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Der "Blick" hatte vor kurzem enthüllt, dass der ehemalige Weinbauer
Guy Parmelin sich dafür eingesetzt hatte, dass Landwirte beim Verkauf
von Bauland steuerlich privilegiert werden. Bundesrat Parmelin hätte als Miteigentümer
einer Parzelle in Bursains davon profitierte. Zuerst war Paremlin uneinsichtig,
dann meinte er, dass er einen "politischen Fehler" begannen habe, dass er
es aber vertretbar halte, im Bundesrat nicht in den Ausstand zu treten.
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Bei Politikern können schon kleine Dinge zu einem Problem werden. So musste
der ehemalige Deutsche Bundespräsident Wulff im Jahre 2012
wegen relativ kleinen Dingen zurücktreten: wie bessere Leasing Konditionen
für Autos oder Upgrades für Flüge. Nicht nur finanzielle Dinge, auch Plagiatsaffairen
wie bei Merz, Guttenberg oder Privat Affairen wie bei Clinton,
Berlusconi, Naef oder Patraeus können für Politiker tödlich sein.
Zur Kritik bei Parmelin:
Aus
Watson:
Es ist kurz vor 16 Uhr, als sich gestern die Tür des
Kommissionszimmers 301 im Bundeshaus öffnet. Heraus kommt
Verteidigungsminister Guy Parmelin, der sich soeben den Fragen
einer parlamentarischen Geschäftsprüfungskommission stellen
musste. Vor dem Sitzungszimmer erwarten ihn Kameras, Mikrofone und viele
kritische Fragen.
Lange hält es der Westschweizer Magistrat aber nicht aus. Er
sagt zwei, drei Sätze auf Französisch, dann flüchtet
er über die Wendeltreppe aus dem Bundeshaus. Weg von den Fragen,
weg von der Kritik, raus in die Sonne. Nachdem Parmelin vergleichsweise
fulminant in sein Amt gestartet ist, brennt es in seinem Departement
mittlerweile an mehreren Fronten. Wenig ist übrig geblieben
vom Macherimage, das er in den ersten Wochen nach seinem Antritt
ausstrahlte. Eine Übersicht der wichtigsten Pleiten und Pannen.
Guy Parmelins zurzeit grösstes Problem ist er selbst. Im Raum steht
der Verdacht, dass er im Bundesrat Politik fürs eigene Portemonnaie
gemacht hat. Wie der "Blick" enthüllte, hat sich der ehemalige
Weinbauer diesen Frühling in einem Mitbericht dafür eingesetzt,
dass Landwirte beim Verkauf von Bauland steuerlich privilegiert werden.
Dabei vergass er zu erwähnen, dass er zu diesem Zeitpunkt formell
immer noch Besitzer einer 1366 Quadratmeter grossen Bauland-Parzelle in
seiner Heimatgemeinde Bursins war. Geschätzter Wert: über eine
Million Franken.
Bei einer Pressekonferenz am Freitag zeigte sich Parmelin uneinsichtig
und betonte unablässig, das Grundstück sei rückwirkend
per Anfang Jahr auf seinen Bruder überschrieben worden - doch der
fahle Nachgeschmack bleibt. Die Geschäftsprüfungskommission
des Nationalrates (GPK) will heute entscheiden, welche Konsequenzen sie
aus der Affäre zieht.
Parmelin selber räumte gestern nach der Befragung durch die GPK
in einer kurzen Stellungnahme ein, dass er einen "politischen Fehler"
begangen habe. Im Nachhinein sei man immer schlauer. Juristisch jedoch
hält er seinen Entscheid, im Bundesrat nicht in den Ausstand
zu treten, weiterhin für vertretbar.
NZZ:
Die nichtagrarische Schweiz staunt, mit welcher Souplesse die
Bauernlobby im Bundeshaus am laufenden Band Subventionen und Privilegien
einheimst. Damit nicht genug: Recherchen der Zeitung "Blick" haben am
Freitag Bundesrat Guy Parmelin unter Zugzwang gesetzt.
Der Waadtländer Magistrat muss sich vorwerfen lassen, dass
er im Bundesrat Steuerprivilegien beim Verkauf landwirtschaftlicher
Grundstücke einforderte, von denen seine Familie explizit profitieren
würde. Der Verdacht liegt nahe, dass der einstige Weinbauer Parmelin
politisches Amt und Eigennutz nicht sauber getrennt hat. Magistrale
Unsorgfältigkeiten hinterlassen Spuren. Schaler Nachgeschmack
Es war deshalb gewiss nicht falsch, dass der Verteidigungsminister
gleichentags vor die Medien trat, um sich in Selbstverteidigung
zu üben. Soweit ersichtlich, ist Parmelins Verhalten nicht
als skandalös zu beurteilen, zumal er seinen Besitz am Genfersee
rückwirkend auf Anfang Januar 2016 an den Bruder übertragen hat.
Steuerprivilegien für Bauern Parmelin erklärt ein heikles
Engagement 6.5.2016, 16:26 Verteidigungsminister Parmelin hat sich
wegen seines Einsatzes für ein Steuerprivileg zugunsten der Bauern
gerechtfertigt, bei dem ihm
Einen schalen Nachgeschmack hinterlässt die Causa
trotzdem. Von Magistratspersonen wird erwartet, dass sie das Wohl der
Gesamtbevölkerung vertreten, nicht Partikularinteressen. Das gilt
erst recht, wenn es um Anspruchsgruppen geht, denen die Magistraten
selber nahestehen. Winzer Parmelin muss sich den Vorwurf gefallen lassen,
dass er beim bäuerlichen Bodenprivileg mit beiden Füssen in
den vor ihm postierten Fettnapf getreten ist.
Das unkluge Verhalten Parmelins ist zudem nicht kompatibel mit der Art
und Weise, wie er als neuer Verteidigungsminister auftritt. Kaum im Amt,
ergriff er Schaufel und Besen, als müsste er einen Augiasstall
ausmisten. Er gab früh bekannt, dass er einen neuen Armeechef
suche. Fast gleichzeitig zog er beim Beschaffungsvorhaben für ein
bodengestütztes Luftverteidigungssystem (Bodluv) die Reissleine.
Über die Gründe dieser von Indiskretionen und Rankünen
befeuerten Causa schwieg sich der Verteidigungsminister aus. Sein
Amtsvorgänger Ueli Maurer rieb sich verwundert die Augen. Das
quittierte Parmelin mit dem Hinweis, er habe triftige Gründe gehabt,
das Rüstungsprojekt zu sistieren. Lobbying zugunsten der Bauern
Seither wird departementsintern untersucht, weiter intrigiert, über
Lecks und unklare Abläufe spekuliert. Die ersten hundert Amtstage des
neuen SVP-Bundesrats waren spektakulär. Guy Parmelin hat viel Applaus
erhalten, weil er als Mann mit starker Hand auf den Plan getreten ist.
Das hat allerdings seinen Preis: Im Verteidigungsdepartement wuchert das
Misstrauen. Dass der Saubermann selber nicht nur blitzsauber agiert,
wie sein Lobbying zugunsten der Bauern belegt, ist jedenfalls keine
vertrauensbildende Massnahme.
Aus dem
Blick:
Millimeter um Millimeter rückte Verteidigungsminister Guy
Parmelin in den letzten Tagen von seiner Position ab, in der
Bauland-Affäre nichts falsch gemacht zu haben. Gestern Nachmittag
kapitulierte er.
Dass er sich im Bundesrat für ein Steuerprivileg einsetzte, von dem
er und seine Familie stark profitieren könnten, halte er juristisch
weiterhin für vertretbar. Dann aber räumte der VBS-Chef ein,
es sei "ein politischer Fehler" gewesen. Kaum gesagt, liess Parmelin die
Medienschaffenden stehen. Ohne Fragen zu beantworten.
Dem Schuldeingeständnis war ein aufreibender Tag vorausgegangen. Am
Mittag meldete sich mit Benjamin Schindler, Rechtsprofessor der
Universität St. Gallen, erstmals ein juristischer Experte zur
Ausstandsfrage zu Wort. Mit glasklarem Verdikt: Da das Steuerprivileg
zu einem direkten finanziellen Vorteil für Parmelin hätte
führen können, wäre der SVP-Magistrat verpflichtet
gewesen, in den Ausstand zu treten. "Umso mehr, als es sich ja um ein
Privileg handelt, das einen kleinen Teil der Bevölkerung betrifft -
im Gegensatz etwa zu einer allgemeinen Steuersenkung."
Am Nachmittag musste Parmelin bei den
Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) von Ständerat und
Nationalrat antraben. Um 14.30 Uhr traf er im Bundeshaus ein. Angespannt,
nervös. Doch die GPK-Politiker liessen den Magistraten und
seinen Stab fast fünf Minuten vor verriegelter Türe warten.
Bauland-Affäre, Spionage-Attacke und Bodluv-Abbruch
Dann wurde der Verteidigungsminister von den Parlamentariern grilliert.
Eineinhalb Stunden lang - 30 Minuten länger als vorgesehen. Nicht
nur wegen der Bauland-Affäre. Mit der Spionage-Attacke auf die Ruag
und dem Abbruch des Beschaffungsprojekts Bodluv hat Parmelin derzeit
weitere Krisenherde.
Hans Stöckli (SP/BE), Chef der ständerätlichen GPK,
erklärte, Parmelin habe sich in der GPK ausführlich zur
Bauland-Affäre geäussert. Es habe viele Fragen gegeben. "Das
Thema wurde sehr seriös behandelt, von uns Politikern wie auch von
Bundesrat Parmelin."
Alfred Heer (SVP/ZH), Präsident der nationalrätlichen GPK, nahm
seinen Bundesrat gestern Abend in Schutz: Die Geschichte sei für
Parmelin dumm gelaufen, der politische Flurschaden gross. "Die GPK muss
sich nun auf die Frage konzentrieren, wie der Bundesrat die Ausstandsregel
grundsätzlich handhabt."
Damit steht auch fest, dass sich Bundesbern weiterhin mit den Folgen
von Parmelins Bauland-Affäre beschäftigen wird. Schon
heute müssen Bundespräsident Johann Schneider-Ammann (FDP)
und Bundeskanzler Walter Thurnherr (CVP) in der GPK Auskunft geben zum
Ablauf der Bundesratssitzung.
Nach verschiedenen Beurteilungen hat Bundesrat Guy Parmelin juristisch
nicht falsch gehandelt. Aber es war ein politscher Fehler. Leider wurde
dieser Fehler zu spät eingeräumt. In einer sich anbahnenden
Krise muss offensiv informiert werden. Gemäss Markus Schefer
hätte Parmelin bei diesem Geschäft wegen der persönlichen
Interessen in den Ausstand treten müssen und den Gesamtbundesrat
über seine Situation ins Bild setzen müssen. Er hätte
diese Situation bis zum Amtsbeginn bereinigen sollen, so wie es Christoph
Blocher vor der Wahl zum Bundesrat mit seinem Unternehmen geschafft
hatte. Die Affaire wurde dann aufgebauscht.
Das Mea culpa Parmelins war richtig, erfolgte aber zu spät.
Wer die Schuld auf sich nimmt, wird in der Regel nachher nicht
mehr zusätzlich belastet. Er nimmt Druck weg.
Parmelin sagte unmissverständlich:
"Ich habe einen Fehler gemacht".
Insofern hat der Bundesrat gut reagiert. Er hat am Anfang auch nicht
geschwiegen, sondern die Situation mit dem Landverkauf transparent
geschildert. Die Geschichte könnte für die Bauern aber noch
negative Folgen haben, indem der Ständerat die Prifilegien welche
der Nationalrat beschlossen hat, wieder rückgängig macht. Damit
hätte der Bauernlobbyst Parmelin mit der Geschichte ein Eigengoal
geschossen.
Was in den letzten Tagen über Bundesrat Parmelin inszeniert wurde,
sprengte natürlich den Rahmen der Verhältnismässigkeit.
Man hat das Gefühl, es werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen.
Wie frühere Beispiele aber
zeigen, können auch relativ kleine Dinge für einen Politiker zu einem
grossen Problem werden. Vor allem, wenn nicht richtig reagiert wird.
Ein extremes Beispiel in der Geschichte des Bundesrats war
Elizabeth Kopp,
der ein Telefonat zu ihrem Mann zum Verhängnis wurde. Sie wurde
zwar später vom Bundesgericht vom Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung
freigesprochen, doch der Skandal hatte sie erledigt.
Vor allem bei Politikern erwartet man absolute
Unbestechlichkeit,
und
Integrität. Wenn da Zweifel auftauchen, dann haben
politische Gegner einen grossen Vorteil. Und die Medien haben eine
Geschichte.
Wir haben unzählbare Beispiele von Fällen verfolgt, wo
"Bagatellen" zu einem Problem geworden sind, vorallem, wenn bei einem
Politiker verschiedene kleine Fälle zusammenkommen oder
medienrhetorisch falsch reagiert wird.