Selbst ein "König von Talkshow Interviews" kann schwierige
Situationen antreffen.
Quelle: Youtube
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Mit einem Weltwocheartikel über den Koran hatte
der Satiriker und Kabaretist Andreas Thiel provoziert.
Roger Schawinski hat Thiel am 15. Dezember in seiner Talkshow interviewt.
Es war ein schwieriges Gespräch für den Interview Profi.
Mutig, dass Schawinski das Gespräch trotzdem ausgestrahlt hat.
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20 Min:
In der Talkshow "Schawinski" von letztem Montag war der Berner
Kabarettist Andreas Thiel zu Gast. Zu reden gaben die provokativen
Äusserungen zum Islam, die Thiel in einem Artikel der "Weltwoche"
gemacht hatte. Doch das Gespräch drehte sich kaum um die Sache und
wurde schnell persönlich und verletzend. Umfrage Hätte Roger
Schawinski die Sendung abbrechen müssen?
Jetzt nimmt Roger Schawinski bei 20 Minuten exklusiv Stellung zum Eklat
in seiner Sendung: "Leider hat mein Gast, der Komiker Andreas Thiel,
den Charakter der Interview-Sendung von der ersten Minute an gezielt
torpediert. Er weigerte sich beharrlich, konkrete Fragen zu beantworten
und stellte umgekehrt laufend selbst sehr persönliche und verletzende
Fragen an mich. Zudem brachte er laufend neue, völlig themenfremde
Elemente ein, um einen echten Gesprächsfluss zu verhindern."
Die Sendung lief komplett aus dem Ruder. Die beiden Kontrahenten zeigten
sich sichtlich genervt. "Mit dieser Strategie erreichte er sein einziges
Ziel, nämlich ein kontroverses Gespräch zu verunmöglichen,
in dem man die von ihm publizierten extremen Thesen über den Koran
in sachlicher Weise hätte diskutieren können", so Schawinski.
"Ich habe eine solche Extremsituation noch nie erlebt und zu emotional
reagiert. Die Sendung war unter diesen Umständen schlicht nicht
zu retten. Ich hätte sie sinnvollerweise bereits nach fünf
Minuten abbrechen müssen und nicht ausstrahlen dürfen. Ich
bedauere zutiefst, dass ich dies nicht getan habe und entschuldige mich
dafür bei den Zuschauern."
Andreas Thiel war bisher für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
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Kommentar im Blick
- Tagi
Zwar hat Schawinski recht, wenn er nun sagt, dass Thiel das Gespräch
gezielt torpediert habe. Unrecht hat er aber mit der Aussage, dass er das
Gespräch hätte abbrechen müssen.
Denn nicht Thiels Provokationen, die sich vor allem gegen Schawinskis Art
der Gesprächsführung und das Sendungskonzept richteten, waren
das Problem, sondern Schawinskis emotionale Reaktionen darauf.
Es entstand so eine umgekehrte Gesprächssituation: Hier der gestresste
Moderator, dort der coole Gast.
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Solothurner Zeitung
Nachtrag vom 18. Dezember
Aus 20 Min
Herr Knill, der Talk zwischen Roger Schawinski und Komiker Andreas Thiel
ist eskaliert. Warum?
Was hier geführt wurde, war keine Diskussion im klassischen Sinne,
sondern ein Duell. Keiner der Gesprächspartner hatte das Ziel, sein
Gegenüber zu überzeugen. Die beiden haben verbal aufeinander
eingeprügelt. Was dabei zählte, war nicht, wer die besseren
Argumente hat, sondern wer am Ende besser wegkommt.
Wer ist denn besser weggekommen?
Bei diesem Streit konnte es keinen klaren Sieger geben. Rein aus
der Gesprächsanalyse würde ich sagen, dass sich die beiden
ein Unentschieden geliefert haben. Dabei wird aber ein wichtiger Punkt
vergessen: Schawinski hatte viel mehr zu verlieren als Thiel. Die Sendung,
in der das Gespräch ausgestrahlt wurde, trägt seinen Namen. Wenn
er darin die Fassung verliert, zählt das viel mehr, als wenn das
bei seinen Gästen passiert.
Wie hat Thiel es geschafft, Schawinski aus dem Gleichgewicht zu bringen?
Er hat vor allem mit der Überraschung gearbeitet. Wer Schawinski
ein bisschen kennt, weiss, dass dieser alle Interviews mit der Frage
"Wer bist du?" beginnt. Thiel war darauf vorbereitet und hat sofort
angefangen, Schawinski mit Gegenfragen in die Enge zu treiben. Zudem hat
er das Gespräch auf eine sehr persönliche, emotionale Ebene
reduziert und Schawinski damit destabilisiert. Dabei ist er selber immer
sehr ruhig geblieben, obwohl es in ihm vor Wut gebrodelt haben muss.
Und das hat schon gereicht, um einen erfahrenen Talkmaster wie Schawinski
aus der Fassung zu bringen?
Schawinski war wohl völlig überrumpelt von Thiels Art. Ich
kenne ihn persönlich und so fassungslos wie am Montag habe ich ihn
noch nie erlebt. Schuld am Debakel war vielleicht sein Stolz. Er hatte
einige recht gute Trümpfe gegen Thiel in der Hand und muss sich
wohl gedacht haben: "Den Typen nagle ich jetzt an die Wand." Dieser ist
aber so gut wie gar nicht auf die Vorwürfe eingegangen. Damit hat
er wohl einen Schwachpunkt getroffen: Schawinski ist stark, solange er
aggressive Fragen stellen kann. Wenn jemand dabei aber cool bleibt wie
Thiel, wird er unsicher.
Wie hat sich diese Unsicherheit geäussert?
Ein gutes Beispiel dafür war, als Thiel ihn fragte, ob er denn den
Koran selber gelesen habe. Das Einzige, was Schawinski darauf sagen
konnte war: "Ich habe dafür andere Bücher gelesen." Mit
solchen Gegenfragen hat Thiel sich über die klassische Rolle
eines Interviewten weggesetzt und eine Machtposition eingenommen. Man
könnte sagen: Wer fragt, führt.
Stellungsnahme Thiel:
Herr Thiel, wie haben Sie das Gespräch mit Herrn Schawinski erlebt?
Nun, Roger hat mir vor allem persönliche
Beleidigungen an den Kopf geworfen. Umfrage Wer trägt Schuld daran,
dass die Diskussion bei Schawinski aus dem Ruder lief? Roger Schawinski
hat seinen Gast beleidigt statt argumentiert. Er trägt als Moderator
die Verantwortung für das gescheiterte Interview. 64 % Andreas
Thiel hat provoziert, wo er nur konnte darum ging das Gespräch
in die Hose. 15 % Beide waren nicht an einem fairen Gespräch
interessiert - also sind auch beide schuld. 21 % Insgesamt 50440
Teilnehmer Bildstrecken Thiels "Streitschrift" über den Koran
Warum ist das so eskaliert? Ich habe keine Ahnung. Schawinski macht
gerne Leute fertig. Vielleicht wird er wütend, wenn sich einer
nicht fertigmachen lässt.
Was meinen Sie damit? Roger geht immer unter die Gürtelline,
entweder indem er die Schadenfreude über seine Gäste
bewirtschaftet oder auf etwas Peinlichem herumreitet. Ich wusste, dass
er mit harten Bandagen unterwegs ist, aber dass er so tief schlägt,
hat mich überrascht.
Wenn Sie das wussten, warum sind Sie dann in die Sendung gegangen?
Ich hätte ja schon eine Woche früher da sein sollen, habe
aber zuerst abgelehnt, weil ich keine Lust hatte. Dann haben seine Leute
nachgehakt, worauf ich zugesagt habe. Ich habe diesen Text über den
Koran in der "Weltwoche" geschrieben und ich stehe zu jedem Wort. Und
ich sagte mir, als Satiriker teile ich aus, also muss ich auch auch
einstecken können.
Was dann auch passierte
Ja, Roger hat völlig die
Contenance verloren. Bereits vor der Sendung gratulierte mir die
Produktionsassistentin zum Mut, mich "dem auszusetzen" - was mich etwas
beunruhigte. Nach der Sendung wollte Roger mir dann die Hand zuerst nicht
reichen, hat mich noch viel heftiger beschimpft und mir mehrfach das Wort
"Arschloch" ins Gesicht geschleudert. (Schawinski gibt zu, Thiel einmal
als Arschloch betitelt zu haben, Anm. d. Red.) Und zum Schluss hat mir
dann auch noch seine Produktionsleiterin auf dem langen Weg nach draussen
alle Schande gesagt: Ich sei inkompetent und Leuten wie mir sollte es
nicht erlaubt sein, sich über Themen wie den Koran zu äussern.
Schawinski wirft Ihnen vor, ihn gleich zu Beginn des Gesprächs
"antisemitisch in die Ecke gedrängt" zu haben.
Ich wollte doch nur wissen, woran er glaubt. Ob er an Gott glaubt oder
ob er agnostischer Jude oder Atheist ist - es ging in dem Gespräch
um Religion. Doch auf ganz normale Fragen reagierte Roger mit maximaler
Wut. Und wenn ich seine "Entschuldigung" von heute lese, stelle ich
fest, dass er die Contenance offensichtlich noch nicht wieder gefunden
hat. Das nächste Mal kann er mir ja die Antworten, die ich geben
soll, vorab schriftlich zumailen.
Es wird kaum ein nächstes Mal geben. Schawinski will nicht mehr
mit Ihnen sprechen. Wären Sie denn zu einem Versöhnungsversuch
bereit? Ich bin Roger nicht böse, aber überrascht und erstaunt
über diese Aggressivität.
Auf Social Media ist das Thiel-Lager eindeutig grösser als
Team Schawinski. Und Ersteres fordert lautstark Schawinskis Kopf als
Talkmaster. Fordern Sie den auch? Das ist mir völlig egal. Ich
schaue kaum fern.
Blick:
Mohammed sei ein Kinderschänder und der Islam alles andere als
eine friedliche Religion. Mit dem Artikel "Koran - die Bibel der
Gewalt" in der "Weltwoche" brachte sich Andreas Thiel vor drei Wochen
in die Schlagzeilen. Es folgte eine ironische Entschuldigung bei
"Giacobbo/Müller", jetzt kam der nächste Knall.
Roger Schawinski wollte ihm am Montag auf den Zahn fühlen. Thiel
nutzte die Chance zur neuerlichen Provokation mit einem an Zynismus nicht
zu überbietenden Auftritt, der Talk artete völlig aus. Gleich
zu Beginn setzte der Satiriker wieder auf die Karte Religion und fragte
Schawinski, ob er "Papierli-Jude" sei. Das brachte diesen völlig
auf die Palme. Der Talker hatte sich nicht mehr unter Kontrolle, die
Sendung wurde zum Fiasko. In den sozialen Medien sind die Sympathien
vor allem auf der Seite Thiels.
Erst mit dem Holzhammer auf die Muslime, jetzt Sticheleien gegen den
jüdischen Schawinski - und das mit Erfolg. Markus Notter, ehemaliger
Zürcher SP-Regierungrat und Präsident der Gesellschaft
Minderheiten in der Schweiz (GMS), ist ausser sich über Thiels
Kampagne: "Thiel geht mir auf den Geist. Was hat er denn schon zu
sagen? Das haben schon viele vor ihm gesagt, aber nur weil er eine
Irokesenfrisur hat und man das nicht so von ihm erwartet hat, reden nun
alle über ihn." Deshalb kritisiert Notter auch Roger Schawinski,
der Thiel in die Sendung eingeladen hat.
"Das ist gefährlich", sagt Markus Notter. "Mit dieser Diskussion
werden Grenzen verschoben. Ganz viele Leute fühlen sich
bestätigt und trauen sich nun Dinge zu sagen, die sich vorher nicht
getraut haben. Der Islam wird langsam zum Feindbild schlechthin und jeder
kann sich daran abreagieren. Das ist schwierig, das kann man fast nicht
mehr stoppen", sagt Notter.
Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Umgang mit
Minderheiten sei das unglaublich gefährlich, sagt Notter. "Die
Gesellschaft lebt davon, dass es Grenzen gibt. Dass sich Leute nicht
trauen, die grössten Gemeinheiten zu sagen."
Notter zieht sogar den Nazi-Vergleich. "Wenn wir die Geschichte ansehen,
hat das Methode. Klar, das was jetzt gesagt wird, ist nicht so schlimm
wie in den 1930er-Jahren, aber es ist dieselbe Entwicklung. Es ist eine
Enthemmung in Gang und alle machen da mit."
Nachtrag vom 19. Dezember:
Der Tagi
hat ein paar interessante Daten.
Doch stimmt das? Wir haben die Sprechzeit gestoppt. Tatsächlich kommt
der Talkmaster auf einen sehr hohen Wert: Schawinski sprach während
13 Minuten und 41 Sekunden. Thiel dagegen kam nur auf 11 Minuten und 54
Sekunden. Die von Schawinski zur Sendemitte versprochenen "50 Prozent
Redezeit" gestand er Thiel also nicht zu.
Die Sendung war in Anbetracht der vielen Unterbrechungen ein regelrechtes
Hickhack: Schawinski fiel unserer Zählung zufolge seinem Gast 37-mal
ins Wort, Thiel unterbrach seinen Antipoden seinerseits nur 7-mal .
Der Reigen der Beleidigungen begann mit Frisurenbeschimpfungen; Thiel
spottete über Schawinskis "langweilige Frisur". Danach foppte
der Kabarettist den Talkmaster mehrmals, etwa mit der Frage, ob er
eigentlich immer so viel rede, oder indem er ihn als Boulevardjournalisten
bezeichnete. Sehr provokant war bereits Thiels Eingangsfrage gewesen,
ob Schawinski ein "Papierjude" sei. Schawinski andererseits war
deutlich häufiger ausfällig, erst bezeichnete er Thiel als
"pubertär", danach folgten weitere Beleidigungen: "aufgeblasener
Typ", der "Stuss" rede, "übelster Rassist".
Fazit: Thiel hatte durchaus Grund zur Klage - eine Sendung, in der der
Fragesteller länger redet als der Befragte und seinem Gast derart
häufig ins Wort fällt, kann getrost als verunglückt
bezeichnet werden.