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www.rhetorik.ch aktuell: (26. Jun, 2014)

Eklat im Literaturclub

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Die volle Sendung auf Youtube.
Elke Heidenreich erfand im "Literaturclub" des Schweizer Fernsehens ein Heidegger-Zitat aus Heideggers "Schwarzen Heften" (1939-1941), Moderator Stefan Zweifel bemerkte es. Jetzt muss er die Leitung der Sendung abgeben, die er seti 2012 moderierte. Das ist erstaunlich, denn das Zitat ist tatsächlich nicht im Buch enthalten. Heidenreich hat inzwischen selbst zugegeben, dass das Zitat nicht von Heidegger stammt. Klarstellung von SRF

Nachträglich muss man sagen, dass es wohl eher ein Fehler war, die ZDF Moderatorin Elke Heidenreich mit dem neuen Moderator Stefan Zweifel in der Sendung mitdiskutieren zu lassen. Dass die zwei Moderatoren Heidenreich und Zweifel wie Hund und Katz aufeinander reagieren würden, hätte wohl vorhergesehen werden können.


Aus der Frankfurter Allgemeinen:
Die Szene ist reif für Youtube: "Doch", hält die resolute ältere Dame dem Moderator entgegen, der sie darauf hinweist, dass das von ihr vorgebrachte Zitat nicht im besprochenen Buch steht. Sie hätte es elegant relativieren können. Doch zum Beweis ihrer Kampfbereitschaft schmeisst sie das Buch ostentativ auf den Tisch. Der Diskussionsleiter kann nur noch hilflos mit den Schultern zucken. Die Szene spielte sich vor ein paar Wochen im "Literaturclub" des Schweizer Fernsehens ab. Bei der Kritikerin handelt es sich um Elke Heidenreich, das ominöse Zitat ordnete sie Martin Heidegger zu, der in den "Schwarzen Heften " geschrieben haben soll: "Die verborgene Deutschheit müssen wir entbergen, und das tun wir, indem wir die Juden endlich beseitigen." Das Dumme ist nur - das Zitat stimmt nicht. Rote Karte für zu viel Kompetenz Der "Literaturclub", auch auf 3sat zu sehen, gehört zu den traditionsreichen Sendungen des Schweizer Fernsehens. Er wurde zunächst von Daniel Cohn-Bendit, später von Roger Willemsen und Iris Radisch geleitet. Ihr ist vor zwei Jahren Stefan Zweifel gefolgt, der schon zuvor Teil der Kritikerrunde war. Dass seine neue Doppelrolle zu Problemen führen könnte, hat die Redaktion bewusst in Kauf genommen. Zweifel bekam viele Vorschusslorbeeren. Weniger Verständnis gab es dafür, dass der Neuanfang mit den zwei deutschen TV-Altstars Elke Heidenreich, die einst im ZDF die Sendung "Lesen!" moderierte, und mit Rüdiger Safranski versucht wurde. Mit Safranski harmoniert Zweifel bestens. Zu Elke Heidenreich hat sich ein Verhältnis wie zwischen Hund und Katze entwickelt. Der feingesponnene Zweifel ist der intellektuell Überlegene, die populäre Heidenreich gibt sich sehr viel aggressiver. Sie hat dem Moderator auch schon "unprofessionelles Verhalten" vorgeworfen. Sie ist in jeder Sendung dabei und hat sich eine Machtposition aufgebaut. Ihr Einfluss auf die völlig überforderte Redaktion ist ganz augenscheinlich grösser als jener von Zweifel. Als "rhetorische Dampfwalze", die mit der "geballten Wucht ihrer Popularität die Debatte zu dominieren suchte", beschreibt sie der "Tages-Anzeiger" und bescheinigt ihr ein "Einschüchterungspotential auf die Redaktion". Deren Leitung fühlte sich bislang nicht verpflichtet, das Heidegger-Zitat zu überprüfen - was Zweifel verlangt hatte. Schliesslich geht es hier nicht um kleine Meinungsunterschiede zweier Kritiker, sondern um ein offenbar konstruiertes Zitat in einer nicht ganz unbedeutenden Angelegenheit. An Heideggers unlängst publizierten "Schwarzen Heften" entzündete sich eine intensive Debatte. Es geht aber auch um die Glaubwürdigkeit des Schweizer Fernsehens. Elke Heidenreich will die ganze Aufregung nicht verstehen können und krebst zurück: Einen Teil der Formulierung habe sie der "Süddeutschen Zeitung " entnommen, erklärte sie der "Basler Zeitung". Was wohl auch heissen dürfte: Sie hatte die "Schwarzen Hefte" gar nicht gelesen, dann aber ihren Ärger darüber, dass sie als Diskussionsgegenstand berücksichtigt wurden, sehr deutlich gemacht. Die "Basler Zeitung" erinnert daran, dass Fritz J. Raddatz als Feuilletonchef der "Zeit" abtreten musste, weil er einem gefälschten Zitat aufgesessen war. Stefan Zweifel muss gehen, weil er ein solches erkannt hat. Diskussionsteilnehmer würde er bleiben dürfen. Gerüchtehalber steht sein Nachfolger schon für den Juni fest: der Mundartschriftsteller Pedro Lenz, Autor des Bestsellers "Der Torhüter bin ich". Aber auch Elke Heidenreichs künftige Teilnahme soll nach der Roten Karte für Stefan Zweifel zur Diskussion stehen.
Aus der NZZ vom 27. Mai:
Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Das sagt sich offenbar Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), das partout keine Position beziehen will zu Elke Heidenreich, die im "Literaturclub" vom 22. April ein Zitat erfand, das Martin Heidegger diffamiert. SRF hätte Gelegenheit gehabt, in der folgenden "Literaturclub"-Sendung vom 13. Mai eine Richtigstellung zu verlesen. Der Fall wäre damit erledigt gewesen. Jedermann hat Verständnis dafür, dass Fehler geschehen. Wer sie jedoch nicht eingesteht, schafft einen Brandherd, dessen Gestank nach und nach in die höheren Chefetagen hinaufdringt und diese kontaminiert. Heidenreich hat inzwischen ihr Zitat auf verdrückte Weise in der "Basler Zeitung" relativiert. Das genügt nicht. Fehler werden dort korrigiert, wo sie gemacht wurden. Das gehört zur journalistischen Redlichkeit und ist zudem ein Erfordernis der rechtlichen Bestimmungen, denen SRF untersteht. Doch der öffentliche Sender spricht bloss von einer "Meinungsverschiedenheit" zwischen Heidenreich und Stefan Zweifel, der das Zitat bereits in der damaligen Sendung angezweifelt hat. Damit macht sich SRF zur Lachnummer. Diese von SRF verdrängte Sachfrage funkte dauernd in den Personalkonflikt hinein, der mit der Absetzung von Zweifel als Moderator eskalierte. Zweifel setzte SRF unter Druck, weil er verlangte, die Leiterin der "Literaturclub"-Redaktion müsse zurücktreten angesichts der Weigerung, die Zitat-Frage zu klären. Andernfalls stehe er als Moderator nicht mehr zur Verfügung, erklärte er. Ultimaten lässt sich keine Organisation gefallen, vor allem dann nicht, wenn die Forderung öffentlich gemacht wird. Formal gesehen, hatte also SRF einen Grund, Zweifel abzuschieben. In der öffentlichen Wahrnehmung sieht es indessen genau umgekehrt aus: Die uneinsichtige Zitat-Fälscherin bleibt im "Club", während der Unschuldige rausfliegt. Das versteht keiner. Darum musste SRF am Samstag eine "Klarstellung" nachschicken, wonach man schon vor der umstrittenen Sendung mit Zweifel darüber gesprochen habe, ob er der richtige Moderator sei. Darüber kann man gewiss streiten. Hinzu kommt, dass eine Redaktion vor einem unangenehmen Problem steht, wenn zwei Teilnehmer einer Sendung - Zweifel und Heidenreich - einander kaum ausstehen können. Wie es so weit kommen konnte, ist für einen Aussenstehenden nicht durchschaubar. Zieht man das unmögliche Schweigen der Redaktion in der Zitat-Frage in Betracht, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass sie die Angelegenheit nicht im Griff hat. Zweifels Rücktrittsforderung gewinnt in diesem Sinn an Plausibilität. Für die "Literaturclub"-Ausgabe vom 24. Juni braucht es nun einen neuen Moderator. Das muss jemand sein, der Heidenreich in die Schranken zu weisen versteht. Diese hat sich schon öfters durch hohle Sprüche qualifiziert.


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