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www.rhetorik.ch aktuell: (04. Dez, 2016)

Wahlen in Oesterreich

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Wieder eine Protestwahl gegen das Establishment: 20 Min:
Das Resultat der Bundespräsidentenwahl in Österreich war sehr viel schneller bekannt, als man angenommen hatte. Sind Sie überrascht?
In dieser Höhe ist das definitiv überraschend. Ich glaube, dass die Österreicher hier mit Vernunft gewählt haben. Ich denke, es war ganz entscheidend, dass Norbert Hofer bei der letzten TV-Debatte ein sehr aggressives Gesicht gezeigt hatte. Ein Gesicht, das seiner politischen Ideologie und Meinung entsprochen hat. Das wollten die Österreicher nicht akzeptieren. Und es war auch eine Quittung für das Vorgehen der FPÖ in den letzten Monaten. InfoboxGilbert Casasus ist Direktor des Zentrums für Europastudien an der Universität Freiburg.
Nach der Wahl Donald Trumps schien der Populismus auf dem Vormarsch. War hier ein Anti-Trump-Effekt zu spüren?
Da muss man vorsichtig sein. Man kann das Geschehen in den USA nicht eins zu eins auf Europa übertragen. Aber nach dem Brexit und der Wahl Trumps hat es wohl schon einen Gegeneffekt gegeben. Gut möglich, dass ein Umdenken - wenn auch erst ganz klein - eingesetzt hat, dass das europäische Modell gar nicht so schlecht ist. Es gibt zwar eine Krise der Demokratie in Europa aber der Weg von Trump und anderen Populisten ist noch viel schlechter.
Nun stehen Wahlen in Frankreich und Deutschland bevor. Taugt diese Wahl in Österreich als Stimmungsbarometer dafür?
Stimmungsbarometer geht vielleicht etwas zu weit. Aber es ist eine Indizwahl. In Frankreich und Deutschland wurde die Wahl sicher sehr genau verfolgt und analysiert. Die Wahl von van der Bellen wird den gemässigten Kräften in beiden Ländern sicher Auftrieb geben.
Kann die EU nach diesem Resultat aufatmen?
Ein Aufatmen würde ich das nicht nennen. Vielleicht ein kleines Durchschnaufen im Sinne von: "So schlimm, wie man befürchtet hat, ist es nicht gekommen." Aber EU-Politiker sind sicher gut beraten, daraus jetzt nicht zu grosse Schlussfolgerungen ziehen zu wollen. Die Wahl Trumps hat Hofer nicht begünstigt und genauso wenig wird die Wahl van der Bellens jemanden in Frankreich oder Deutschland begünstigen. Aber es ist sicher ein gutes Zeichen für die europäische Demokratie.
In den Umfragen lag zuletzt Norbert Hofer immer knapp vorne. Wie zuletzt auch in anderen Ländern, ist das Resultat an der Urne ein anderes. Woher kommt diese Häufung?
Die Wähler in Europa akzeptieren es nicht mehr, dass man ihnen schon vor der Wahl oder Abstimmung quasi das Resultat bekannt gibt. Sie sagen: "Wir lassen uns nicht von Medien oder Umfragen sagen, wie wir abzustimmen haben und machen erst recht das Gegenteil." Die Bürger lassen ihre Entscheidung nicht mehr von Umfragen beeinflussen.
Das Amt des Bundespräsidenten hat sehr beschränkte politische Möglichkeiten. Wird sich überhaupt etwas ändern an der Politik in Österreich?
Es hat sich seit Mai bis heute schon etwas geändert. Die Menschen haben realisiert, dass van der Bellen das liberale, pluralistische, demokratische Österreich verkörpert. Nur so konnte er drei Prozentpunkte dazu gewinnen. Die Wahl zeigt das Bedürfnis nach etwas Neuem. Es ist eine Protestwahl gegen die grosse Koalition, gegen die etablierten Parteien. Es ist aber auch die Wahl der Vernunft. Van der Bellen ist beides: neu und vernünftig. Es zeigt, dass sich die politischen Verhältnisse, die bisher einfach durch links-rechts definiert waren, entscheidend verändern. Es ist ein politisches Erdbeben im Gang.
Es gab am Wahltag einige Ungereimtheiten in Österreich. Was sagt das über das Land aus?
Das gehört zu den Aspekten der schlechten Art und Weise, wie in Österreich zuletzt Politik gemacht wurde. Diese Art, wie in den letzten Jahren politisiert wurde, ist heute bestraft worden. Die Leute sind nicht mehr bereit jeden Quatsch zu glauben. Man kann dem österreichischen Wahlvolk heute ein grosses Lob aussprechen. Dass die Aggressivität Hofers bestraft wurde, ist ein Zeichen politischer Reife.

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