Spiegel:
Dabeisein ist alles? Von wegen: Vielen Eltern geht es nur um den Sieg
ihrer Kinder. Beim Linzer Juniormarathon zogen einige ihre heulenden
Schützlinge über die Ziellinie. Juniormarathon in Linz:
Zieleinlauf mit Kindern Zur Grossansicht FOTO LUI/SPORTMEDIAPICS.COM
An der Hand ihrer Eltern sind in Österreich bei einem Lauf-Wettbewerb
mehrere drei- bis vierjährige Kinder ins Ziel gezerrt worden. Wie
die Wiener Zeitung "Kurier" berichtet, sollten die Kleinen beim
"Juniormarathon" eine rund 40 Meter lange Laufstrecke bewältigen.
Sportfotograf Manfred Binder hielt das Eltern-Kind-Gezerre mit seiner
Kamera fest. Die Kinder seien an den Händen der Eltern einen halben
Meter hoch durch die Luft geflogen, sagte er der Zeitung "Der Standard".
"Da wollten die Eltern gewinnen. Die Kinder haben geweint."
In sozialen Netzwerken wurden seine Fotos bestürzt kommentiert:
"Total falscher Ehrgeiz", "fassungslos" und "da stellen sich mir die
Nackenhaare auf". "Nicht nur im Jugendfussball gibt es Auswüchse",
kommentierte ein Twitter-Nutzer. Erst Mitte Januar hatte es bei
einem Kinderfussballturnier in Hamburg nach einer umstrittenen
Schiedsrichterentscheidung eine Schlägerei gegeben - bei der
Erwachsene gegen Acht- bis Zehnjährige handgreiflich geworden waren.
Es sei nicht das erste Mal, dass es zu solchen Bildern kommt, sagte der
Organisator des Linzer Juniormarathons dem "Kurier": "Leider hat der
übertriebene Ehrgeiz der Erwachsenen von Jahr zu Jahr zugenommen."
Auf Facebook äusserte sich der Veranstalter: "Unser Ziel ist es,
mit dem Juniormarathon die Kinder zum Laufen zu bringen und ihnen Freude
an der Bewegung zu schaffen." Die Platzierung sollte dabei eigentlich
nicht im Vordergrund stehen. "Wir arbeiten allerdings auch hier an einer
Lösung, um allen Kids ein lustiges Lauffest zu bieten."
Ob die Kinderveranstaltung am Rande des Linz-Marathon, an dem am Sonntag
mehr als 20.000 Läufer teilnahmen, auch 2017 stattfindet, ist nach
dieser Debatte offen.
Kurier:
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Kinder, die an der Hand von ihrer
Mutter oder ihrem Vater über eine Laufbahn gezerrt werden. Statt
lachender Kindergesichter, die Spass an der Bewegung zeigen, gab es
Tränen. So geschehen vergangenen Samstag beim Juniormarathon in Linz.
Konkret ging es um die Drei- und Vierjährigen, die eine 40 Meter
lange Strecke zu bewältigen hatten. Das Bild eines Sportfotografen
verbreitete sich am Sonntag rasant in sozialen Netzwerken und sorgte
für grosse Empörung. Die Kommentare dazu reichten von "total
falscher Ehrgeiz", "fassungslos", über "traurig" bis hin zu "da
stellen sich mir die Nackenhaare auf".
Dass das Bild kein einmaliger Schnappschuss war, sondern
bei Kinderläufen regelmässig vorkommt, weiss Ewald
Tröbinger. Er organisiert sei 2002 den Linz Marathon und hat in
den vergangenen 14 Jahren schon viel gesehen. "Es ist leider nicht
das erste Mal, dass wir solche Bilder sehen mussten. Leider hat der
übertriebene und falsche Ehrgeiz der Erwachsenen von Jahr zu Jahr
zugenommen", sagt Tröbinger.
Der Organisator ist selbst Marathonläufer und Vater von drei
Töchtern. Er weiss: "Linz ist leider kein Einzelfall. Eigentlich
müssten die Kinder vor ihren Eltern und Grosseltern geschützt
werden", meint er. Bartosz Schober war mit seinen Kindern selbst vor
Ort und kann der Aussage von Tröbinger nur zustimmen. Er sagt:
"Eltern pushen die Kids zu viel. Sie vergessen, dass es nur um die
Bewegung und den Spass an der Bewegung geht. Leider passiert es bei
sehr vielen Läufen." Mittlerweile würde vor dem Start der
Veranstaltungsmoderator nun extra darauf hinweisen, "die Kinder nicht
über die Laufbahn zu schleifen." Spielerisch mit Spass
"Die Teilnahme an Kinderläufen kann natürlich eine Motivation
darstellen. Allerdings sollte das Dabeisein bei derartigen Veranstaltungen
nicht zu häufig erfolgen", weiss Leichtathletiktrainer Wilhelm
Lilge vom Laufverein team2012.at.
Auch er beobachtet immer wieder, dass Eltern ihr Kind mit Gewalt zum
Erfolg treiben wollen. "Da werden Kinder zum eigenen Lauftraining
mitgeschleppt und meist überfordert, weil die am Anfang
naturgemäss schnelle Leistungsentwicklung den Eltern die scheinbare
Richtigkeit des eingeschlagenen Weges bestätigt", sagt Lilge.
Generell sei seiner Meinung nach davon abzuraten, dass Eltern bei
den Kinderläufen auf der Strecke mit dabei sind. Dazu sagt der
Linz-Marathon-Organisator Tröbinger: "Wir erlauben es bei den
Kleinsten, weil viele ohne Mama oder Papa Angst haben."
Ein Schuss, der wie man sieht, leider oftmals nach hinten losgeht
und in Tränen endet. Für ihn steht fest: "Wir haben in den
vergangenen Jahren überlegt, die Kinderläufe der Drei- und
Vierjährigen deswegen abzusagen. Nun werden wir das Ganze erst
einmal analysieren und dann wird entschieden, ob es nächstes Jahr
nochmals einen Bewerb in dieser Altersklasse geben wird."