-Shake trinken muss oder in einer Schlangengrube versucht
nach einem Stern zu angeln, der kann sich nicht mehr verstellen. Der
angebliche "Star" verhält sich zumindest in diesem Moment echt. Und
Menschen, die im Fernsehen mit echten Situationen konfrontiert werden,
sind heutzutage eine Seltenheit, trotz oder gerade wegen der sogenannten
"Reality"-TV-Formate, bei denen Szenen meist gestellt sind. Anders als
andere Reality-Sendungen des so genannten Unterschichtenfernsehens gibt
das Dschungelcamp auch nicht vor, die Grenzen des guten Geschmacks zu
wahren - es ist Trash-TV vom Feinsten und möglicherweise gerade
deswegen auch bei höher gebildeten Zuschauern so beliebt. Kommt dazu,
dass die Zuschauer die Akteure be- oder verurteilen können.
Was bringt eigentlich Menschen dazu, sich zwei Wochen lang die ekligen
Gruselszenen zu Gemüte zu führen? Schon vor Jahren versuchte
ich die Gründe des Zuschauererfolges dieser abstrusen Sendung
zusammenzutragen. Es sind sich Medienfachleute und Psychologen
darin einig, dass das Phänomen Dschungelcamp auf dem Gemisch
folgender Elemente basiert: Nervenkitzel, Unterhaltung, Voyeurismus,
zwischenmenschlichen Schwächen in Stresssituationen, Emotionen, Sex
und seelische Entblössung. Diese Mischung im Pseudodschungelgeschehen
zieht Zuschauer in den Bann.
Trotz Inszenierung kommt es zudem immer wieder zu echten
gruppendynamischen Prozessen. Nach Medienpsychologe Jo Groebel
ist der Zuschauer Bestrafender, Regisseur und Sadist zugleich.
Charaktereigenschaften werden im Camp verstärkt: Aggressive Menschen
werden beispielsweise noch aggressiver. Für die Konsumenten
in der gemütlichen Stube ist es besonders faszinierend, wenn
angekündigt wird, was die Kandidaten essen und trinken müssen
und dann Maden, Raupen oder Hoden serviert werden. Nach Groebel macht der
"Kino im Kopf" die ganze Sache so eklig. Das Ekelgefühl ist nach
britischen Wissenschaftler eine List der Evolution, um die Menschen vor
Infektionen zu warnen.
Ekel führt zu körperlichen Reaktionen, denen wir uns kaum
entziehen können: Fäkalien, Erbrochenes, Schweiss, Speichel,
Eiter, Wunden, Leichen, abgeschnittene Zehennägel, verwesendes
Fleisch, Maden, Schleim, Läuse - das Spektrum von Dingen, vor
denen sich Menschen ekeln, ist sehr breit. Doch nahezu überall auf
der Erde werden ähnliche Dinge als ekelhaft empfunden, und auch
die körperliche Reaktion ist in praktisch allen Kulturen gleich:
Der Blutdruck fällt ab. Es entsteht Brechreiz und die Menschen
zucken instinktiv zurück. Wir können uns Ekelgefühlen wie
Ängsten kaum entziehen. Dennoch sucht der Mensch diese Gefühle
zu überwinden. In Märchen, beim Kasperlitheater auf der
Geisterbahn, später bei Horrorfilmen haben die Menschen schon seit
früher Kindheit gelernt, den Kitzel der Angst zu geniessen.
"Bild" bezeichnete Dschungelcamp einmal als obszön und schrieb, diese
Sendung sei ein Angriff gegen die Menschlichkeit.Die Sendung "Ich bin
ein Star - Holt mich hier raus" appelliere an die niederen Instinkte.
Aus psychologischer Sicht würden voyeuristische und sadistische
Bedürfnisse befriedigt. Ein Kommentator fragte sich sogar, ob solche
Sendungen nicht die Kulturlosigkeit unserer Gesellschaft beeinflussen.
Denn, wenn sich Millionen an solchen Formaten begeilen, könnte dies
zu einem Niveauverlust führen. Die Einschaltquote dürfe nicht
oberster Massstab sein. Wenn die Menschenwürde verletzt werde,
so müssten Grenzen gesetzt werden, obwohl die "Opfer" dieser Show
genau wüssten, worauf sie sich einlassen.
Fazit: Das Format vereint zahlreiche klassische Unterhaltungselemente.
Das Geheimnis des Erfolgs liegt vor allem darin, dass das
Dschungelcamp-Menü aus perfekt inszenierten Grund-Zutaten besteht,
gemischt mit einer Prise Dynamik und Glück.