Elke Heidenreich erfand im "Literaturclub" des Schweizer Fernsehens ein
Heidegger-Zitat aus Heideggers "Schwarzen Heften" (1939-1941),
Moderator Stefan Zweifel
bemerkte es. Jetzt muss er
die Leitung der Sendung abgeben, die er seti 2012 moderierte.
Das ist erstaunlich, denn das Zitat ist
tatsächlich nicht im Buch enthalten. Heidenreich hat inzwischen selbst
zugegeben, dass das Zitat nicht von Heidegger stammt.
Klarstellung von SRF
Nachträglich muss man sagen, dass es wohl eher ein Fehler war,
die ZDF Moderatorin Elke Heidenreich mit dem neuen
Moderator Stefan Zweifel in der Sendung mitdiskutieren zu lassen.
Dass die zwei Moderatoren Heidenreich und Zweifel wie
Hund und Katz aufeinander reagieren würden, hätte wohl
vorhergesehen werden können.
Aus der Frankfurter Allgemeinen:
Die Szene ist reif für Youtube: "Doch", hält die resolute
ältere Dame dem Moderator entgegen, der sie darauf hinweist, dass
das von ihr vorgebrachte Zitat nicht im besprochenen Buch steht. Sie
hätte es elegant relativieren können. Doch zum Beweis ihrer
Kampfbereitschaft schmeisst sie das Buch ostentativ auf den Tisch. Der
Diskussionsleiter kann nur noch hilflos mit den Schultern zucken.
Die Szene spielte sich vor ein paar Wochen im "Literaturclub"
des Schweizer Fernsehens ab. Bei der Kritikerin handelt es sich um
Elke Heidenreich, das ominöse
Zitat ordnete sie Martin Heidegger zu, der in den "Schwarzen Heften
" geschrieben haben soll: "Die verborgene Deutschheit müssen wir
entbergen, und das tun wir, indem wir die Juden endlich beseitigen." Das
Dumme ist nur - das Zitat stimmt nicht. Rote Karte für zu viel
Kompetenz Der "Literaturclub", auch auf 3sat zu sehen, gehört
zu den traditionsreichen Sendungen des Schweizer Fernsehens. Er wurde
zunächst von Daniel Cohn-Bendit, später von Roger Willemsen und
Iris Radisch geleitet. Ihr ist vor zwei Jahren Stefan Zweifel gefolgt,
der schon zuvor Teil der Kritikerrunde war. Dass seine neue Doppelrolle
zu Problemen führen könnte, hat die Redaktion bewusst in Kauf
genommen. Zweifel bekam viele Vorschusslorbeeren. Weniger Verständnis
gab es dafür, dass der Neuanfang mit den zwei deutschen TV-Altstars
Elke Heidenreich, die einst im ZDF die Sendung "Lesen!" moderierte, und
mit Rüdiger Safranski versucht wurde. Mit Safranski harmoniert
Zweifel bestens. Zu Elke Heidenreich hat sich ein Verhältnis
wie zwischen Hund und Katze entwickelt. Der feingesponnene Zweifel
ist der intellektuell Überlegene, die populäre Heidenreich
gibt sich sehr viel aggressiver. Sie hat dem Moderator auch schon
"unprofessionelles Verhalten" vorgeworfen. Sie ist in jeder Sendung
dabei und hat sich eine Machtposition aufgebaut. Ihr Einfluss auf
die völlig überforderte Redaktion ist ganz augenscheinlich
grösser als jener von Zweifel. Als "rhetorische Dampfwalze", die mit
der "geballten Wucht ihrer Popularität die Debatte zu dominieren
suchte", beschreibt sie der "Tages-Anzeiger" und bescheinigt ihr ein
"Einschüchterungspotential auf die Redaktion". Deren Leitung
fühlte sich bislang nicht verpflichtet, das Heidegger-Zitat zu
überprüfen - was Zweifel verlangt hatte. Schliesslich geht
es hier nicht um kleine Meinungsunterschiede zweier Kritiker, sondern
um ein offenbar konstruiertes Zitat in einer nicht ganz unbedeutenden
Angelegenheit. An Heideggers unlängst publizierten "Schwarzen Heften"
entzündete sich eine intensive Debatte.
Es geht aber auch um die Glaubwürdigkeit des Schweizer
Fernsehens. Elke Heidenreich will die ganze Aufregung nicht verstehen
können und krebst zurück: Einen Teil der Formulierung habe sie
der "Süddeutschen Zeitung " entnommen, erklärte sie der "Basler
Zeitung". Was wohl auch heissen dürfte: Sie hatte die "Schwarzen
Hefte" gar nicht gelesen, dann aber ihren Ärger darüber,
dass sie als Diskussionsgegenstand berücksichtigt wurden, sehr
deutlich gemacht. Die "Basler Zeitung" erinnert daran, dass Fritz J.
Raddatz als Feuilletonchef der "Zeit" abtreten musste, weil er einem
gefälschten Zitat aufgesessen war. Stefan Zweifel muss gehen,
weil er ein solches erkannt hat. Diskussionsteilnehmer würde er
bleiben dürfen. Gerüchtehalber steht sein Nachfolger schon
für den Juni fest: der Mundartschriftsteller Pedro Lenz, Autor des
Bestsellers "Der Torhüter bin ich". Aber auch Elke Heidenreichs
künftige Teilnahme soll nach der Roten Karte für Stefan Zweifel
zur Diskussion stehen.
Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Das sagt sich offenbar
Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), das partout keine Position beziehen
will zu Elke Heidenreich, die im "Literaturclub" vom 22. April ein Zitat
erfand, das Martin Heidegger diffamiert. SRF hätte Gelegenheit
gehabt, in der folgenden "Literaturclub"-Sendung vom 13. Mai eine
Richtigstellung zu verlesen. Der Fall wäre damit erledigt gewesen.
Jedermann hat Verständnis dafür, dass Fehler geschehen. Wer sie
jedoch nicht eingesteht, schafft einen Brandherd, dessen Gestank nach und
nach in die höheren Chefetagen hinaufdringt und diese kontaminiert.
Heidenreich hat inzwischen ihr Zitat auf verdrückte Weise in der
"Basler Zeitung" relativiert. Das genügt nicht. Fehler werden dort
korrigiert, wo sie gemacht wurden. Das gehört zur journalistischen
Redlichkeit und ist zudem ein Erfordernis der rechtlichen Bestimmungen,
denen SRF untersteht. Doch der öffentliche Sender spricht bloss von
einer "Meinungsverschiedenheit" zwischen Heidenreich und Stefan Zweifel,
der das Zitat bereits in der damaligen Sendung angezweifelt hat. Damit
macht sich SRF zur Lachnummer.
Diese von SRF verdrängte Sachfrage funkte dauernd in den
Personalkonflikt hinein, der mit der Absetzung von Zweifel als Moderator
eskalierte. Zweifel setzte SRF unter Druck, weil er verlangte, die
Leiterin der "Literaturclub"-Redaktion müsse zurücktreten
angesichts der Weigerung, die Zitat-Frage zu klären. Andernfalls
stehe er als Moderator nicht mehr zur Verfügung, erklärte
er. Ultimaten lässt sich keine Organisation gefallen, vor allem dann
nicht, wenn die Forderung öffentlich gemacht wird. Formal gesehen,
hatte also SRF einen Grund, Zweifel abzuschieben.
In der öffentlichen Wahrnehmung sieht es indessen genau umgekehrt
aus: Die uneinsichtige Zitat-Fälscherin bleibt im "Club",
während der Unschuldige rausfliegt. Das versteht keiner. Darum
musste SRF am Samstag eine "Klarstellung" nachschicken, wonach man
schon vor der umstrittenen Sendung mit Zweifel darüber gesprochen
habe, ob er der richtige Moderator sei. Darüber kann man gewiss
streiten. Hinzu kommt, dass eine Redaktion vor einem unangenehmen Problem
steht, wenn zwei Teilnehmer einer Sendung - Zweifel und Heidenreich -
einander kaum ausstehen können. Wie es so weit kommen konnte,
ist für einen Aussenstehenden nicht durchschaubar. Zieht man das
unmögliche Schweigen der Redaktion in der Zitat-Frage in Betracht,
liegt die Schlussfolgerung nahe, dass sie die Angelegenheit nicht im
Griff hat. Zweifels Rücktrittsforderung gewinnt in diesem Sinn
an Plausibilität.
Für die "Literaturclub"-Ausgabe vom 24. Juni braucht es nun
einen neuen Moderator. Das muss jemand sein, der Heidenreich in die
Schranken zu weisen versteht. Diese hat sich schon öfters durch
hohle Sprüche qualifiziert.