Germanwing Flug 4U 9525 ist nach dem Start in Barcelona in den französischen Alpen abgestürzt.
Die Auswertung der Blackbox gibt eine Erklärung: er Copilot hat das Flugzeug bewusst zum Absturz
gebracht: er hat den Piloten aus dem Cockpit ausgeschlossen, einen Sinkflug eingeleitet und nicht mehr
auf Anrufe reagiert, obwohl man ihn noch atmen hörte. Beide Massnahmen, das Rausschliessen des Kollegen
wie auch das Einleiten eines Sinkflugs können kaum Missgeschicke sein. Man weiss heite auch, dass
der Copilot Lubitz war auch in Behandlung wegen Depression und Selbstmordgedanken war. Die Sache ist
also ziemlich klar.
Es wurde auch wieder viel über die Rolle der Medien bei Katastrophen geschrieben.
Auch beim Germanwings Absturz in Frankreich gabs Kritik an der Rolle
der Medien. Man muss jedoch sagen, dass die Medien diesmal das Meiste richtig gemacht haben:
Es wurden keine pietätlose Aufnahmen mit Leichen gezeigt.
Der Zugang zum Gebiet wurde auch abgesperrt, sodass solche Aufnahmen gar nicht gemacht werden konnten.
Es sind wohl Bilder von Suchteams zu sehen, aber in keinem Bild sind Bilder erschienen, die nicht
in Ordnung wären.
Die Angehörigen wurden in Ruhe gelassen.
Paparazzi hatten keine Chance.
Es gab wohl Spekulationen in seriösen Medien, doch immer auch
beim Aufzählen der Möglichkeiten für den Absturz.
Man darf die Möglichkeiten aufzeigen. Bei einem Flugzeugunglück gibt es auch
immer mehrere M&oul;glichkeiten: Terrorismus, Unfall, Selbstmord, Pilotenausfall. Man darf die Möglichkeiten
aufführen, wenn klar gemacht wird, dass man noch keine weiteren Anhaltspunkte hat.
Ein Pressesprecher einer Firma oder ein Krisenkommunikator jedoch düfte nie spekulieren.
Auch nicht, wenn gesagt wird, dass es eine Spekulation ist. Denn man könnte falsch oder teilweise
zitiert wirden. Dass Kommentatoren auf einem Forum, oder "Aviations Experten" in einer Diskussionsrunde
spekulieren ist verständlich. Aber dies sind Laien und können nicht mit dem gleichen
journalistischen Kriterien
als Journalisten. Jederman kann auf einer Webseite Kommentare schreiben. Das macht die Person noch nicht zu einem
Journalisten.
So zirkulierte etwa für eine Weile eine falsche Foto vom Piloten. Der Fehler wurde aber bald bemerkt.
Der Fehler war auf Twitter aufgetaucht.
Man darf das also nicht den klassischen Medien in die Schuld schieben. Wer "Twitter news"
mit Mediennews vergleicht, weiss nichts von sozialen Medien. Bei letzteren kann jeder mitmachen.
Ein Besitzer eines Twitter Accounts ist noch lange kein Journalist. Und wenn man die "News Seiten"
ansieht, die das falsche Foto gebraucht haben, dann sind das obskure Seiten, oder Verschwörungstheoretiker.
Falschnachrichten, wie eine Nachricht, dass der Copilot ein Muslim war, wurde nur von obskuren
Medienseiten gebracht, die nicht einmal den Label "Boulevard" verdienen: politische Fanatiker, oder Propaganda
Schergen.
Das Problem waren diesmal eher die Kommentatoren, die Pseudoexperten oder selbsternannten Experten
in Foren oder Diskussionsrunden, oder Drittpersonen, die aus dem Unfall Kohle machen wollen:
Man hörte Kritik an den Medien, die aber meist unberechtigt oder nicht qualifiziert war.
"Emma" hat man für eine "Frauenquoten im Cockpit" gesprochen. Wer politisches Kapital aus einem
Unfall ziehen will, verliert immer.
Ein Politiker hat den Unfall gebraucht, um die Sicherheit von AKW's zu hinterfragen.
Der Tweet von Bastian Girod
war
aber ein Schuss hinten heraus. Auch hier zeigt sich, dass politische Kapitalhascherei
kontraproduktiv ist.
Tom Enders, der Vorstandschef von Airbus hat
Kritik an TV Talkshows
geübt: "Teilweise wurde dort ohne Fakten spekuliert, fantasiert und gelogen".
Das mag war sein, man muss aber sagen, dass Teilnehmer in einer Talkshow meist weder Journalisten, noch
Experten sind.
Nach dem Flugzeugabsturz standen die Medien vor dem Entscheid: Namen
nennen oder nicht? Viele Medien gewichteten das öffentliche Interesse
höher als die Privatsphäre der Angehörigen. Im Internet ist
darüber eine Debatte entbrannt. Vinzenz Wyss, Journalistikprofessor,
hat sich damit befasst.
Vinzenz Wyss: Ich beobachte, dass mit diesem Fall Germanwings eine
ganz neue Dimension der öffentlichen Medienkritik erreicht
wurde. Tatsächlich haben wir es in den sozialen Medien mit einer
sehr starken Angriffigkeit zu tun. Journalisten werden öffentlich
dafür kritisiert, dass sie den Namen des Co-Piloten genannt
haben. Selbstverständlich entsteht durch diese Wucht in den
sozialen Medien auch ein Druck auf Medienschaffende, trotzdem den Namen
zu nennen. Vielleicht nehmen sie sich gar nicht mehr die Zeit, um diese
Güterabwägung dann reflektiert vorzunehmen.
Sie schildern ein neues Phänomen: Entsteht eine neue
Öffentlichkeit, in der Medienkritik stattfindet?
Wir haben generell das Problem, dass Medien sich nicht gerne
selber kritisieren. Nun haben wir aber in der Blogosphäre,
in Kommentarspalten und bei anderen Gelegenheiten zunehmend die
Möglichkeit, Kritik zu üben. Dieses Phänomen ist viel
stärker als zu früheren Zeiten. Wir haben sogar eine dritte
Dimension, eine weitere Ebene der Beobachtung. Jetzt werden sogar auch
Kritiker kritisiert. Auf der einen Seite ist das funktional, ist es gut,
dass Medien gezwungen werden, sich zu rechtfertigen, auf der anderen
Seite haben wir mit dieser Blogosphäre viele Gerüchte. Man
konnte zum Beispiel lesen, dass der Co-Pilot eventuell vom Christentum
zum Islam bekehrt wurde. Das sind dann die Schattenseiten. Generell
stelle ich eine Zunahme der öffentlichen Medienkritik fest, und
das ist eigentlich funktional.
Diese sozialen Medien sind Feedback-Kanäle, auf denen das Publikum
Rückmeldungen geben kann. Wird die Medienlandschaft dadurch
demokratischer? Einige Beispiele zur Debatte
Von Demokratisierung würde ich nicht sprechen. Dafür
fehlen einige weitere Faktoren. Früher hatten wir Medien, die in
solchen Fällen relativ zurückhaltend operiert haben. Mit
dem Internet hatten wir dann Empörungsberichterstattung. Ich
stelle fest, dass sich das auch geändert hat. In diesem Fall
Germanwings haben wir tatsächlich in der Blogosphäre sehr
seriöse, reflektierte, medienkritische Beiträge und auf der
anderen Seite eine Medienbranche, die doch stark unter Druck gekommen
ist und sich rechtfertigen muss, und die auch ein bisschen mimosenhaft
darauf reagiert. Also insofern kann man doch sagen: Der Druck der
öffentlichen Medienkritik zwingt Medien dazu, sich selber zu
legitimieren, nach aussen zu begründen, wieso man in gewissen
Fällen so entschieden hat.
Es gab einige Legitimierungsversuche: Journalisten und Chefredaktoren
haben ihre Entscheidungen öffentlich begründet. Wird das die
Berichterstattung der Medien verändern?
Es handelt sich um ein neues Phänomen, das hoffen lässt. Medien
werden durch Fremdbeobachtung dazu gezwungen, sich selber mehr zu
beobachten. Sie müssen transparenter machen, weshalb gewisse
Entscheidungen so getroffen wurden und nicht anders. Der Druck auf die
Medien wächst: Über die traditionelle Berichterstattung hinaus
sollen sie nun auch eine Art metakommunikative Packungsbeilage mitliefern
und transparent machen, wie und weshalb gewisse Entscheidungen zustande
gekommen sind. Für den öffentlichen Diskurs ist das sicher
eine gute Sache.
Bei dem jüngsten Flugzeugabsturz wurden die Medien
kritisiert, sie hätten vermutet und wären ständig
neuen Hypothesen nachgegangen. Selbstverständlich gab es
einige Ungereimtheiten (Publikation einer falschen Foto). Aber im
Grossen und Ganzen hatten die Medien gute Arbeit geleistet. Durch das
aussergewöhnliche Ereignis war der Druck für Journalisten
aussergewöhnlich gross, rasch zu publizieren.
Für die Medien gelten andere Grundsätze als bei der
Krisenkommunikation der betroffenen
Institution, die von einer Katastrophe oder einem Unfall betroffen ist.
Ein Unternehmen darf nicht wie die Medien spekulieren. Es muss laufend
nur das kommuniziert werden, was erhärtet ist. Keine Vermutungen! Nur
Fakten werden beschrieben!
Die Medien hingegen dürfen bei Experten nachfragen und sie sind
verpflichtet, die Erkenntnisse zu hinterfragen.
Was im Fall Germanwings aufgefallen ist:
Das extreme Ereignis brachte extrem viele Deutungen und damit extrem viele
Besserwisser. Die Ungewissheit im digitalen Zeitalter, verbunden mit dem
geforderten Sendezwang erzeugte ein Informationsvacuum. Alle glaubten,
man müsse bei diesem extremen Vorkommnis pausenlos berichten.
Doch das Nachrichtenvacuum führte zu Pseudo-News. Man berichtet,
obschon es nichts Neues zu berichten gibt. Durch das Vacuum an Fakten
kam es zu Vorverurteilungen, Expertenspekulationen und unzähligen
Interpretationen.
Auch das Vacuum beim Bilderangebot hatte sonderbare Auswirkungen. Alles
im Umfeld das Täters wurde visualisiert.