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www.rhetorik.ch aktuell: (14. Mai, 2016)

Jositschs Durchsetzungstechniken

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Ständerat Daniel Jositsch dominierte an der zweiten Arena Debatte über die Durchsetzungsinitiative. Es ist aufschlussreich, seine rhetorischen Werkzeuge genauer zu betrachten. Erstaunlich, mit welchen bewährten, zum Teil fragwürdigen Taktiken er sich in der hitzigen Auseinandersetzung immer wieder Oberwasser erkämpfen konnte.


1. Unterbrechungen Zuerst unterbricht Moderator Projer den stellvertretenden Chefredaktor der Weltwoche Gut, als er das Wort "Täterschutzklausel" nennt. Es folgt die Einspielung über den neuen Begriff der SVP für das Wort " Härtefallklausel". Der Moderator gibt hernach Gut das Wort zurück, der aber sofort von Jositsch unterbrochen wird mit den Worten: "Ist Ihnen aufgefallen, dass..." Gut spricht trotz dieser Unterbrechung weiter. Es gelingt aber Jositsch, mit der Technik "ICH GEBE IHNEN RECHT", den Gegner erfolgreich zu unterbrechen. "Ich gebe Ihnen recht. Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass das Gesetz das Sie kritisieren noch gar nicht angewendet werden kann?" Die Unterbrechungstaktik wird hier noch mit einer Fragetechnik gekoppelt. Jositsch gelingt es immer wieder, den Gegnern ins Wort zu fallen. Wird er aber selbst unterbrochen, dreht er sofort den Spiess um und massregelt den Unterbrecher. So gelingt es ihm, die Unterbrecher zu stoppen. Jositsch beherrscht Stoppsignale, wie: "Darf ich auch einmal ausreden?" oder mit einem Vorwurf, wie: "Herr Gut, in einer Demokratie ist es üblich ... " Jositsch stoppt Unterbrecher erfolgreich, indem er die Situation beschreibt: "Sie unterbrechen mich schon wieder." Er nutzt Stoppsignale, wenn er selbst unterbricht ("Falsch...." oder "das stimmt nicht!" oder zeigt nonverbal sein Nichteinverständnis). Bei der Unterbrechungstaktik dominiert Jositsch. Falls aber ein Gegner versucht, Behauptungen oder Unwahrheiten mit Zwischenrufen zu korrigieren, bezeichnet er dies als Niederschreien des Gegners. Im zweiten Teil der Sendung reden alle durcheinander. Es herrscht Chaos. Für Gegner der Initiative ist dies ein Beweis, dass die SVP nicht zuhören kann. Jositsch hat diesen Eindruck geschickt vorgespurt, indem er die eigenen Unterbrechungen stets kaschieren kann.

2. Wiederholungen: Jositsch wiederholt seine Kernbotschaft bei jeder Gelegenheit: Bei der Durchsetzungsinitiative gebe es ja gar keine Möglichkeit, die Ausschaffungsinitiative umzusetzen, denn das Gesetz zur Umsetzung sei ja gar noch nicht in Kraft. Beispiele der Wiederholungstaktik sehen sie auch bei anderen Antworten.

3. Struktur Jositsch nutzt die Analogie Selbstschussanlage und verankert damit seine fragwürdige Behauptung: Es gehe NUR um Bagatellfälle, obschon nach dem Wortlaut der Vorlage das NUR nicht erwähnt wird.

4. Nonverbale Reaktionen Wenn Gut oder Amstutz sprechen, zeigt Daniel Jositsch immer wieder deutliche nonverbale Signale des Negierens . Er weiss, dass jeder Kameramann solche Reaktionen aufnimmt und diese attraktiven Sequenzen eingeblendet werden, wenn der Gegner spricht. Damit gelingt es ihm, die Zuhörer von der Aussage des Kontrahenten abzulenken und dessen Argument überhören zu lassen.

5. Lenkungstechniken Nach einem ausführlichen, einleuchtenden Votum eines Befürworters, übernimmt Jositsch sofort den Part mit der Formulierung: "Dabei ist ganz wichtig, dass wir beachten, dass die Ausschaffungsinitiative angenommen worden ist. Da werden ja bereits kriminelle Ausländer ausgeschafft. (Dann lenkt Jositsch zu seiner Kernbotschaft) Wenn man dieses Gesetz in Kraft setzen könnte, würden Sie sehen, dass dies auch gemacht wird. Der einzige Unterschied ist die Härtefallklausel .Es geht nicht um Mörder, sondern es geht um Ausnahmen .z.B. um einen Secondo, der eine leichte Straftat gemacht hat. Den will man nicht ohne Klärung ausweisen." Bei diesem Votum ist zugleich eine AUSKLAMMERUNGSTAKTIK versteckt: Es wird ausgeklammert, dass der Secondo vor der sogenannten Bagatelle vorgängig schon einmal verurteilt worden sein muss und nur bei einer zweiten Verurteilung ausgeschafft würde. 6. Rechtgebens Dies ist eine bewährte Methode, um zu beschwichtigen. Durch das Entgegenkommen kann man auch problemloser unterbrechen. Denn der Gegner ist eher bereit zuzuhören, weil er sich freut sich, dass er doch recht hat. Ein Zuschauer unterstützt die Durchsetzungsinitiative, weil nach seinem Dafürhalten Täter erst dann das Land verlassen müssen , wenn sie mehrfach "Mist gebaut" haben. Die Verurteilen hätten ja ganz genau gewusst, dass es dann ernst gilt. Jositsch unterbricht den Redner: "Da haben sie recht. Die Ausschaffungsinitiative wurde ja angenommen und der Täter würde ja ausgeschafft. Aber man müsste sie nur in Kraft setzen können. Sie würden dann sehen, dass es so geschieht, wie sie es gemeint haben." In dieser Antwort ist noch eine AUSKLAMMERUNG versteckt. Der Zuschauer hat nicht von der Ausschaffungsinitative gesprochen, sondern von der Durchsetzungsinitative. Jositsch klammert das aus und deutet damit seine Aussage geschickt um. Verbunden mit den Taktiken des "RECHT-GEBENS" und der AUSKLAMMERUNG handelt es sich bei dieser Replik ebenfalls um eine UMDEUTUNGSTAKTIK. Ständerat Jositsch gelingt es, den Journalisten Gut ein zweites Mal zu unterbrechen: "ICH GEBE IHNEN RECHT. Sie können keine Gerichtspraxis kennen, die noch nicht in Kraft ist. Wenn sich die Richter nicht ans Gesetz halten, würden sie dies ja auch nach der Durchsetzungsinitiative nicht tun. Was ich ihnen absprechen muss: Sie haben ein fundamentales Problem mit einem Rechtsstaat." Nachdem eine Befürworterin der Durchsetzungsinitiative von Kuscheljustiz spricht und ihren Aengsten vor Gewalttätern nutzt Jositsch eine Variante des RECHT GEBENS: Taktik des Verstädnis zeigens. Er sagt: "ICH VERSTEHE DAS SEHR GUT. Das ist auch der Grund, warum die Ausschaffungsinitiative angenommen worden ist. Weil Leute ein gewisses Unbehagen haben. Die Ausschaffungsinitiative wurde umgesetzt (bei schweren Straftaten usw.). Die Täter werden nach dem Gesetz ausgeschafft, das konnte leider noch nicht in Kraft gesetzt werden. (Damit wiederholt Jositsch erneut seien Kernbotschaft (WIEDERHOLUNGSTAKTIK) und sagt implizit, das Gesetz kann nicht angewendet werden, weil die SVP die Durchsetzungsinitiative lanciert hat) Der einzige Unterschied ist, ich betone es noch einmal (WIEDERHOLUNGSTAKTIK): Es gibt Ausnahmefälle bei geringfügigen Delikten, wenn eine Ausweisung übertrieben ist. Der Richter kann ausnahmsweise eine Wegweisung verhindern.. Das steht in der Härtefallklausel."

7. Auf die Person des Gegners schiessen: Amstutz zitiert eine zurückliegende Aussage Jositschs. Er habe damals eindeutig gesagt, es sei ein Mangel, dass es keinen Unterschied zwischen Schweren und mittelschweren Taten gebe. Heute streite er diese Aussage ab. Ständerat Jositsch: "Ich finde Herr Amstutz hat Fähigkeiten, die wenig Menschen haben. Es sieht in die Zukunft uns liest Gedanken anderer Menschen. (Nach diesem Einschub gegen die Person folgt eine LENKUNGS- kombiniert mit einer WIEDERHOLUNGSTAKTIK) Wenn nun Herr Amstutz sagt, das werde nicht richtig umgesetzt, dann behauptet er etwas, was er gar nicht wissen kann. Das Gleiche könnte man auch bei der Durchsetzungsinitiative sagen. Sie werde nicht umgesetzt. Ich habe im BLICK klipp und klar gesagt, ich stehe hinter der Härtefallklausel. Das Einzige, was ich gesagt habe: schwere Fälle, wie Mord ist nicht betroffen. Ich habe gesagt, dass es schöner wäre, wenn dies klipp und klar drin gestanden wäre." Mit diesem langen Votum steht Aussage gegen Aussage. Das Publikum erfährt nicht, ob das Zitat, das Amstutz erwähnt hat, stimmt. Die persönlichen Etikettierung bewirkt, dass das Votum des Gegners weggewischt wird. Daniel Jositsch versteht es übrigens auch im SonnTalk (TeleZüri) sich immer wieder geschickt ins Gespräch zu bringen. Er versteht es mit geschickten Lenkungstechniken seine Botschaft ruhig zu platzieren. Er wirkt nie wie ein militanter Debattierer. So wie beim Skifahren nicht nur Talent und Ausrüstung, sondern auch die Technik sehr wichtig ist, spielt bei Debatten die Technik ebenfalls eine erhebliche Rolle.

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