Früher nannte man sie
Ammenmärchen
heute heissen sie "Urban Myths" oder
Moderne Sagen,
unglaubliche Geschichten, die sich als Mythos weiterverbreiten. Wenn sie in Nachrichten auftauchen,
können sie Zeitungsenten werden.
- So gibt es die Geschichte vom
Geschäftsmann, der auf einer Reise von einer Frau verführt und am anderen Morgen feststellen musste,
dass ihm in der Nacht eine Niere wegoperiert worden war.
- Eine andere Geschichte handelt vom Autofahrer, der einen Autostopper am Wegrand sieht, und verlangsamt, um
anzualten. Als plötzlich weitere Gestalten aus dem Busch auftauchen, weiss er, dass es sich um einen Überfall
handelt. Er drückt aufs Gaspedal, hört noch einen Schlag auf den Kofferraum, kommt aber unversehen davon.
Zu Hause angekommen, öffnet er den Kofferraum und entdeckt eine blutige abgerissene Hand mit einem Schlagring.
Das Buch "Brown, die 500 besten Urban Legends" beinhaltet eine grosse Sammlung von Geschichten. Eine kleine Auswahl:
- So die Geschichte vom
Mann aus New York, der auf der Strasse von einem anderen angerempelt wird. Kurz danach merkt er, dass sein
Portemonnaie fehlt. Er rennt zurück, schlägt den anderen nieder und nimmt dem alles Geld ab.
Als er zu Hause ankommt, findet er sein Portemonnaie auf dem Küchentisch. Er hatte es dort am Morgen vergessen.
- Eine andere Frau in Argentinien geht durch einen Park als sie merkt, wir ihr das Halskettchen vom Hals weggeschnitten
wird. Sie greift dem Angreifer an den Hals und reisst ihm dessen Halskette weg. Als sie zum Juwelier geht ist sie erfreut:
die Kette ist 22 Karat Gold, während ihre Eigene nur eine Fälschung gewesen war.
- Ein drittes Beispiel erzählt vom Mann in Hong Kong, der sich umbringen will und den Kopf in den
Ofen steckt, und den Gashahn aufdreht. Ein eine Zigarette rauchender Nachbar kommt zufällig vorbei. Es gibt
eine grosse Explosion, bei der 9 Menschen im Gebäude sterben. Der Mann mit dem Kopf im Ofen kommt mit
kleineren Verletzungen davon: der Ofen hat ihn vom einstürzenden Haus gerettet.
Ein Guardian Reporter ging einer Tabloid Geschichte über einen toten Löwen im Kühlschrank
nach.
20 Min
Gesundheitsinspektor Ian Brightmore soll in einem englischen Restaurant
in der Grafschaft West Sussex einen tiefgekühlten Löwen
gefunden haben. Laut dem "Mirror" lag das Tier in der Kühltruhe
neben Nahrungsmitteln, die für die ahnungslosen Kunden vorgesehen
waren - eine schwerwiegende Verletzung der Hygienevorschriften.
Der Restaurantbesitzer tischte Brightmore eine einfache Erklärung
auf: Der nahegelegene Zoo habe ihm den Löwen geschenkt: als Futter
für sein Hunderudel.
Die Geschichte klingt zu schräg, um wahr zu sein. Das fand auch
der Reporter Mark Tran vom "Guardian". Das Foto des toten Löwen
sehe bearbeitet aus, sagt Tran.
Der "Guardian"-Reporter geht der Geschichte nach und stutzt bereits bei
der Originalquelle, einem Artikel im "Midhurst and Petworth Observer"
über das Leben eines Gesundheitsinspektors. Darin sagt Inspektor
Brightmore: "Als ich in einem anderen Distrikt arbeitete, habe ich einen
Löwen im Tiefkühler gesehen." Über den genauen Ort und
Zeitpunkt des Fundes will Brightmore keine Angaben machen. Der "Mirror"
nimmt die Geschichte trotzdem auf.
Als Nächstes ruft Tran beim Chichester District Council in
West Sussex an, bei dem Ian Brightmore angestellt ist. Er spricht mit
Brightmore, aber dieser will keine Angaben zum Löwenfund machen. Er
verweist Tran auf die Pressestelle. "Wenn wir schon am Telefon sind,
stimmt das Löwen-Märchen?", hakt Tran nach. "Ja", sagt
Brightmore, "aber das war vor einer langen Zeit".
Als Tran endlich bei der Pressestelle durchkommt, sagt die Sprecherin,
die Originalgeschichte sei fehlerhaft. Der Zwischenfall sei vor 30
Jahren ausserhalb der Gegend von West Sussex passiert. Ausserdem habe es
sich nicht um ein Restaurant gehandelt, sondern um eine "andere Art von
Lebensmittelbetrieb". Die Sprecherin sagt, Ian Brightmore habe auch ihr
gegenüber nicht angeben wollen, wo er den Löwen gefunden hatte.
Voller Irreführungen der Presse und fehlender Angaben der
betroffenen Personen, ähnelt die Geschichte des Löwen im
Tiefkühler einem "Urban Myth", - einem Ammenmärchen, das
sich durch unzureichende Recherche nicht bestätigen lässt und
trotzdem von den Medien verbreitet wird. Und so dürfte es sich bei
diesem Löwen um eine Ente handeln.
Quellen: