Viele Faktoren spielen eine Rolle, ob Werbung wirksam ist oder nicht.
Die Werbung muss ankommen, man muss darüber sprechen. Sie darf
anecken. Es können auch Nebenfaktoren eine Rolle spielen.
Beim folgenden Beispiel einer Kampagne muss zum Beispiel auch
einbezogen werden, dass Untergewicht schädlicher sein kann
als Übergewicht und dass Idealbilder von Körpern heute oft
manipuliert sind.
Die Schweizer sind zu dick. 50 Prozent der Erwachsenen und jedes
fünfte Kind sind übergewichtig. Gegen diese Tatsache
kämpfen die Gesundheitsbehörden seit Jahren. Mit Plakatkampagnen
und Informationsbroschüren versuchen sie vor allem Kinder und
Jugendliche auf die Gefahren von Übergewicht und ungesunder
Ernährung aufmerksam zu machen. Rund 150 Projekte laufen heute
schweizweit.
Aber Präventionsprogramme sind häufig sinnlos oder sogar
schädlich, warnt das Experten-Netzwerk Essstörungen Schweiz
in seinen diese Woche veröffentlichten Empfehlungen, wie die
"NZZ am Sonntag" schreibt. Die Organisation hat internationale Studien
zur Wirksamkeit von Präventionskampagnen untersucht und vertieft
analysiert. Die Befunde zeigten, das Präventionskampagnen, die darauf
abzielen, das Essverhalten von Kindern und Jugendlichen zu verbessern,
nichts nützten, so Erika Toman, Präsidentin des Netzwerks. Im
Gegenteil: Die Thematisierung und Problematisierung von Ernährung
im Kindesalter könne sogar erst recht zu einer Essstörung
führen.
Nicht nur das Übergewicht, sondern auch sonstiges krankhaft
gestörtes Essverhalten seien heute in der Schweiz weit
verbreitet, sagt Toman. "Die meisten Kampagnen fokussieren aber nur
auf Übergewicht." Essstörungen seien jedoch schädlicher
als etwa ein leichtes Übergewicht, von dem heute sogar wisse, dass
es die Lebenserwartungen eher erhöhe. "Untergewicht schadet der
Gesundheit hingegen deutlich."
Die Gesundheitsförderung Schweiz hat mit einer grossen Kampagne
dem Übergewicht von Kinder und Jugendlichen den Kampf angesagt.
Überdimensional grosse Davoser Schlitten und Kindervelos mit
XXL-Sitzen waren auf den Plakaten abgebildet. Darunter stand in
grossen Buchstaben: "Die Schweiz wird immer dicker" und etwas kleiner:
"Es braucht wenig, um viel zu ändern". Eine Fehlleistung, sagt das
Netzwerk für Essstörungen: Mit Präventionskampagnen, die
auf Übergewicht und ungesunde Ernährung als Problem hinweisen,
verunsichere man die Zielgruppe zusätzlich, so Toman. Die meisten
Betroffenen seien sich sehr wohl bewusst, dass sie zu dick seien, nur
schon, weil sie täglich damit konfrontiert würden, dass sie das
in der Gesellschaft gültige Körperideal nicht erfüllten. Zu
behaupten, es brauche wenig, um etwas zu ändern, sei ebenfalls ein
Schlag ins Gesicht der Betroffenen: "Jeder, der schon einmal versucht hat,
ein paar Kilos loszuwerden, weiss, dass dies nicht ganz einfach ist."
Wie aber soll das Thema Übergewicht mit Kindern besprochen
werden? "Gar nicht", sagt Toman. Die Thematisierung von Essen bei
Kindern unter 12 Jahren sei kontraproduktiv. Auch im Kindergarten und
der Primarschule seien Lehrmittel unnötig, die Ernährung
problematisierten. Von diesen gibt es aber einige. Ein Beispiel ist das
"Nutrikid"-Lehrmodul für Fünf- bis Siebenjährige, empfohlen
von der
Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE). Dabei
lernen die Schüler, wie lange sie Velo fahren müssen,
um den Energiegehalt eines Apfel zu verbrennen. "Prävention
und Gesundheitsförderung beim Ess- und Bewegungsverhalten muss
früh beginnen", sagt SGE-Geschäftsführer Christian
Ryser. Informationen über ausgewogenen Ernährung sei besonders
für benachteiligte Kinder und Jugendliche wichtig. Wie sich
Präventionskampagnen auf die Zielgruppe auswirkten, sei schwer
messbar, man habe aber beobachtet, dass sich die Verbreitung von
Übergewicht bei Kindern in den letzten Jahren zu stabilisieren
scheine.