Ein eindrückliches Videodokument, das von der italienischen Polizei veröffentlicht wurde
ist im
Spiegel zu sehen:
"Ihr könnt überall arbeiten", sagt der Mafiaboss zu seinen
Nachwuchskräften, "Erpressung, Kokain, Heroin. Es gibt alles. Zehn
Kilo, 20 Kilo am Tag. Ich werde es euch persönlich geben, aber dann
will ich nichts mehr davon wissen."
Die offenen Worte, die der 'Ndrangheta-Statthalter Antonio
N. in einer Gastwirtschaft im schweizerischen Frauenfeld an ein gutes
Dutzend seiner Gefolgsleute richtete, haben ihn in arge Bedrängnis
gebracht. Denn die Behörden nahmen das geheime Mafiatreffen
mit einer versteckten Kamera auf - und die Männer bald darauf
fest. Das Überwachungsvideo, inzwischen veröffentlicht von der
italienischen Polizei, erlaubt einen tiefen Einblick in die abgeschottete
Welt des organisierten Verbrechens.
An zwei Holztischen sitzen die Mafiosi, Bierflaschen vor sich, im
Hintergrund ist Fachwerk zu erkennen, der Teppich scheint fleckig
zu sein. Antonio N. eröffnet das Treffen mit den Novizen der
'Ndrangheta auf traditionelle Weise, in italienischer Sprache: "So wie
die Ritter getauft wurden mit Eisen und Ketten, Eisen und Ketten, taufe
ich diesen Ort", sagt er. "Ich möchte euch erinnern an die Regeln,
die seit 1830 existieren, und an die Vorschriften und Verhaltensweisen
der Mafia. Diese gelten hier in der 'Gesellschaft' von Frauenfeld."
Bei der "Ehrenwerten Gesellschaft" aus dem Kanton Thurgau handelt
es sich laut Schweizer Bundesanwaltschaft um eine "schwergewichtig
operierende" Gruppierung, die massiv in Drogen- und Waffenhandel
verstrickt sein soll. 16 mutmassliche Mitglieder wurden in Italien
inzwischen festgenommen, darunter auch Antonio N.
Nach Erkenntnissen der Ermittler in der Operation "Helvetia" fungierte
der kahlköpfige Mann mit dem grauen Schnauzbart in Frauenfeld
als direkter Statthalter des inhaftierten Bosses der Bosse: Domenico
Oppedisano, genannt "Micu", ist ein Mafia-Pate alten Schlags. Bis
zu seiner Festnahme fuhr er täglich in die Orangenhaine seiner
kalabrischen Heimat, sodass die Ermittler irgendwann die Bäume
verwanzten.
"Ich bin nicht unter den ersten zehn in Kalabrien, aber unter den ersten
fünfzehn", sagt wiederum Antonio N. in dem Überwachungsvideo
über sich. Seine Mafia-Filiale in Frauenfeld bestehe "seit 37, 38
Jahren" und habe sich eine gute Reputation verschafft: "Wir sind sauber,
sauber, es hat Jahre gedauert, diesen Ruf aufzubauen." Seine Organisation
sei eine "von Ehre, Weisheit und Würde", tönt der kriminelle
Filialleiter und plaudert ganz unverhohlen über Erpressungen und
Morde, mit denen spezielle Killerkommandos beauftragt würden.