tritt zurück.
Am Vormittag gabs zahlreiche Spekulationen über den bevorstehenden
Rücktritt. Als erster twitterte Markus Gilli von TeleZüri
darüber. Gemäss Informationen von TeleZüri hat sie am
Morgen den Bundesrat darüber informiert. Den Entscheid habe sie
bereits unmittelbar nach den Wahlen gefällt. Am Montag, 19. Oktober,
habe sie ihren Vertrauenskreis über ihre Zukunftspläne
eingeweiht.
Souveräne Amtszeit, souveräner Abschied. Die kühle
Rechnerin Widmer-Schlumpf gab heute nüchtern ihren Rücktritt als
Bundesrätin bekannt. Kurz nach 16.30 Uhr kam sie beim Bundeshaus in
Begleitung ihre Sprecher Brigitte Hauser-Süess udn Roland Meier an.
Sie machte es fast so spannend wie im Dezember 2007. Damals kam die
Wahl von Eveline Widmer-Schlumpf in den Bundesrat einem politischen
Knall gleich. Acht Jahre später hat die Bündner Magistratin
wieder für Spannung und Emotionen gesorgt. Vor den Parlamentswahlen
enthielt sie sich jeglicher Aussage zu ihrer politischen Zukunft. Nach
dem Wahlsonntag sprachen viele über die Finanzministerin. Nur sie
selber schwieg.
Jetzt ist das Geheimnis gelüftet. Eine in vielerlei
Hinsicht spektakuläre Amtszeit neigt sich dem Ende zu. Eine
tüchtige und standhafte Magistratin, die parteipolitischen
Widerständen getrotzt hat und als überdurchschnittlich
fachkundige Finanzministerin in Erinnerung bleiben wird, zollt
den veränderten Mehrheitsverhältnissen im Parlament
Tribut. Ihre Rücktrittsankündigung ist staatspolitischer
Vernunft geschuldet. Man kann nur mutmassen, wie sehr die ehrgeizige
Bündner Kämpferin mit sich gerungen hat. Umso mehr verdient
ihr vernünftiger Entscheid Respekt.
Als versierte Analytikerin war sich Eveline Widmer-Schlumpf bewusst, dass
sie viel Unbill schulterte, als sie 2007 ihren damaligen "Parteifreund"
Christoph Blocher aus der Landesregierung bugsierte. Das Donnerwetter
folgte auf dem Fuss. Die SVP kappte die Fäden zur neuen Magistratin
und auch zum parteiintern höchstens geduldeten Bundesrat Samuel
Schmid. Doch obschon Eveline Widmer-Schlumpf fortan als parteiinterne
Königsmörderin verschmäht wurde, vereinsamte sie
nicht. Sie erfuhr vielfältige Solidarität: von Frauen, von
parteiunabhängigen Bürgern, vom anonymen Fernsehpublikum auch,
das sie zur Schweizerin des Jahres 2008 kürte. Eine neue politische
Heimat fand Eveline Widmer-Schlumpf in der BDP, die von moderaten
Bündner, Berner und Glarner SVP-Vertretern gegründet wurde.
Spät, aber nicht zu spät hat die Finanzministerin erkannt, dass
sie mit ihrer Demission der Schweiz eine Zerreissprobe erspart. Wäre
sie am 9. Dezember nochmals angetreten, hätte es vor allem
Verlierer gegeben. Bei einer Wiederwahl wäre die Wahlsiegerin SVP
einmal mehr vor den Kopf gestossen worden. Falls die 59-jährige
Bündnerin abgewählt worden wäre, wären all jene
brüskiert worden, die sie als politische Musterschülerin ins
Herz geschlossen haben.
Nach dem Vernunftentscheid von Eveline Widmer-Schlumpf ist jetzt die
SVP gefordert, vernünftig zu agieren. Wenn man die Aussagen von
Parteiexponenten zum Nennwert nimmt, stehen rund zehn Kandidaten bereit.
Diese sollten nicht länger den Kopf einziehen, sondern ihre Karten
auf den Tisch legen. Gesucht sind Bewerber, die verantwortungsbewusst
mitregieren wollen. Unerwünscht sind Parteisoldaten, die sich als
Horchposten ihrer Partei im Bundesrat verstehen.
Mögliche Kandidaten sind der Bündner Nationalrat Heinz Brand
sowie aus Schaffhausen Nationalrat Thomas Hurter und Ständerat
Hannes Germann. Auch Parteipräsident Toni Brunner wäre ein
valabler Kandidat, aber er will nicht. Ob hier das allerletzte Wort
gesprochen ist, bleibt abzuwarten. Diese aus der Ostschweiz stammenden
Personen stehen parteiintern in der ersten Reihe.