Die
Regulierung
des Internets ist auch politisch. Es ist "Netzpolitik".
Es geht um Regulierung der Firmen, Internetüberwachung,
Netzeneutralität, Vorratsdatenspeicherung, Urheberrecht, Datenlöschung.
Die Sache ist nicht nur wichtig, sondern auch emotional: Worte wie
"Zweiklasseninternet", "Bürokratisierung", "Schnüffelstaat", "Schutz der Kinder",
"Netzfreiheit", "Zensur" illustrieren das. Politiker Stimmen Pro und Kontra mehr Regulierung finden sich
schon hier aus dem Jahre 2009.
Heise hat einen
Kommentar von Herbert Braun zur Resolution des Europäischen Parlaments für eine Zerschlagung von Google.
Die Geschichte der deutschen Internetparanoia ist lang: verpixelte
Hausfassaden, die armselige Facebook-Account-Kündigung der
Verbraucherschutzministerin, die nach jahrelangen Debatten immer
nicht beseitigte Störerhaftung für freie WLAN-Netze,
die Einwilligungspflicht für jeden Cookie und eine masslose
Gesetzgebung, die Hobby-Websites für ein fehlerhaftes Impressum,
das Loggen der Besucher-IP-Adressen oder die Einbettung eines Bildes, die
anderswo als "Fair Use" durchginge, mit harten Sanktionen bedroht. Und
Datenschützer spielen Missionare, die ihre unmündigen
Schäfchen vor jenen Technologien beschützen zu müssen
glauben, die diese aus freien Stücken nutzen. Ein Höhepunkt
dieser Entwicklung schien das Leistungsschutzrecht zu werden, der BER
der deutschen Medienbranche. Seine europäischen Partner stehen
Deutschland in seinem Wahnsinn bei und drehen diesen noch weiter. Ein
neues Phänomen sind die weltumspannenden Allmachtsphantasien der
Europäer. Das Recht auf Vergessen - eine Art Versuch, Geschichte
umzuschreiben, den selbst ein Bundesverfassungsrichter für eine
Bedrohung der Meinungsfreiheit hält - soll weltweit gelten. Wie
würden die Europäer wohl reagieren, wenn etwa die Chinesen
unliebsame Äusserungen weltweit aus dem Internet gelöscht sehen
möchten? Den aktuellen Superlativ im hilflosen Wüten gegen eine
Technik, die die Politik und die massgeblichen Lobbys nicht beherrschen
können, lieferte in der vergangenen Woche das Europäische
Parlament - ausgerechnet jene europäische Institution, die noch
am ehesten am Wählerwillen interessiert zu sein scheint. In einem
beispiellosen Amoklauf hat es eine Resolution verabschiedet, Google
zu zerschlagen.
Wo soll man da anfangen? Hat es Sinn, auf Durchgedrehte vernünftig
und beruhigend einzureden? Sagen wir es so: Möglicherweise wird das
US-Unternehmen Google diesem Wunsch europäischer Parlamentarier nicht
Folge leisten. Möglicherweise macht sich eine politische Institution
zum Deppen, wenn sie basierend auf dünnen und parteilichen Argumenten
Forderungen aufstellt, die sehr, sehr wahrscheinlich nicht erfüllt
werden. Der Entwurf für diese Resolution kommt übrigens aus dem
gleichen Stall wie das Leistungsschutzrecht - mehr muss man eigentlich
nicht dazu wissen.
Die Politik gibt vor, die grossen, bösen US-Internetkonzerne zu
bekämpfen - aber sie bekämpft das Internet selbst. Und das
ist kein Versehen: Wenn die deutsche und europäische Politik es
könnte, würde sie das Internet noch heute abschalten, durch
einen sauber kontrollierten Datendienst ersetzen, bei dem jedes Byte vor
dem Versand ein Formular in drei Durchschlägen ausfüllen muss,
und die Uhr 25 Jahre zurückdrehen. Und das macht mir mehr Angst
als die Gigabyte von Daten, die Google, Facebook, Amazon und Twitter
über mich aufgehäuft haben.
Das Internet ist oft gierig und hässlich, es ist masslos in seinem
Hunger nach privaten Daten und schnellen Reizen und es fördert
die schlimmsten Eigenschaften mancher Exemplare des homo sapiens
zutage. Trotzdem: Wenn die Politik das Internet zerstören will,
weiss ich, auf welcher Seite ich stehe.
Eine andere Stimme von Stefan May auf
Heise
argumentiert für eine Entflechtung des Quasi Monopols:
Darüber hinaus beantwortet Google Suchanfragen oft gleich selbst. Wer
nach Wetter-Informationen sucht, sieht eine bunte Wetterkarte von
Google, wer nach Sport-Ergebnissen Ausschau hält, eine interaktive
Tabelle. Zu WM- und Olympia-Zeiten war die Karte so gross, dass sie
selbst auf mittelgrossen Laptops die sonstigen Anbieter vom Bildschirm
verdrängt hatte.
Für Anbieter führt das zwangsläufig zu
Besucherverlusten. Das externe Flugvergleichsportal oder die
Wetter-Informationsseite kann noch so einzigartige Inhalte bieten,
sie haben keine Chance: Google Flights und die Google-Wetterkarte
wird immer prominenter platziert sein. Im Bereich von Kartenmaterial
gibt es kaum einen ernst zu nehmenden Wettbewerber von Google, das
ambitionierte Crowdsourcing-Projekt OpenStreetMaps beispielsweise ist
fast ausschliesslich Nerd-Terrain. In den Bereichen Wetter, Sport und
Reisen geht Google ähnlich vor.
Für Nutzer führt die Strategie mittelfristig zu weniger
Vielfalt. Eine klare Trennung von Suchmaschine und Inhalten wäre
deswegen vonnöten. Auch wenn der heutige Beschluss des EU-Parlaments
faktisch eher symbolischer Natur war, war er richtig - und wichtig. Von
mahnenden Worten wird sich Google nicht beeindrucken lassen. Die Politik
muss Massnahmen androhen und grosse Töne über den grossen
Teich spucken. Grosse Bühne für grosse Probleme
Das Thema muss auf der grösstmöglichen Bühne verhandelt
werden, denn es ist nicht nur ein Ärgernis für einige Anbieter
und weinerliche Branchen-Manager. Der offensichtliche Missbrauch
des Quasi-Monopols auf dem Suchmarkt gefährdet auf Dauer die
ökonomische und inhaltliche Vielfalt im Internet.