17 Gemälde aus der Sammlung des Reiss-Engelhorn Museums
sind zwischen 1660 und 1900 gemalt worden. Sind die Bilder nun gemeinfrei?
Ein Langer Streit zwischen einem Wikipedia Autor und den Museum ist
nun enschieden worden.
Die von einem Museumsfotografen aufwändig erstellten Fotografien der
Gemälde nach dem Urheberrecht einen eigenständigen Schutz als
Lichtbilder. Das ist noch verständlich. Mehr fraglich ist der
Entscheid, dass Fotos die vom Wikipedia-Autor selbst erstellt worden sind,
unzulässig sind. Das Museum darf alleine darüber entscheiden, wer
Fotos von Ausstellungsgegenständen ins Netz stellen darf - sofern
das Museum auch das Eigentumsrecht an den Gegenständen besitzt.
Die Geschichte wurde auf zwei Heise Artikeln behandelt:
Heise:
Nachdem die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen die Betreiber der
Online-Enzyklopädie Wikipedia im Sommer vergeblich abgemahnt hatten,
geht der Streit nun vor Gericht. Wie Wikimedia Deutschland berichtet,
ist die Klage inzwischen bei dem Berliner Verein und der Wikimedia
Foundation eingetroffen. Gegenstand des Rechtsstreits sind Bilder mehrerer
historischer Gemälde, die 2006 von einem deutschen Wikipedia-Nutzer
in die Multimedia-Datenbank Wikimedia Commons hochgeladen wurden -
darunter ein bekanntes auf 1862 datiertes Porträt Richard Wagners,
das von Cäsar Willich gemalt worden war.
Wie die Anwälte der Stadt Mannheim ausführen, ist das
ausstellende Museum in der Vergangenheit vielfach erfolgreich gegen die
Nutzung der Bilder vorgegangen - so hatte eine New Yorker Bildagentur
das Wagner-Motiv im Internet zum Kauf angeboten. Ein anderer Anbieter
hatte das Porträt auf Souvenirs gedruckt, die aus Sicht des Museums
unpassend waren. Das Museum beansprucht ein Recht an den Fotografien
der Bilder, die 1992 von einem angestellten Museumsfotografen für
einen Sammelband erstellt worden war. Die historischen Originale sind
hingegen gemeinfrei. Landgericht Köln sieht Urheberrechtsschutz
In der Klage vor dem Landgericht Berlin fordern die Anwälte nun,
dass die Wikimedia Foundation die Bilder löschen muss und Wikimedia
Deutschland vom Gericht angewiesen werde, von der Domain Wikipedia.de
nicht mehr auf die betreffenden Bilder weiterzuleiten. Die Kläger
gehen dabei mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln vor:
So verklagten sie parallel auch den Wikipedia-Autor, der die Bilder
hochgeladen hatte.
Verschiedene Nachnutzer, die das Bild aus der Wikipedia übernommen
hatten, bekamen ebenfalls teure Post von Anwälten der Stadt. Das
Museum hatte bereits im Mai einen Beschluss des Landgerichts
Berlin erreicht, wonach die in Frage stehenden Fotografien noch
Urheberrechtsschutz geniessen. Allerdings fielen die Bilder nicht unter
den vollen Schutz von "Lichtbildwerken", der sich bis 70 Jahre nach
dem Tod des Fotografen erstreckt, sondern nur auf die Regelung für
"Lichtbilder", die nach aktueller Gesetzgebung bis zu 50 Jahre nach der
Veröffentlichung geschützt sind und keine eigenständige
gestalterische Leistung voraussetzen.
Dieser Interpretation widersprechen die Wikipedia-Betreiber. Sie halten
die Bilder nach wie vor online und vertreten die Auffassung, dass die
originalgetreuen Digitalisate keine neuen Urheberrechtsansprüche
begründen können. "Schutzfristen sind allein dadurch
legitimiert, dass sie enden", erklärt Christian Rickerts, der
geschäftsführende Vorstand von Wikimedia Deutschland, in
einem Blogeintrag.
Dem Mannheimer Museum wirft er eine "Fristverlängerung durch die
Hintertür" vor. Die Erstellung der Fotografie sei ein technischer
Akt, keine kreative Leistung. "Es kann auch eine zeitintensive und
aufwändige Arbeit sein, ein Modellauto aus einem Bausatz zu
basteln. Und trotzdem entstehen bei dieser Art der originalgetreuen
Reproduktion keine neuen Urheberrechte", schreibt Rickerts. Die Wikimedia
Foundation äussert sich ähnlich und verweist auf die gute
Zusammenarbeit mit anderen Museen, die die von ihnen verwahrten Werke
freiwillig unter freien Lizenzen veröffentlichen.
Es ist nicht der erste Streitfall dieser Art. Bereits 2009 hatte die
Londonder National Portrait Gallery die Löschung von Bildern
historischer Porträts aus der Wikipedia verlangt, scheiterte aber
am Widerstand der Wikipedianer.
[Update 25.11.2015 - 7:30 Uhr] Wie die Rechtsanwaltskanzlei Hoesmann
berichtet, scheiterte das Mannheimer Museum bereits Ende Oktober
vor dem Amtsgericht Nürnberg mit einer Klage wegen Verwendung
des Wagner-Porträts. Das Gericht wertete die Bemühungen
des Museums als unzulässige Verlängerung der gesetzlichen
Schutzfristen. Entscheidend für die Klageabweisung war, dass das
Museum Besuchern die Anfertigung eigener Fotografien verbietet. "Obwohl
es sich bei dem abfotografierten Gemälde um ein gemeinfreies
Werk handelt, ist es dabei letztlich dem betrachtenden Publikum nicht
möglich [..] das genannte Gemälde zu nutzen oder zu eigenen
Zwecken unentgeltlich widerzugeben", heisst es in der heise online
vorliegenden Urteilsbegründung.
Neu:
In einem seit einem Jahr andauernden Rechtsstreit mit Wikipedia haben die
Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen einen Erfolg erzielt: Das Landgericht
Stuttgart entschied in einem nun bekannt gewordenen Urteil, dass das
Museum alleine bestimmen kann, wer Fotos von Ausstellungsgegenständen
veröffentlichten darf. Das Gericht bestätigte eine Meldung
der Berliner Kanzlei Müller Müller Rössner gegenüber
der Nachrichtenagentur dpa.
In dem Streit geht es unter anderem um 17 Gemälde aus der Sammlung
des Museums, die zwischen 1660 und 1900 entstanden waren und deshalb
nach dem Urheberrecht als gemeinfrei gelten. Der Wikipedia-Autor hatte
die Bilder in einem Sammelband entdeckt, eingescannt und auf Wikimedia
Commons als gemeinfreie Werke veröffentlicht. Dagegen war das
Museum vorgegangen, weil es mit den Bedingungen der Wikipedia-Lizenz
nicht einverstanden war. So erlaubt die Online-Enzyklopädie
ausdrücklich die kommerzielle Verwendung der Bilder. Nach
Veröffentlichung war insbesondere ein Porträt des Komponisten
Richard Wagner von 1862 als Motiv auf Merchandise-Artikeln aufgetaucht.
Das Landgericht Stuttgart entschied nun - wie schon zuvor das
Landgericht Berlin - dass die von einem Museumsfotografen aufwändig
erstellten Fotografien der Gemälde nach dem Urheberrecht einen
eigenständigen Schutz als Lichtbilder geniessen. Auch Fotos,
die der Wikipedia-Autor in den Räumen des Museums selbst erstellt
hatte, seien unzulässig. Nach dem Urteil darf allein das Museum
darüber entscheiden, wer Fotos von Ausstellungsgegenständen
ins Netz stellen darf - sofern das Museum auch das Eigentumsrecht an
den Gegenständen besitzt.
"Wir möchten betonen, dass wir grosse Sympathie für das Projekt
Wikipedia haben", kommentierte Alfried Wieczorek, Generaldirektor
der Reiss-Engelhorn-Museen, das Urteil. Dennoch könne man nicht
hinnehmen, dass ein einzelner Wikipedia-Autor eigenmächtig
entscheide, welche Kulturgüter weltweit zur gewerblichen Nutzung
verfügbar gemacht werden.
Der Streit ist damit aber noch nicht beendet. So geht die Wikimedia
Foundation gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vor, das
die Veröffentlichung der eingescannten Bilder ebenfalls als
unzulässig bewertet hatte. Die Stiftung ist der Auffassung, dass
das Museum über den Umweg des Lichtbildschutzes den Urheberschutz
gemeinfreier Werke unzulässig verlängere.
Dieser Auffassung hatte sich im vergangenen Jahr auch das Amtsgericht
Nürnberg angeschlossen. Die in Frage stehenden Bilder bleiben in
der Wikipedia vorerst online - allerdings mit einem Warnhinweis. (kbe)
Quelle