Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses war eine Überraschung.
Es war klar, dass das einmal passieren musste. Niemand wusste aber
wann. Die Reaktion der Börse zeigt, dass Viele den Anlass
nahmen, um kurzfristig mit richtigem Timing ein Schnäppchen zu machen: Verkaufe
Schweizer Aktien, um sie dann billig wieder zu kaufen. Die "Vernichtung von 101 Milliarden"
ist deshalb auch nur temporär.
Selbst
der Bundesrat war überrumpelt. Natürlich konnte ein
solcher Schritt nicht vorher angekündigt werden. Erstaunlich, dass
die Entscheidung völlig geheim gehalten worden war. Es war ein Paukenschlag.
Der Tagi
Der tatsächliche Grund für die Aufhebung der Untergrenze
hat eher mit den Entwicklungen der letzten Wochen zu tun. Die Krise um
den russischen Rubel im Dezember hat erneut die Funktion des Schweizer
Frankens als sicherer Hafen bestätigt. Nur dank Interventionen an den
Devisenmärkten konnte die Nationalbank die Untergrenze halten. Als
neues Instrument gab die SNB deshalb am 18. Dezember die Einführung
von Negativzinsen auf den 22. Januar bekannt - ein klares Signal, dass
sie ihr bisheriges Instrumentarium für nicht mehr ausreichend hielt.
Die jüngsten Entwicklungen in Europa machen deutlich, dass
die Eurokrise kein vorübergehendes Phänomen ist. Die
Europäische Zentralbank ist deshalb auf nicht absehbare Zeit an
einem möglichst schwachen Euro interessiert. Die Aussicht, in
der Folge auch den Franken auf unbestimmte Zeit ständig weiter
abschwächen zu müssen, dürfte der SNB-Spitze zunehmend
den Schlaf geraubt haben. Es ist gut verständlich, dass sie sich
möglichst noch vor den geplanten Geldspritzen durch die EZB aus
dieser Zwangslage befreien wollte. Das bestätigte SNB-Chef Thomas
Jordan gestern indirekt, indem er betont hat, die SNB hätte sich
jetzt wieder mehr Handlungsspielraum verschafft. Ebenfalls legte er viel
Wert auf die Feststellung, jeder spätere Ausstieg aus dem Regime
der Untergrenze wäre für die SNB noch problematischer.
Allerdings ist die SNB jetzt alles andere als aus dem Schneider. Sollte
der Franken sich nicht deutlich von den Extremwerten von gestern
ent-fernen, hätte das für die Schweizer Wirtschaft verheerende
Folgen. Eine derart rasche und starke anhaltende Aufwertung würde
der Export-wirtschaft stark zusetzen.
NZZ:
Der Begriff "Paukenschlag" wird oft voreilig verwendet. Für einmal
wirkt die Umschreibung aber fast harmlos. So rechnete am Donnerstagmorgen
wohl niemand ausserhalb der Schweizerischen Nationalbank (SNB)
mit der unmittelbaren Aufhebung des Euro-Mindestkurses von Fr. 1.20.
Entsprechend überraschend kam die Massnahme, mit der die SNB laut
eigenen Angaben geldpolitischen Spielraum zurückgewinnen will. Die
Konsternation an den Märkten, in der heimischen Politik und in den
Wirtschaftsverbänden war entsprechend gross. SNB-Präsident
Thomas Jordan wirkte demgegenüber schon beinahe erleichtert, als
er das Ende der Mindestkurspolitik bekanntgeben konnte - einer Politik,
die laut Jordan unter den gegebenen Umständen nicht länger
sinnvoll und nachhaltig gewesen ist. Noch negativere Zinsen
Doch welches sind diese Umstände, die für die abrupte
Aufhebung des Mindestkurses, der noch vor kurzem als das zentrale
Instrument der Geldpolitik präsentiert wurde, verantwortlich
sind? Die SNB begründet ihre Zäsur vor allem mit den
Unterschieden bei der geldpolitischen Ausrichtung der wichtigsten
Währungsräume. Diese Unterschiede hätten sich in
jüngerer Zeit markant verstärkt, wobei die SNB erwarte,
dass sich die Divergenz weiter akzentuieren werde. Als Spiegel dieser
ungleichen geldpolitischen und konjunkturellen Entwicklung erscheint
dabei die Abschwächung des Euro (und somit bis vor kurzem auch
des Frankens) gegenüber dem Dollar. Vor diesem Hintergrund, so die
Argumentation der SNB, sei die Durchsetzung und Aufrechterhaltung des
Euro-Franken-Mindestkurses nicht länger gerechtfertigt gewesen.
20 Min:
Die überraschende Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die
Schweizerische Nationalbank hat die Schweizer Börse am
Donnerstag massiv einbrechen lassen. Der wichtigste Aktienindex der
Schweiz, der Swiss Market Index, büsste knapp 8,7 Prozent
ein. Er schloss auf 8400.61 Punkten (-798).
Rechnet man dies auf den Gesamtwert aller Aktien der 20 SMI-Unternehmen
hoch, so bedeutet dies: Heute ist an der Schweizer Börse ein Wert
von 101 Milliarden Schweizer Franken vernichtet worden. Verwendet wurde
für diese Rechnung die sogenannte Marktkapitalisierung.
Betrachtet man die einzelnen Titel, so gehören zum Beispiel die
Banken zu den grossen Verlieren. Julius Bär büsste 11,5 Prozent
ein, die UBS 11,7 Prozent und die Credit Suisse 11,0 Prozent. Noch
extremer fielen die Verluste allerdings bei Swatch (-16,4 Prozent),
Richemeont (-15,5 Prozent) oder Lonza (-17,9 Prozent) aus.
Auch der Kurs des Euro stürzte im Verlauf des Tages bis auf ein
Rekordtief von Fr. 0.85 ab. Um 18 Uhr kostete er schliesslich wieder Fr.
1.04 , das ist gut 16 Rappen oder 13,5 Prozent weniger als am Morgen.
Der Dollarkurs stand zur selben Zeit Uhr bei 90 Rappen pro Dollar.
Gekürzt vom
Blick:
- Warum die Aufregung? Der Wegfall des Euro-Mindestkurses kommt überraschend.
- Wird Shoppen jetzt günstiger? Ja. Weil der Franken jetzt stärker ist.
- Was wird sonst noch günstiger? Auslandreisen.
- Wer profitiert sonst noch davon? Zum Beispiel Rohstoffimporteure.
- Warum stürzt die Schweizer Börse ab? Die Schweiz exportiert viel.
- Sind die Arbeitnehmer betroffen? Indirekt. Die hohen Löhne kommen jetzt unter Druck.
- Was bedeutet das alles für den Tourismus? Desaster.
- Wie viel Geld verliert eigentlich die Nationalbank? 175 Millarden Euro und 142 Milliarden Dollar.
- Der Negativ-Leitzins wird auf -0,75 erhöht. Warum? Das Horten von SFr soll unattraktiv sein.
- Was sind Negativzinsen? Die SNB belastet den Banken für Gelder,
- Muss ich für mein Geld bei der Bank bald bezahlen, statt Zinsen zu bekommen? Nein.
- Wird sich der Euro-Franken-Kurs erholen? Vielleicht.
- Wie gehts jetzt weiter? Das kommt darauf an, wie sich die Schweiz vom Schock erholt.
Selbst in den USA nimmt man Kenntnis
Paul Krugman (Wirtschafts Nobelpreis Träger)
meint in
der New York, dass er den Schritt der Schweizer Nationalbank als Fehler betrachte.
Er selbst glaube nicht, dass die offizielle Erklärung: "es ist eine Antwort auf den schwachen Euro",
sondern dass (ähnlich wie im Tagi Artikel oben) "eine Welle von 'Save heaven money' die Bindung an den Euro zu teuer
gemacht hatte. Krugman befürchtet, dass die tiefen Zinsen die Schweiz in eine Japan-ähnliche
Deflation bringt. Mal sehen. Viel zu Befürchten gibt es bei solchen Prophezeiungen nicht.
Selbst Wirtschaftsexperten haben kaum die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen. Die Strukturen sind zu
kompliziert. Hat jemand etwa den Schritt der Nationalbank etwa voraussehen können?
Klaus Wellershoff hatte bereits vor einem Jahr mit der Aufhebung gerechnet, lag also falsch.
Auch USB Chef Oekonom Kaniel Kalt sah sich überrascht.
Nachtrag vom 16. Januar: Die
Shopping
Touristen sind froh.
Benzin wird billiger. Sowie auch
Ferien.
Die Leute haben auch
viel Euro gekauft.
Und die
Deutsche Wirschaft frohlockt: Deutsche Autos werden für Schweizer erschwinglicher, und die Deutsche Tourismusbranche
frohlockt, denn der Urlaub in der Schweiz wird für viele zu teuer.
Quelle