Verstoerendes Henkervideo
Rhetorik.ch Artikel zum Thema: |
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Militante von ISIS haben am 20. August ein Video von der
Köpfung des US Journalisten Foley verbreitet.
Das Video heisst "Eine Nachricht für Amerika" (A Message to America").
Der Vorfall erinnert an die
Köpfung
von Daniel Pearl im Jahre 2002. Es gab Aufrufe,
die Verbreitung der Bilder zu stoppen. Man weiss nun auch, dass die USA Foley
retten wollte, ihn aber nicht ausspüren konnten. Die USA setzten
unterdessen ihre
Luftschläge im Irak fort. Man weiss nun auch, dass die Entführer
ein Lösegeld erpressen wollten.
Der Spiegel::
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636 Tage lang hat Diane Foley gehofft, dass ihr entführter Sohn freikommt, fast zwei
quälende Jahre lang. Nun hat sie die schreckliche Gewissheit: Ihr Junge, der Journalist James
"Jim" Foley, ist offenbar tot, mutmasslich ermordet von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).
"Er hat sein Leben dafür gegeben, zu versuchen, der Welt das Leid des syrischen Volkes zu zeigen",
schreibt Diane Foley auf Facebook. "Wir bitten die Entführer, das Leben der restlichen
Geiseln zu verschonen. Wie Jim sind sie Unschuldige.
Sie haben keinen Einfluss auf die amerikanische Regierungspolitik im Irak, in Syrien oder irgendwo sonst in der Welt."
Bei den Mördern ihres Sohnes wird Diane Foley damit wohl kaum durchdringen. Die IS hat ihn umgebracht, weil
er amerikanischer Staatsbürger war.
Sie glaubt, auf diese Weise US-Präsident Barack Obama erpressen zu
können: Wenn Obama nicht damit aufhört, IS-Stellungen im Irak bombardieren zu lassen, drohen
die Islamisten, werde man noch einen zweiten amerikanischen Journalisten umbringen.
Dahinter steckt ein grausamer Plan, den IS in ihrem Kampf für einen "Gottesstaat" im Osten Syriens und
im Westen Iraks lange vorbereitet hat. Vor über einem Jahr hat die Miliz, die sich damals noch
"Islamischer Staat im Irak und in Syrien" (ISIS) nannte, angefangen, westliche Journalisten zu
verschleppen, einen nach dem anderen. Bald schon wurde vermutet, die Radikalen wollten sich
mit den gezielten Geiselnahmen absichern.
Quellen: (Die Bilder sind verstörend). Viele Medien, wie auch der
Spiegel
meinen, es sei besser, das Video nicht zu verbreiten, um nicht Propaganda zu verbreiten:
Anmerkung der Redaktion: SPIEGEL ONLINE zeigt das im Web kursierende Video der Enthauptung James Foleys nicht.
Die Bilder zu zeigen würde die Würde des Opfers verletzen und wäre Propaganda für die Islamisten.
Auch kursieren
Meinungen
die suggerieren, dass sich die Medienlandschaft reifer geworden sei, und sich die Leute
mehr zurückhalten, solche Videos per Social media zu sehen oder zu verbreiten. Die rohen Zahlen widersprechen: innert eines
Tages wurde der Foley Video eine Million mal gesehen. Man kann sich auch streiten, ob der Video der Sache von ISIS
hilft, zeigen sie doch die Brutalität und Barbarei und rechtfertigen Militärschläge gegen diese
Organisation.
Nachtrag vom 21. August, 2014:
Ein Heise Artikel
beschäftigt sich mit der Frage, ob die Bilder gezeigt werden dürfen.
Ist die Veröffentlichung des Bildes moralisch bereits verwerflich,
während die Rede über die Köpfung des US-Journalisten
moralisch einwandfrei ist?
Exakt für die Erzeugung einer globalen Aufmerksamkeit wurde der
Journalist auch getötet, zumal die Enthauptung des Amerikaners
wohl von einem Briten ausgeführt wurde. Die Schock- und
Erregungswellen, die nun weltweit entstanden sind, machen aber auch
deutlich, dass das Leben eines Amerikaners, also eines Menschen aus
dem Westen, offenbar sehr viel wichtiger ist als das von Menschen in
Syrien oder im Irak, wo der Islamische Staat schon lange äusserst
brutal und auch für die Kameras Menschen hingeschlachtet,
geköpft oder gekreuzigt hat. Erst wenn ein Massenmord ansteht,
wacht die westliche Wertegemeinschaft auf, wahrscheinlich auch erst
wirklich dann, wenn eine Macht entsteht, die
die geopolitisch gewünschte Ordnung durcheinander bringt
und die
eigene Sicherheit gefährdet. Das ist beim Islamischen Staat schon
deshalb der Fall, weil er viele Menschen aus den europäischen
Ländern anzieht, die die im Nahen Osten praktizierte Barbarei
reimportieren könnten.
Die deutschen Medien sehen sich nun angesichts des Enthauptungsvideos
vor einem Dilemma. Das Video dient der Propaganda, ganz klar, wer es
verbreitet, wird zum Helfer. Aber offensichtlich glauben deutsche
Medien, dass sie dann, wenn sie das Video nicht zeigen und nicht
verlinken, auch nicht mitschuldig werden, auch wenn sie über die
Enthauptung und das Video berichten. Das ist Scheinheiligkeit. Die
Tagesschau, die Auskunft bei anderen Medien eingeholt hat, sticht
besonders hervor. Man zeigt gewissenhaft keine Bewegtbilder, sondern
nur ein Standbild. Gewählt würde damit "die distanzierteste
Form" dokumentarischer Berichterstattung. Gleichwohl werden und
wurden andere Bilder, die vom Islamischen Staat verbreitet wurden,
gezeigt. Und man
berichtet auch ohne das Zeigen des Videos über dieses und die
Köpfung, als ob dies nicht den Interessen der Islamisten
entsprechen würde. Die Leser und Zuschauer können
natürlich im Internet nach dem Video suchen, selbst wenn Twitter
und YouTube versuchen, die Verbreitung zu unterbinden, während
man lange nichts gegen die Propaganda des Islamischen Staats mit
mindestens so grausamen Bildern unternommen hat. Heribert Prantl
von der Süddeutschen sieht offenbar den wichtigsten Unterschied
zwischen Wort und Bild:
"Das Kalkül der Terroristen, mit Schockbildern Furcht, Schrecken
und Horror zu verbreiten, darf nicht aufgehen", erklärte
"SZ"-Politikchef
Heribert Prantl. "Man darf sich nicht zum nützlichen Idioten
von
terroristischen Verbrechern machen." Die Redaktion sei sich einig,
die Bilder nicht zu zeigen. "Es ist ausreichend, die Verbrechen
schriftlich darzulegen", sagte Prantl.
Die Deutsche Presseagentur windet sich:
"Der unmittelbare Blick auf die Todesangst eines Menschen gehört
nicht in das Angebot der dpa", sagt Chefredakteur Sven Gösmann.
"Entsprechende Bilder zu verbreiten, würde die Würde und
Persönlichkeitsrechte des Betroffenen verletzen. Wir haben uns
deshalb im Fall der mutmasslichen Enthauptung von James Foley bewusst
entschieden, im dpa-Bildfunk nur ein Foto mit verpixeltem Gesicht
anzubieten sowie nirgendwo bei dpa auf das Internetvideo zu verlinken.
Dass wir das Bild unseren Kunden überhaupt zur Nutzung angeboten
haben, halten wir allerdings für journalistisch geboten, denn
es ist ein wichtiges zeitgeschichtliches Dokument." tagesschau
Klar sollte sein, dass man auch dann, wenn man keine Bilder oder
keine Bewegtbilder verbreitet und keinen Link auf das Video setzt,
die Propaganda dennoch unterstützt. Mag sein, dass die Bilder
verstörender sind, aber die von den Anarchisten entwickelte
Propaganda der Tat durch Anschläge lebte auch bereits davon,
dass die Taten berichtet wurden, es war noch keine Propaganda des
Bildes. Offenbar gehen die Medienverantwortlichen davon aus, dass
sie weniger schuldig werden, wenn sie nur schriftlich oder verbal die
von den Islamisten produzierte Nachricht verbreiten. Viel wirksamer
wäre freilich, wenn sie es gar nicht täten. So erzeugen sie
brav Aufmerksamkeit für die Islamisten, verstärken deren
Bedeutung und führen dazu, dass Interessierte auf eigene Faust
nach dem Video suchen. Möglicherweise wird durch das Nichtzeigen
auch eine Abschreckungswirkung verhindert, die durch das Töten
von Wehrlosen entstehen könnte.
Nur auf Bilder bzw. Bewegtbilder zu verzichten, scheint doch eher
zu einfach zu sein, um Absolution erlangen zu können. Medien
etwa in Italien oder in den USA verbreiten das Video oder einen Link
zu ihm. Fragwürdig ist auch, ob die Ermordung des Journalisten
im Bild dessen
Würde verletzt. Ganz im Gegenteil könnte dessen
Gelassenheit, dem Tod entgegenzusehen, dem Schlächter und
damit dem Islamischen Staat
schaden, die zeigen wollen, dass nur sie standfest für die
richtige Sache einstehen. Dazu kommt, dass es fragwürdig ist,
die Realität auszublenden, auch wenn sie inszeniert wurde. Sie ist
trotzdem Fakt. Es wird auch sonst gerne die grausame Wirklichkeit etwa
des Krieges ausgeblendet. Das dient nicht unbedingt der Moral, sondern
auch Interessen, den Krieg fortzusetzen oder zu verharmlosen. Die
Macht der Bilder mag stärker sein, Menschen zu beeinflussen,
man sollte die Macht der Worte aber nicht unterschätzen.