
Täglich blicken wir in hunderte Gesichter, auf dem Weg ins
Büro und retour, am Arbeitsplatz, im Supermarkt. Gesichter und Mimik
üben eine grosse Anziehungskraft auf uns aus. Doch können wir
in Gesichtern tatsächlich lesen?
Der Mensch ist ein Meister im Lesen und Interpretieren von Gesichtern
und ihres jeweiligen Ausdrucks. Weniger als eine halbe Sekunde braucht
er, um ein Gesicht als ein bekanntes zu erkennen. Gesichter geben
Aufschluss darüber, wie es uns vertrauten Menschen geht - oder
regen die Phantasie an, wenn wir Fremde ansehen. In den Gesichtern von
Kindern kann man bisweilen wie in offenen Büchern lesen, mit der
Zeit bekommen die meisten jedoch die Mimik mehr und mehr unter Kontrolle.
Eines der mächtigsten Mittel der Mimik ist das Lächeln. 16 bis
18 verschiedene Arten zu lächeln unterscheidet die Wissenschaft -
und nur eine einzige davon hat tatsächlich mit Erheiterung oder
positiven Emotionen zu tun. Dann, und nur dann, wandern nicht nur die
Mundwinkel nach oben, sondern das ganze Gesicht arbeitet symmetrisch
mit, allem voran die Ringmuskeln um die Augen - die charakteristischen
Lachfältchen um die Augen zeigen sich.
Erforscht werden die verschiedenen Gesichtsausdrücke zum
Beispiel im "Gesichts-Lab" der Uni Zürich, wo Probanden je nach
Untersuchungsgegenstand verschiedene Aufgaben zu erfüllen haben und
dabei gefilmt werden. So lässt sich nicht nur feststellen, welches
Lächeln unecht ist, sondern auch, dass Lügner häufiger
den Blick abwenden, sich ins Gesicht fassen oder Kopfbewegungen machen,
die mit ihrer Aussage nicht im Einklang stehen. Doch zu leicht sollte man
es sich mit der Deutung von Mimik nicht machen, warnt Jennifer Hofmann,
Leiterin des Gesichts-Labs der Uni Zürich. Denn eine immense Rolle
für die richtige Interpretation spielen neben dem Gesicht auch die
Körperhaltung und der soziale Kontext. Beispiel: Nervosität
kann eine gespannte Vorfreude sein, aber auch Angst, enttarnt zu werden
oder angespannte Abwehr.
Die Deutung ist somit ein Buch mit sieben Siegeln. Am besten gelingt
sie mit Lebenserfahrung und Menschenkenntnis - oder vielleicht auch
Computern. Denn eine Studie zeigt, dass die Maschine Gesichtszüge
besser deuten kann als ein Mensch. Programmiert man eine Software mit
Gesichtszügen und verknüpft diese mit den entsprechenden
Gefühlen, kann ein Computer Emotionen von Menschen sehr wohl
erkennen, haben Forscher der Universität von Kalifornien belegt.
Die Wissenschaftler haben eine Software entwickelt, die nicht nur erkennt,
ob eine Person echte Schmerzen empfindet oder diese nur vorspielt,
sondern dies gar besser tut als Menschen.
In der Studie wurden die Gesichter von 25 Personen gefilmt, während
sie ihren Arm eine Minute lang in schmerzhaft eiskaltes Wasser tauchten.
Danach steckten sie den Arm in warmes Wasser und spielten den Schmerz
nur vor. Studenten lagen in der Hälfte der Fälle richtig
Anschliessend betrachteten Studenten die tonlosen Videos und mussten
beurteilen, in welcher Version der Schmerz echt war und welcher nur
vorgespielt. Dieselbe Aufgabe fasste ein Computer. Die Studenten lagen
nur in der Hälfte der Fälle richtig, der Computer hingegen in
85 Prozent. Dieser Link öffnet das Video in einem neuen Fenster.:
Video "Schmerzerkennung via Computer" abspielen Video "Schmerzerkennung
via Computer" abspielen Schmerzerkennung via Computer
Dies führen die Forscher darauf zurück, dass der Computer feine
Muskelbewegungen besser lesen kann als das menschliche Auge. Die Software
erfasste 20 Muskelbewegungen sowie deren Länge, Intensität
und Geschwindigkeit. Diagnosehilfe für Ärzte
Obwohl in beiden Fällen dieselben Muskelpartien involviert waren,
waren die Details unterschiedlich. So öffnet sich der Mund bei echtem
Schmerz jeweils unterschiedlich lange, während beim Vortäuschen
der Mund jeweils etwa gleich lange offenblieb. "Wir haben Hinweise,
dass Menschen auf die falschen Signale achten", sagte Studienleiterin
Marian Bartlett gegenüber der "New York Times'."