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www.rhetorik.ch aktuell: (17. Apr, 2014)

Wenn Politiker ausrasten

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Zur Liste von Persönlichkeiten die bei Journalisten die Nerven verloren haben, zählen Bodenmann, Leuenberger, Mörgeli, Gabriel und Maurer (nun zum 7. Mal!). Es ist nicht einfach, unter Druck die Nerven zu behalten. Unter Stresssituationen können Menschen verschiedene Verhaltensweisen zeigen. Eine Methode ist der Angriff. Bundesrat Ueli Maurer, der inen Journalisten schon einmal als "Aff" beschimpft machte seinem Ruf alle Ehre: Sein jüngster Ausraster in der Rundschau wurde zum Medienthema.


Radio 1 (MP3)
Rundschau
Ueli Maurer verliert in der "Rundschau" die Beherrschung Im Schweizer Fernsehen nahm Bundesrat Ueli Maurer Stellung zur Gripen-Abstimmung. Das Interview endete mit Misstönen. "Machen Sie es beim nächsten Mal besser": Ueli Maurer empört sich über das Schweizer Fernsehen. Ein gewöhnliches Bundesratsinterview schien seinen Lauf zu nehmen. Wieso die Schweiz den Gripen brauche, wurde Ueli Maurer zu Beginn des Gesprächs von "Rundschau"-Moderator Sandro Brotz gefragt. Der Verteidigungsminister antwortete ruhig und mit den bekannten Argumenten. Von Frage zu Frage baute sich allerdings eine Spannung zwischen den Gesprächspartnern auf. Plötzlich, als ein Vergleich zwischen den Luftwaffen der Schweiz und Österreich zum Thema wurde, platzte Maurer der Kragen. Österreich sei ein schlechtes Beispiel. Das passe zur "tendenziösen Berichterstattung" des Schweizer Fernsehens. Das gehöre sich nicht für einen aus staatlichen Geldern finanzierten Betrieb. Und sowieso sei der vorher gesendete Beitrag "eine journalistisch schwache Leistung". "Machen Sie es beim nächsten Mal besser." Vor dem Gespräch mit Maurer hatte die "Rundschau" einen Beitrag über den Gripen gesendet. Darin sagte unter anderem der Kommandant der österreichischen Luftstreitkräfte, die nur über 15 Eurofighter verfügen, dass diese wenigen Flugzeuge "in beschränktem Masse" für den luftpolizeilichen Dienst ausreichten. Weil Österreich nicht unmittelbar militärisch bedroht sei, beschränke man sich darauf. Zum Vergleich: Die Schweiz würde nach dem Gripen-Kauf über 54 Kampfjets verfügen. Auch ein deutscher Rüstungsexperte kam im Beitrag zu Wort. Er sagte, die Schweiz habe mit den 32 F/A-18 mehr als genug Flugzeuge für den Luftpolizeidienst. Da könne man eigentlich "noch ein paar einmotten". Nach diesem ersten Aufbrausen beruhigte sich Maurer wieder. Zum Schluss kam der Moderator noch auf die Notvorratsdiskussion zu sprechen. Armeechef André Blattmann hatte in den letzten Tagen mit einer Aussage zu seinen persönlichen Notvorräten für Schlagzeilen gesorgt. Er hortet unter anderem 300 Liter Wasser. Maurer nimmt seinen Armeechef in Schutz: Er verdiene eine Medaille dafür, dass er an die Sicherheit denke. Dass dies in den Medien so aufgebauscht werde, sei einfach "bireweich". Verteidigungsminister Maurer ist bei weitem nicht der Erste, der vor laufenden Kameras die Nerven verliert. Unvergessen bleibt etwa ein TV-Auftritt des ehemaligen Bundesrats Moritz Leuenberger als er 2001 mit verschiedenen Medien über die Luftverkehrsverhandlungen mit Deutschland spricht. Zwischen den einzelnen Interviews lässt Leuenberger seinem Frust über die Fragen der Journalisten freien Lauf - TV3 schneidet mit. "Das ist doch ein Scheiss, oder? Jetzt soll ich da noch eine halbe Stunde diesen Scheiss ablassen mit unvorbereiteten Journalisten? Peinlich", ärgert sich der damalige Bundesrat. In der "Rundschau" selber sorgte die Wortwahl von Christoph Mörgeli früher für Gesprächsstoff. Damals sollte der damalige Leiter des Medizinhistorischen Instituts der Uni Zürich zu den Vorwürfen gegen ihn Stellung nehmen. Auf die Frage von Moderator Sandro Brotz, ob er als SVP-Nationalrat zurücktreten werde, fragte Mörgeli zurück: "Sind Sii eigentlich vom Aff bisse?" Ebenso verlor Frankreichs ehemaliger Präsident Nicolas Sarkozy einmal die Nerven und beleidigte einen Besucher der Landwirtschaftsmesse in Paris - auch das vor laufender Kamera. "Hau doch ab, du Idiot", rief Sarkozy dem Mann sichtlich erbost zu, als dieser nicht die Hand des Präsidenten schütteln wollte. Die Szene wurde mitgeschnitten - und anschliessend zum Zielobjekt für den Spott der Onlinegemeinde. Und auch der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel geriet schon mit einer Journalistin aneinander. Nach einigen Fragen, die Gabriel offenbar nicht passten, sagt er genervt in einer Liveschaltung des ZDF: "Lassen Sie uns doch diesen Quatsch beenden." Die Fragen der Journalistin passten ihm wohl nicht: Sigmar Gabriel live im Fernsehen. (Quelle: Youtube/fuerstenplatz) (ajk/ldc) Sigmar Gabriel (SPD) mag Marietta Slomka vom ... - YouTube # 7:48# 7:48 www.youtube.com/watch?v=Ow-36rH-nY8# 28.11.2013 - Hochgeladen von fuerstenplatz Ein leicht überheblicher Sigmar Gabriel streitet sich mit Moderatorin ... Merkel auf der Hannover Messe ...
Wer ausrastet, hat in der Regel das Zwei am Rücken. Umgehend nutzten heute die Gripengegner Maurers Eklat und liessen verlauten, er habe die Nerven verloren, weil ihm die Argumente für den Gripen fehlen. Ich finde das Verhalten Maurers unprofessionell, zumal es schon der 7. Ausraster ist. Maurer hätte in der Sache hart aber im Umgang mit dem Journalisten in bestimmtem Ton seine Meinung kund tun können. Wer provoziert wird, darf die Nerven nie verlieren. Es ist zudem ein gravierender Fehler, wenn der Interviewer gemassregelt wird. Aggression gegenüber Journalisten ist immer kontraproduktiv. Anderseits bin ich überzeugt, dass es nicht wenige Konsumenten gibt, die in diesem Fall Maurer recht geben. Es gibt einmal jene Fernsehkonsumenten, die schätzen harte Befragungen nicht. Dann gibt es viele, die ärgerten sich über den bewusst tendenziösen Einspielfilm in der Rundschau. Uebrigens: Als bei Hannes Britschi in der Rundschau Hayek vom "Beichtstuhl" runter gesprungen, weil er vom Moderator ständig unterbrochen worden ist, punktete Hayek beim Publikum. Durch die überraschende Reaktion erschrak der Moderator wie Moderator Brotz (nach dem Ausbruch Maurers). Er war auch einen Moment lang irritiert (Signale bei der Körpersprache). Fazit: Der Umgang mit Stress und Provokationen kann gelernt werden, so wie Piloten im Simulator auch mit Pannen und Ueberraschungen umgehen lernen. Jeder kann einmal die Nerven verlieren aber nicht sieben Mal!
Blick:
Der Ausraster von Ueli Maurer im Interview mit Rundschau-Moderator Sandro Brotz - es wurde vergangenen Mittwoch ausgestrahlt - war beileibe nicht derart spontan, wie das am Bildschirm erschien. SVP-Bundesrat Maurer explodierte schon lange vor dem Sendetermin. In dem Augenblick naemlich, als er den vorgaengigen Rundschau-Beitrag ueber den Gripen erstmals zu Gesicht bekam - das war am Dienstagnachmittag im Bundeshaus. Anders als gewoehnlich durfte der Bundesrat den kritischen TV-Beitrag im Salon du President auf einem Laptop vorvisionieren. Anschliessend sollte ein Interview mit Sandro Brotz aufgezeichnet werden, in dem Maurer auf den Beitrag reagieren sollte. Doch so weit kam es zunaechst nicht. Der Grund: Der Bundesrat war veraergert. Wurde laut. Was er gesehen hatte, brachte den Verteidigungsminister in Rage. Er waehlte deutliche Worte. Es kam zum verbalen Schlagabtausch zwischen dem Magistraten und dem Rundschau-Team. Es hat wenig gefehlt und Maurer haette das Interview platzen lassen. Mit knapper Not konnte das verhindert werden, und Sandro Brotz stieg eher zahm in das Interview mit Maurer ein - fast so, als wollte er diesen nicht reizen. Marcus Knill, Experte fuer Medienrhetorik, meint nach einer Videoanalyse: Brotz war von der heftigen Reaktion offensichtlich irritiert. Und: Ueli Maurer habe bereits als SVP-Parteichef Konfrontationen nicht gescheut. In der Tat ist es nicht das erste Mal, dass dieser sich in eine verbale Rauferei mit Journalisten stuerzt (siehe Box). Mehr noch: Sein persoenliches Verhaeltnis zur SRF-Bundehausredaktion ist seit geraumer Zeit angespannt. Es ist offensichtlich: Ueli Maurer hat ein Problem mit dem Staats-TV. Er wurde schliesslich von den SRF-Leuten schon mehrfach unfair behandelt, sagt SVP-Nationalrat Christoph Moergeli. Auch das ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Die groesste Partei im Lande hat das oeffentlich-rechtliche Fernsehen schon lange im Visier. Und die Aversion hat einen Namen: Roger de Weck, seit drei Jahren SRG-Generaldirektor. Die Wahl zum obersten TV-Boss ist fuer den SVP-Strategen eine Kampfansage, bis heute. Wenn jemand, der sich mit Artikeln gegen die SVP die Finger wund geschrieben hat, Chef des Staatsfernsehens wird, begruendet Moergeli, ist das eine Provokation. Zudem sei de Weck ein Euro-Turbo. Die TV-Informationsgefaesse berichten ueber uns und unsere Politik aeusserst tendenzioes. Der Konflikt zwischen Maurer und der Rundschau ist nur der vorlaeufig letzte Akt dieser Dauerfehde. Es ist erst ein paar Tage her, seit Christoph Moergeli seine eigene Attacke gegen das Schweizer Fernsehen geritten und gefordert hat: Die Parteien muessen gemaess ihrer Waehlerstaerke in der SRG-Fuehrung vertreten sein. Und: Als staerkste Partei hat die SVP Anspruch auf den Generaldirektor. Im Klartext: Moergeli und Co. wollen de Weck weghaben! In diesem Kontext ist wohl auch Maurers juengster Ausraster zu sehen. Derweil ruft seit gestern eine Informationsgruppe Pro-Kampfflugzeug die Bevoelkerung auf, mit allen legalen Mitteln gegen die vorzugehen. Beim TV-Ombudsmann Achille Casanova sind bereits ueber zwei Dutzend Beanstandungen eingetroffen - so viele wie noch nie zu einer einzelnen TV-Sendung.

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