In der SRF-Sendung "Arena" wurde letzten Freitag das Thema "Service public"
diskutiert. Weil die Vertreter der "No Billag"-Initiative
keine Einladung bekommen haben, gab die Sendung schon vor der Ausstrahlung zu reden.
SRG:
Sind Unterhaltung und Sport von öffentlichem Interesse? Was mit dem
Begriff "Service Public" gemeint ist, ist umstritten. Und überhaupt:
Könnten Private solche Leistungen nicht ebenso gut erbringen? Im
Jahre 2015 wurde heftige Kritik an der SRG laut. Muss nun gespart werden?
Sollen die Gebühren gleich ganz gestrichen werden, wie es die
Initiative "No Billag" verlangt? Und wie sieht die Alternative der
SRG-Kritiker aus? Jonas Projer lädt am Jahresende zum Dialog in der "Arena":
Natalie Rickli, Nationalrätin SVP/ZH, Präsidentin Aktion
Medienfreiheit Martin Candinas, Nationalrat CVP/GR Roger de Weck,
Generaldirektor SRG Peter Wanner, Verleger AZ Medien, Vorstand
Verband Schweizer Medien
In den Prüfstand gebeten werden:
Natalie Rickli, interviewt von Gast-Moderatorin Esther Mamarbachi
Roger de Weck, interviewt von Gast-Moderator Markus Gilli
"Arena"-Redaktionsleiter Jonas Projer verweist darauf, dass Kessler
bereits in einer Sendung vom Juni zum Service public aufgetreten sei.
"Die #Arena# garantiert Meinungsvielfalt und lädt nicht immer
wieder die gleichen Vertreter von Extrempositionen ein", sagt er zu 20
Minuten. Für Kessler ist sein Auftritt vom Juni jedoch kein Argument:
"Damals kam ich nur zum Zug, weil der ursprünglich eingeladene
SVP-Vertreter krankheitshalber ausgefallen war." Zudem gebe es andere
Gäste, die im Juni aufgetreten und erneut eingeladen seien. Dies
ist etwa bei SRG-Fan und CVP-Nationalrat Martin Candinas der Fall.
Den Vorwurf, SRF wolle die "No Billag"-Initiative totschweigen, weist
Projer als "absurd" zurück. In der Sendung gehe es um den Service
public und die SRG, nicht um die Initiative. "Sonst wäre #No
Billag# selbstverständlich dabei." Mit Rickli, TeleZüri-Mann
Markus Gilli und Verleger Peter Wanner habe man im Übrigen drei der
schärfsten SRG-Kritiker eingeladen. An der Nicht-Einladung für
die "No Billag"-Vertreter halte man fest. Projer: "Wenn die #Arena#
bei jeder Forderung von Aktivisten oder Lobbyisten einknicken würde,
wären wir die Gebührengelder unserer Zuschauer nicht wert."
Die SRG steht für Service Public. Doch wie dieser ausgestaltet sein
soll, ist umstritten. Was soll die SRG leisten und können das private
Anbieter nicht ebenso gut? Über diesen - und viele andere Aspekte -
diskutieren die Gäste der "Arena".
Video ""Arena": Welchen Service Public wollen wir?" abspielen
"Arena": Welchen Service Public wollen wir? In diesem Jahr geriet die
SRG von verschiedenen Seiten in die Kritik. Knapp sagte das Stimmvolk
ja, zum neuen Radio- und Fernsehgesetz (RTVG), das künftig die
Pro-Kopf-Gebühren senkt, sie dafür für alle obligatorisch
macht. Die Initiative "No Billag" verlangt nun gar, dass die Gebühren
komplett gestrichen werden. Dieser Link öffnet das Video in einem
neuen Fenster.: Video "Markus Gilli fühlt Roger de Weck auf den Zahn"
abspielenDieser Link öffnet das Video in einem neuen Fenster.: Video
"Markus Gilli fühlt Roger de Weck auf den Zahn" abspielen Video
"Markus Gilli fühlt Roger de Weck auf den Zahn" abspielen Markus
Gilli fühlt Roger de Weck auf den Zahn Welchen Service Public braucht
die Schweiz - und was soll die SRG dabei leisten? Wo können private
Anbieter die gleichen Leistungen vollbringen? Und verdrängt die
SRG durch ihre Vormachtstellung die Privaten oder braucht es eine starke
SRG, um gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig zu bleiben?
Die beiden wichtigsten Diskussionspunkte im Überblick: Service
Public versus Privatangebote Für Natalie Rickli (SVP), von der
Aktion Medienfreiheit, ist klar: "Eine SRG in dieser Grösse ist
nicht mehr gerechtfertigt." Sie stehe dafür ein, dass es eine
gebührenfinanzierte SRG weiterhin gebe, allerdings könne diese
auch mit der Hälfte des heutigen Budgets operieren. Gerade Angebote,
wie fremdländische Serien oder Filme hätten auf den SRF-Sendern
nichts zu suchen. "Das können Private leisten, dazu müssen
keine Gebührengelder ausgegeben werden." Rickli schwebt eine SRG vor,
die sich vor allem auf Informationssendungen konzentriert.
SRG-Generaldirektor Roger de Weck ist sich jedoch sicher: "90 Prozent
der Sendungen, die die SRG produziert, wären für Private ein
Verlustgeschäft." Dazu machte er ein Beispiel: SRF habe während
zehn Jahren aus Geldmangel keine Serie produziert. Kein Privater sei in
die Bresche gesprungen. Auch "Formate von einer Qualität und einem
Anspruch wie die Tagesschau, die Rundschau, Kulturplatz oder Einstein"
seien durch Werbung schlicht nicht finanzierbar. Um gegenüber
ausländischen Sendern ein konkurrenzfähiges Angebot zu bieten,
brauche es eine starke SRG.
Für Peter Wanner, Verleger der AZ-Medien sieht die Situation anders
aus: Durch ihre Vormachtstellung, so Wanner, verhindere die SRG, dass
private Schweizer Anbieter bei ausländischen Produkten, wie Serien,
konkurrenzfähig mitbieten könnten. "Wir würden gerne noch
mehr machen. Die Frage ist, ob wir genügend Mittel haben."
CVP-Nationalrat Martin Candinas rechnet demgegenüber vor, dass
die SRG mit einem Budget von 1,6 Milliarden Franken, Angebote in vier
Landessprachen anbiete. Ausländische Gebührensender hätten
ein Vielfaches an Budget und produzierten nur in einer Sprache. "Wenn
wir nur eine Sprache hätten, könnten wir die Gebühr auf
200 Franken senken." Ihm sei eine solidarische Schweiz aber wichtig,
die auch die sprachlichen Minderheiten gleichwertig einbeziehe. Die
Deutschschweizer würden 70 Prozent der Gebühren bezahlen, ihre
Sender aber nur 45 Prozent kosten. Und das sei richtig so. Werbung und
Joint Venture Gerade die Finanzierung der SRG ist bei den Vertretern
der Privatmedien aber besonders umstritten.
Für Tele-Züri-Moderator Markus Gilli ist klar: "Die SRG will
alles und wenig abgeben." Gerade mal vier Prozent der Gebühren gingen
derzeit an die Privaten, mit dem neuen RTVG würden es sechs Prozent:
"Man verkauft uns Brosamen als Geburtstagskuchen."
Verleger Wanner findet, die SRG müsse auf Werbeeinnahmen verzichten,
um Wettbewerb "mit gleich langen Spiessen" zu ermöglichen. Nur
dieser garantiere "mehr Meinungsvielfalt, mehr Innovation und mehr
Qualität". Speziell ein Dorn im Auge ist ihm dabei das Joint Venture
der SRG mit Swisscom und Ringier auf dem Werbemarkt. Hier entstehe ein
"Gigant", der die anderen Player "an die Wand drückt". Zudem solle
die Werbung personalisiert werden. "Wollen die Gebührenzahler,
dass mit den eigenen Daten Vermarktung gemacht wird?"
Für SRG-Generaldirektor de Weck haben sich die Zeiten hier
verändert. Firmen wollten ihre Werbung nicht mehr breit streuen,
sondern spezifische Zielgruppen erreichen. "Deshalb gehen sie heute zu
Google und nicht zu den Verlegern." Um hier ein Gegengewicht zu geben,
das den Schweizer Markt statt ausländische Unternehmen stärke,
habe man das Joint Venture ins Leben gerufen. De Weck betont: "Es steht
allen offen."
Nach der Sendung habe ich vor dem Studio verschiedene Personen aus dem
Publikum gefragt, welche Person für Sie überzeugt und wer
weniger überzeugt hatte.
Bei dieser Umfrage war ich erstaunt, dass viele Schüler einer KV
Klasse noch nie eine ARENA Sendung im Fernsehen konsumiert hatten. Bei
den Jugendlichen punktete Natalie Rickli am meisten.
Persönlich fand ich die Argumentation des Generaldirektors
durchdacht, überzeugend und übrigens viel konkreter als
sonst. Er wirkte immer ruhig, souverän und verstand es Kontrahent
Gilli zu irritieren, indem er zwei eindeutige Fragen mit der bekannten
Taktik "Habe die Frage nicht verstanden" den Profi Journalisten aus
dem Takt zu bringen vermochte.
Bei einigen der jungen Zaungäste kam Roger de Weck schlecht
weg. Zwei Schülerinnen wussten gar nicht, wer diese Person
ist. Aussage: "Der dort mit der Glatze hat mir nicht gefallen." Auf die
Frage warum er nicht überzeugt habe:
"Er sagte mir nichts." Oder: "Es fehlt bei ihm das Engagement."
Ich habe mir zu Hause die Sendung nochmals angeschaut und dabei
festgestellt, Roger de Weck hatte tatsächlich am Bildschirm mehr
Dynamik, wie live im Studio und er wirkte für mich auch akkustisch
zu Hause viel verständlicher und engagierter, als während der
Aufzeichnung. Eines darf gesagt werden: Lautes Politikergezänk
ist nicht sein Ding.
Für einige wirkte der mediengewandte Martin Candinas zu
überheblich. Vielleicht deshalb, weil er zu dominant agierte
und immer wieder gebetsmühlenartig wiederholte, dass er eigentlich
mit seiner Haltung die Privaten habe stärken wollen, was aber gar
nicht seiner Grundhaltung entspricht.
Aus meiner Sicht sind bei dieser Sendung folgende Aspekte
erwähnenswert:
Der Entscheid, den Fernsehdirektor von einem externen kritische
eingestellten Journalisten befragen zu lassen, war richtig und
sinnvoll. Es wäre missverstanden worden, hätte ein Untergebener
den Chef interviewt.
Dieses sich Zurücknehmen spricht für die Grösse des
Moderators Jonas Projer.
Anderseits störte mich das penetrante Unterbrechen der Journalistin
Esther Mamarbachi als Interviewerin. Ich wunderte mich, dass eine Profi
Journalistin die Regeln der Fragetechniken und der Dialogik so krass
missachtet. Das unfreundliche Beschimpfen der Nationalrätin kann
nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie sonst französisch
moderiert.
Die Einlage nachher mit dem Votum auf französisch, war unterhaltsam,
wirkte aber etwas schulmeisterhaft. Ricklin entzog sich der Prüfung,
in dem sie selbstsicher sagte: Ich rede schwyzerdütsch. Während
Candina die Chance nutzte und auf französisch, italienisch und
romantsch in gewohnter Manier zu brillieren wusste.
Aus rhetorischer Sicht wurde die Analogie mit dem "Garten und den Pflanzen
d.h. mit dem Kahlschlag und dem Hegen und Pflegen von Pflänzchen"
überstrapaziert. Ich schätze sonst Bilder und Analogien.
Vergleiche müssten aber stimmen.
Eine Berner Regierungsrätin sagte einmal vor Jahren im Fernsehen:
"Unser Wald muss auch Federn lassen". Sie wurde von ihrem Berater gebeten,
bildhaft zu reden und merkte nicht, dass der Wald kein Vogel ist.
Gillis Flair für Metaphern kosteten viel zu viel Zeit. Ein paar
Beispiele:
"Es ist, als müssten wir Privaten den Weltrekord im Hochsprung
brechen, aber mit einer Bleikugel an den Füssen."
"Ist das nicht wie ein Garten, den man pflegen muss, damit alles wieder
blühen kann? Aber Sie nehmen allen die Baumschere weg, nehmen
allen den Dünger weg." "Roger de Weck, bist Du nicht ein Veganer,
der sich mit Fleisch satt essen will?" Damit mangelte es an Zeit, die
für eindeutige, fachliche Fragen notwendig gewesen wäre. De
Weck nutzte diese Steilvorlage geschickt und konnte als Interviewter -
wie erwähnt - zwei Mal Unverständnis mimen.
Im meinem Umfeld wollte ich in Erfahrung bringen, wie die Sendung
generell angekommen ist. Im Gegensatz zu mir - ich bin an Medienfragen
stets brennend interessiert - hört ich Rückmeldungen, wie:
"Langweiliges Thema". "Habe weggezappt". "Was soll dieser Hickhack?"
Vielfach kam das "Durcheinanderreden" bei Konsumenten nicht gut an. Es
war des Guten zu viel.
Eine ARENA ist eine Debatte und keine Sternstunde.
Für mich darf deshalb in einer ARENA ein Moderator bei harten
Auseinandersetzungen die Akteure durchaus auch zeitweise an der lange
Leine laufen lassen. In einer ARENA wird um Positionen gekämpft. Es
muss eine Debatte bleiben.
Das Ziel bei der ARENA ist nicht Konsens - wie bei einer Diskussion.
Einmal mehr war es für mich eindrücklich, wie es Dompteur
Projer immer wieder gelang, Langredner zu drosseln, indem er sich eng
neben sie positionierte und dazu die Hand ausstreckte.
An Langrednern mangelte es wahrlich nicht.
Die Schlussfrage war bis anhin immer eine lockere, unterhaltsame
entspannte Sache. Gleichsam ein Markenzeichen Projers.
In dieser Arena versandete dies Schlussfrage erstmals. Die meisten
Akteure wirkten wie Spielverderber. Der Moderator ist bekanntlich recht
selbstkritisch und ich bin sicher: So einen Abschluss gibt es nie mehr.
Wenn der Anfang die halbe Miete ist, so ist der Schluss auch wichtig. Er
wirkt nachhaltig.
Einmal mehr haben wir eine anspruchsvolle Arena erlebt. Sie machte
uns bewusst: Medienpolitik ist auch Wirtschaftspolitik. Diese Sendung
brachte aber wenig neue Erkenntnisse. Für Brückenbauer
Projer war es beinahe unmöglich, die tiefen Gräben zu
überbrücken, die zusätzlich aufgerissen worden sind,
Wie erwähnt, interessieren mich alle Sendungen mit Medienfragen. Wer
jedoch an den Otto Normalverbraucher denkt, darf bezweifeln, dass dieser
nach der Sendung jemandem den Service Public oder den Begriff Joint
Venture verständlich erklären kann. Obschon mit kleinen
gut gemachten Einschaltfilmchen versucht wurde, Zusammenhänge zu
veranschaulichen, ist wahrscheinlich die Thematik beim breiten Publikum
auf kein grosses Interesse gestossen. Dies werden möglicherweise
die Zahlen der Einschaltquoten bestätigen.
Was mich erstaunte bei diesem Studiobesuch: Ein Klassenlehrer der mit den
Jugendlichen die Sendung besucht hatte, bereitete angeblich die Klasse
nicht auf das Format ARENA und die angekündigte Thematik vor.
Eine vorbildliche Lehrkraft hätte das Format einmal vorgängig
gezeigt, die Thematik vorbesprochen und die Akteure vorgestellt.
Einige Schüler bestätigten mir, dass der Besuch der ARENA
zwar obligatorisch war, aber dass die Sendung im Unterricht im neuen
Jahr nicht nachbereitet werde. Aus meiner Sicht eine verpasste Chance,
angewandte Medienkunde und Staatskunde zu nutzen. Eigentlich schade.
Die Arena wollte eine Antwort finden auf die Frage:
Welchen Service Public wollen wir?
Durch die Pattsituation und den Grabenkrieg haben wahrscheinlich nicht
viele eine taugliche Antwort gefunden auf diese zentrale Frage. Damit
ist der Erkenntnisgewinn trotz spannendem Event vermutlich recht gering.