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www.rhetorik.ch aktuell: (19. Aug, 2015)

Politische Korrektheit gegen Mikroaggressionen

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Ein Artikel im Tagi geht der zunehmenden politischen Korrektheit auf Amerikanischen Unis nach. Der Artikel geht auf einen im Atlantic Monthly erschienenen Artikel eines Sozialpsychologen und Anwalts ein. Die Kurzfassung der Kurzfassung ist, dass vor allem durch den Druck sozialer Medien, (die aus einer kleinen Sache ein Gewitter oder gar einen Shitstorm machen können), die Rede, die Publikationen oder selbst Unterricht an US Unis zu einem Minenfeld geworden ist. Das emotionale Wohlbefinden von Studenten könnte durch ein umstrittenes Thema, Bild oder Wort verletzt werden.
Bestimmte Bücher werden als verletzend empfunden und aus den Seminaren verbannt. Die Sprachpolizei patrouilliert den Campus und registriert selbst kleinste "Mikroaggressionen". Lehrende sollen vorsorglich "vor Auslösern" warnen, wenn in Vorlesungen Stoffe behandelt werden, die bei Studenten psychologische Traumata hervorrufen könnten. Und Identitätspolitik wie politische Korrektheit, beides eigentlich alte Hüte, sind wieder da. "Etwas Merkwürdiges passiert an amerikanischen Universitäten und Colleges", melden der Sozialpsychologe Jonathan Haidt und der Anwalt Greg Lukianoff in einem kürzlich im "Atlantic Monthly" publizierten Artikel. Ideen werden verboten, weil sie womöglich verletzend sind, Professoren beschuldigt, keine Rücksicht auf das emotionale Wohlbefinden ihrer Studenten zu nehmen: Im amerikanischen Elfenbeinturm kracht es vernehmlich. Immer lauter werden die Beschwerden derjenigen, die an den Hochschulen eine gefährliche Mischung von Identitätspolitik und politischer Korrektheit beobachten. Ziel der neuen Bewegung sei es, "den Campus in eine Sicherheitszone zu verwandeln, wo junge Erwachsene vor Ideen und Wörtern geschützt werden, die ihnen Unwohlsein bereiten", so Lukianoff und Haidt. "Es gibt jetzt so viele Möglichkeiten, auf eine Mine zu treten, so viele Begriffe, die verboten sind", klagte der Publizist und Uni-Lehrende Freddie DeBoer über die neue politische Korrektheit. Dass die Berufssituation der Hochschullehrer prekär ist, macht die Sache noch schlimmer: Immer mehr Unis bauen Lehrstühle vor allem in den Geisteswissenschaften ab und ersetzen fest angestellte Professoren durch billige Lehrkräfte mit Zeitverträgen. Wer ins Visier der Sprachpolizei gerät, verliert womöglich seinen Job und seine Zukunft. Selbstzensur ist deshalb an der Tagesordnung: Besser nicht anecken, ja nichts Kontroverses ansprechen. Längst meiden berühmte US-Komiker wie Jerry Seinfeld oder Chris Rock die Unis. Er gehe nicht einmal "in die Nähe von einem College - zu politisch korrekt", sagt Seinfeld. Und im Onlinemagazin "Vox" erklärte jüngst ein "liberaler" Professor unter dem Pseudonym Edward Schlosser, er habe "Angst" vor seinen "liberalen Studenten". Wer sich wehrt, wird auf Social Media von politisch korrekten Studenten umso entschiedener bekämpft. Nachdem die Professorin Laura Kipnis in einem Fachblatt die "sexuelle Paranoia" an der Northwestern University beklagt hatte, leitete die Uni nach Beschwerden von Studenten eine Untersuchung gegen sie ein. Mitschuld an der vergifteten Atmosphäre trägt neben Social Media, auf denen bisweilen regelrechte Zensur-Mobs organisiert werden, auch die Obama-Administration. Sie verschärfte die Vorschriften zum Schutz von Frauen und Minderheiten an den Universitäten derart, dass sogar "nicht willkommene Sprache", etwa die Anmache einer Studentin durch einen Studenten, zum justiziablen Fall werden und die Uni in Schwierigkeiten bringen kann. Oft werden Hochschulen in diesem Klima zu Komplizen der Gedanken- und Sprachpolizei und laden zum Beispiel Redner wie IWF-Chefin Christine Lagarde oder Ex-Aussenministerin Condoleezza Rice nach Studentenprotesten wieder aus. Mindestens 120 Reden wurden seit 2009 auf diese Weise verhindert. Bestrebungen, Studenten im Klassenzimmer zu schützen anstatt sie herauszufordern, seien "infantilisierend und anti-intellektuell", warnte die Vereinigung amerikanischer Uni-Professoren, ein Ende der politischen Korrektheit ist jedoch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Zusehends werde die neue Zensur institutionalisiert, befürchten Greg Lukianoff und Jonathan Haidt.

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