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www.rhetorik.ch aktuell: (17. Dez, 2014)

Schawinski Interview mit Thiel

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Selbst ein "König von Talkshow Interviews" kann schwierige Situationen antreffen.

Quelle: Youtube
Mit einem Weltwocheartikel über den Koran hatte der Satiriker und Kabaretist Andreas Thiel provoziert. Roger Schawinski hat Thiel am 15. Dezember in seiner Talkshow interviewt. Es war ein schwieriges Gespräch für den Interview Profi. Mutig, dass Schawinski das Gespräch trotzdem ausgestrahlt hat.
20 Min:
In der Talkshow "Schawinski" von letztem Montag war der Berner Kabarettist Andreas Thiel zu Gast. Zu reden gaben die provokativen Äusserungen zum Islam, die Thiel in einem Artikel der "Weltwoche" gemacht hatte. Doch das Gespräch drehte sich kaum um die Sache und wurde schnell persönlich und verletzend. Umfrage Hätte Roger Schawinski die Sendung abbrechen müssen?

Jetzt nimmt Roger Schawinski bei 20 Minuten exklusiv Stellung zum Eklat in seiner Sendung: "Leider hat mein Gast, der Komiker Andreas Thiel, den Charakter der Interview-Sendung von der ersten Minute an gezielt torpediert. Er weigerte sich beharrlich, konkrete Fragen zu beantworten und stellte umgekehrt laufend selbst sehr persönliche und verletzende Fragen an mich. Zudem brachte er laufend neue, völlig themenfremde Elemente ein, um einen echten Gesprächsfluss zu verhindern."

Die Sendung lief komplett aus dem Ruder. Die beiden Kontrahenten zeigten sich sichtlich genervt. "Mit dieser Strategie erreichte er sein einziges Ziel, nämlich ein kontroverses Gespräch zu verunmöglichen, in dem man die von ihm publizierten extremen Thesen über den Koran in sachlicher Weise hätte diskutieren können", so Schawinski.

"Ich habe eine solche Extremsituation noch nie erlebt und zu emotional reagiert. Die Sendung war unter diesen Umständen schlicht nicht zu retten. Ich hätte sie sinnvollerweise bereits nach fünf Minuten abbrechen müssen und nicht ausstrahlen dürfen. Ich bedauere zutiefst, dass ich dies nicht getan habe und entschuldige mich dafür bei den Zuschauern."

Andreas Thiel war bisher für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Nachtrag vom 18. Dezember Aus 20 Min
Herr Knill, der Talk zwischen Roger Schawinski und Komiker Andreas Thiel ist eskaliert. Warum?

Was hier geführt wurde, war keine Diskussion im klassischen Sinne, sondern ein Duell. Keiner der Gesprächspartner hatte das Ziel, sein Gegenüber zu überzeugen. Die beiden haben verbal aufeinander eingeprügelt. Was dabei zählte, war nicht, wer die besseren Argumente hat, sondern wer am Ende besser wegkommt.
Wer ist denn besser weggekommen?

Bei diesem Streit konnte es keinen klaren Sieger geben. Rein aus der Gesprächsanalyse würde ich sagen, dass sich die beiden ein Unentschieden geliefert haben. Dabei wird aber ein wichtiger Punkt vergessen: Schawinski hatte viel mehr zu verlieren als Thiel. Die Sendung, in der das Gespräch ausgestrahlt wurde, trägt seinen Namen. Wenn er darin die Fassung verliert, zählt das viel mehr, als wenn das bei seinen Gästen passiert.
Wie hat Thiel es geschafft, Schawinski aus dem Gleichgewicht zu bringen?

Er hat vor allem mit der Überraschung gearbeitet. Wer Schawinski ein bisschen kennt, weiss, dass dieser alle Interviews mit der Frage "Wer bist du?" beginnt. Thiel war darauf vorbereitet und hat sofort angefangen, Schawinski mit Gegenfragen in die Enge zu treiben. Zudem hat er das Gespräch auf eine sehr persönliche, emotionale Ebene reduziert und Schawinski damit destabilisiert. Dabei ist er selber immer sehr ruhig geblieben, obwohl es in ihm vor Wut gebrodelt haben muss.
Und das hat schon gereicht, um einen erfahrenen Talkmaster wie Schawinski aus der Fassung zu bringen?

Schawinski war wohl völlig überrumpelt von Thiels Art. Ich kenne ihn persönlich und so fassungslos wie am Montag habe ich ihn noch nie erlebt. Schuld am Debakel war vielleicht sein Stolz. Er hatte einige recht gute Trümpfe gegen Thiel in der Hand und muss sich wohl gedacht haben: "Den Typen nagle ich jetzt an die Wand." Dieser ist aber so gut wie gar nicht auf die Vorwürfe eingegangen. Damit hat er wohl einen Schwachpunkt getroffen: Schawinski ist stark, solange er aggressive Fragen stellen kann. Wenn jemand dabei aber cool bleibt wie Thiel, wird er unsicher.
Wie hat sich diese Unsicherheit geäussert?

Ein gutes Beispiel dafür war, als Thiel ihn fragte, ob er denn den Koran selber gelesen habe. Das Einzige, was Schawinski darauf sagen konnte war: "Ich habe dafür andere Bücher gelesen." Mit solchen Gegenfragen hat Thiel sich über die klassische Rolle eines Interviewten weggesetzt und eine Machtposition eingenommen. Man könnte sagen: Wer fragt, führt.
Stellungsnahme Thiel:
Herr Thiel, wie haben Sie das Gespräch mit Herrn Schawinski erlebt? Nun, Roger hat mir vor allem persönliche Beleidigungen an den Kopf geworfen. Umfrage Wer trägt Schuld daran, dass die Diskussion bei Schawinski aus dem Ruder lief? Roger Schawinski hat seinen Gast beleidigt statt argumentiert. Er trägt als Moderator die Verantwortung für das gescheiterte Interview. 64 % Andreas Thiel hat provoziert, wo er nur konnte darum ging das Gespräch in die Hose. 15 % Beide waren nicht an einem fairen Gespräch interessiert - also sind auch beide schuld. 21 % Insgesamt 50440 Teilnehmer Bildstrecken Thiels "Streitschrift" über den Koran Warum ist das so eskaliert? Ich habe keine Ahnung. Schawinski macht gerne Leute fertig. Vielleicht wird er wütend, wenn sich einer nicht fertigmachen lässt. Was meinen Sie damit? Roger geht immer unter die Gürtelline, entweder indem er die Schadenfreude über seine Gäste bewirtschaftet oder auf etwas Peinlichem herumreitet. Ich wusste, dass er mit harten Bandagen unterwegs ist, aber dass er so tief schlägt, hat mich überrascht. Wenn Sie das wussten, warum sind Sie dann in die Sendung gegangen? Ich hätte ja schon eine Woche früher da sein sollen, habe aber zuerst abgelehnt, weil ich keine Lust hatte. Dann haben seine Leute nachgehakt, worauf ich zugesagt habe. Ich habe diesen Text über den Koran in der "Weltwoche" geschrieben und ich stehe zu jedem Wort. Und ich sagte mir, als Satiriker teile ich aus, also muss ich auch auch einstecken können. Was dann auch passierte Ja, Roger hat völlig die Contenance verloren. Bereits vor der Sendung gratulierte mir die Produktionsassistentin zum Mut, mich "dem auszusetzen" - was mich etwas beunruhigte. Nach der Sendung wollte Roger mir dann die Hand zuerst nicht reichen, hat mich noch viel heftiger beschimpft und mir mehrfach das Wort "Arschloch" ins Gesicht geschleudert. (Schawinski gibt zu, Thiel einmal als Arschloch betitelt zu haben, Anm. d. Red.) Und zum Schluss hat mir dann auch noch seine Produktionsleiterin auf dem langen Weg nach draussen alle Schande gesagt: Ich sei inkompetent und Leuten wie mir sollte es nicht erlaubt sein, sich über Themen wie den Koran zu äussern. Schawinski wirft Ihnen vor, ihn gleich zu Beginn des Gesprächs "antisemitisch in die Ecke gedrängt" zu haben. Ich wollte doch nur wissen, woran er glaubt. Ob er an Gott glaubt oder ob er agnostischer Jude oder Atheist ist - es ging in dem Gespräch um Religion. Doch auf ganz normale Fragen reagierte Roger mit maximaler Wut. Und wenn ich seine "Entschuldigung" von heute lese, stelle ich fest, dass er die Contenance offensichtlich noch nicht wieder gefunden hat. Das nächste Mal kann er mir ja die Antworten, die ich geben soll, vorab schriftlich zumailen. Es wird kaum ein nächstes Mal geben. Schawinski will nicht mehr mit Ihnen sprechen. Wären Sie denn zu einem Versöhnungsversuch bereit? Ich bin Roger nicht böse, aber überrascht und erstaunt über diese Aggressivität. Auf Social Media ist das Thiel-Lager eindeutig grösser als Team Schawinski. Und Ersteres fordert lautstark Schawinskis Kopf als Talkmaster. Fordern Sie den auch? Das ist mir völlig egal. Ich schaue kaum fern.
Blick:
Mohammed sei ein Kinderschänder und der Islam alles andere als eine friedliche Religion. Mit dem Artikel "Koran - die Bibel der Gewalt" in der "Weltwoche" brachte sich Andreas Thiel vor drei Wochen in die Schlagzeilen. Es folgte eine ironische Entschuldigung bei "Giacobbo/Müller", jetzt kam der nächste Knall. Roger Schawinski wollte ihm am Montag auf den Zahn fühlen. Thiel nutzte die Chance zur neuerlichen Provokation mit einem an Zynismus nicht zu überbietenden Auftritt, der Talk artete völlig aus. Gleich zu Beginn setzte der Satiriker wieder auf die Karte Religion und fragte Schawinski, ob er "Papierli-Jude" sei. Das brachte diesen völlig auf die Palme. Der Talker hatte sich nicht mehr unter Kontrolle, die Sendung wurde zum Fiasko. In den sozialen Medien sind die Sympathien vor allem auf der Seite Thiels. Erst mit dem Holzhammer auf die Muslime, jetzt Sticheleien gegen den jüdischen Schawinski - und das mit Erfolg. Markus Notter, ehemaliger Zürcher SP-Regierungrat und Präsident der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz (GMS), ist ausser sich über Thiels Kampagne: "Thiel geht mir auf den Geist. Was hat er denn schon zu sagen? Das haben schon viele vor ihm gesagt, aber nur weil er eine Irokesenfrisur hat und man das nicht so von ihm erwartet hat, reden nun alle über ihn." Deshalb kritisiert Notter auch Roger Schawinski, der Thiel in die Sendung eingeladen hat. "Das ist gefährlich", sagt Markus Notter. "Mit dieser Diskussion werden Grenzen verschoben. Ganz viele Leute fühlen sich bestätigt und trauen sich nun Dinge zu sagen, die sich vorher nicht getraut haben. Der Islam wird langsam zum Feindbild schlechthin und jeder kann sich daran abreagieren. Das ist schwierig, das kann man fast nicht mehr stoppen", sagt Notter. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Umgang mit Minderheiten sei das unglaublich gefährlich, sagt Notter. "Die Gesellschaft lebt davon, dass es Grenzen gibt. Dass sich Leute nicht trauen, die grössten Gemeinheiten zu sagen." Notter zieht sogar den Nazi-Vergleich. "Wenn wir die Geschichte ansehen, hat das Methode. Klar, das was jetzt gesagt wird, ist nicht so schlimm wie in den 1930er-Jahren, aber es ist dieselbe Entwicklung. Es ist eine Enthemmung in Gang und alle machen da mit."
Nachtrag vom 19. Dezember: Der Tagi hat ein paar interessante Daten.
Doch stimmt das? Wir haben die Sprechzeit gestoppt. Tatsächlich kommt der Talkmaster auf einen sehr hohen Wert: Schawinski sprach während 13 Minuten und 41 Sekunden. Thiel dagegen kam nur auf 11 Minuten und 54 Sekunden. Die von Schawinski zur Sendemitte versprochenen "50 Prozent Redezeit" gestand er Thiel also nicht zu. Die Sendung war in Anbetracht der vielen Unterbrechungen ein regelrechtes Hickhack: Schawinski fiel unserer Zählung zufolge seinem Gast 37-mal ins Wort, Thiel unterbrach seinen Antipoden seinerseits nur 7-mal . Der Reigen der Beleidigungen begann mit Frisurenbeschimpfungen; Thiel spottete über Schawinskis "langweilige Frisur". Danach foppte der Kabarettist den Talkmaster mehrmals, etwa mit der Frage, ob er eigentlich immer so viel rede, oder indem er ihn als Boulevardjournalisten bezeichnete. Sehr provokant war bereits Thiels Eingangsfrage gewesen, ob Schawinski ein "Papierjude" sei. Schawinski andererseits war deutlich häufiger ausfällig, erst bezeichnete er Thiel als "pubertär", danach folgten weitere Beleidigungen: "aufgeblasener Typ", der "Stuss" rede, "übelster Rassist". Fazit: Thiel hatte durchaus Grund zur Klage - eine Sendung, in der der Fragesteller länger redet als der Befragte und seinem Gast derart häufig ins Wort fällt, kann getrost als verunglückt bezeichnet werden.

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