In der Tükei hat Ministerpräsident
Tayyip Erdogan
Twitter sperren lassen. Dies 9 Tage vor Wahlen.
Der Dienst habe die "Rechte und die Privatsphäre türkischer Staatsbürger
verletzt".
Die Reaktion war heftig, weltweit. In Ankara sah man Plakate "Twitler", ein Wortspiel,
das Erdogan mit Hitler vergleicht oder ein Plakat, wo die Twitter Vögel den
Kopf von Erdogan verkleckern.
Die Sperre von Twitter scheint eher ein Schuss nach hinten gewesen zu sein. Ein Eigengoal.
Tagi.
Es ist einfach, die Sperre zu umgehen, indem man einfach einen anderen DNS Server nach der Twitter
addresse fragt. Was Websperren oft nur tun ist, das Addressbuch zu modifizieren.
Wenn man ein anderes Addressbuch braucht, dann hat man immer noch Zugang.
20 Min:
Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül scheint
mit Erdogans Massnahmen nicht einverstanden zu sein: Auf Twitter
schreibt Gül, er sei gegen eine eingeschränkte Nutzung des
sozialen Netzwerks. "Der Bann ist inakzeptabel", zwitscherte der
Politiker. Technisch sei es ohnehin nicht möglich, weltweit
tätige Plattformen wie Twitter gänzlich zu verbieten,
erklärte Gül. Ihm ist es offenbar gelungen, das Verbot zu
umgehen. Welche Möglichkeiten bieten sich dazu?
Der Vorschlag von Twitter, Tweets von nun an per SMS abzusetzen,
ist nur bedingt nützlich: Es ist zwar möglich, die
Nachrichten anderer Nutzer auf das Handy zu erhalten und selbst
Mitteilungen zu veröffentlichen. Retweets und Antworten auf die
Mikro-Blogeinträge anderer User sind allerdings von der Funktion
ausgenommen.
Unter dem Hashtag #twitterisblockedinturkey twittern die User von der
Sperre. In WhatsApp-Chats und per SMS werden DNS-Adressen ausgetauscht,
die den Zugang zu Twitter trotz Sperre ermöglichen sollen. "Eine
Möglichkeit dazu ist der Server 8.8.8.8, der von Google betrieben
wird", sagt Droz. Bis anhin sei dieser Dienst in der Türkei noch
nicht gesperrt worden. Auf Smartphones kann der Netzwerkserver manuell
ausgewählt werden; anschliessend ist es wieder möglich, auf
sämtliche Websites zuzugreifen.
Sollte diese DNS auch gesperrt werden, wollen die Anbieter der App
"Tunnel Bear" Abhilfe schaffen. Mit der Anwendung soll es möglich
sein, Zugang zu gesperrten Websites zu erhalten. Es wird ein virtueller
Tunnel in die USA oder nach Grossbritannien angelegt, sodass beim
Surfen im Internet nicht ersichtlich ist, aus welchem Land der Nutzer
tatsächlich auf die Website zugreift. Es sieht dann so aus, als ob
ein Amerikaner oder Brite den Online-Dienst aufrufen würde. "Wir
werden den Türken unsere Netzwerk-Ressourcen zur Verfügung
stellen", zwitscherten die Anbieter des Dienstes.
Aus
Spiegel:
Erdogan verkörpert die Hoffnung vieler Türken auf einen
Aufstieg, politisch wie persönlich. In Istanbul 1954 als Sohn
armer Zuwanderer von der Schwarzmeerküste zur Welt gekommen, hat
er sich hochgearbeitet. Im Stadtteil Kasimpasa verkaufte er als Junge
Sesamkringel, besuchte die Schule, wollte Prediger oder Fussballer werden,
studierte Wirtschaftswissenschaften und brachte es in den neunziger
Jahren zum Oberbürgermeister. Und von hier schaffte er den Sprung
an die Regierungsspitze des Landes.
Seine Biografie ist die Geschichte vom Macher, der das Unmögliche
schafft. Immer wieder sucht der Premier die Gelegenheit, das zu
symbolisieren: Der weltgrösste Flughafen soll in Istanbul entstehen,
eine dritte Brücke über den Bosporus, ein zweiter Durchbruch
zwischen Schwarzem Meer und Marmara-Meer, die grösste Moschee
der Welt.
(...)
Freunde beschreiben den hochgewachsenen Mann als
Kämpfernatur. Erdogan spaltet, er denkt in Freund-Feind-Kategorien,
kennt keine Zwischentöne und lässt alle spüren, in
welchem Lager er sie verortet. Das ist sein Verständnis von einem
starken Führer. Die Zeitung "Today's Zaman", die seinem einstigen
Weggefährten und jetzigen Erzfeind Fethullah Gülen nahesteht,
veröffentlichte vergangene Woche genüsslich 15 Beleidigungen,
die Erdogan seinen Gegnern entgegen geschleudert hat: "Blutsaugende
Vampire" schimpfte er sie, "Atheisten" oder "Terroristen". Wenn es passt,
wirft er Kritikern auch ihre Kinderlosigkeit vor.
"Er spricht die Sprache des Volkes. Er ist der erste Premier, der das
tut", sagt eine ältere Frau in Rize, der Heimat von Erdogans Eltern.
"Wer ihn kennt, ist sein Anhänger. Wer ihn nicht kennt, ist sein
Feind", sagt sie. Eine treffende Umschreibung dafür, wie gespalten
die Bevölkerung ist, wenn es um Erdogan geht.
Seine Fans beschreiben gerne die Türkei vor Erdogan, sie
erzählen von ständigen Strom-, Wasser- und Gasausfällen
und von dem Schmutz auf den Strassen. "All diese Probleme sind jetzt
gelöst", sagt ein Geschäftsmann in Istanbul. Sie erwähnen
die neuen U-Bahn-Netze in den Städten und dass Erdogan den Leuten
verspreche, dass es weiter bergauf gehen werde mit dem Lebensstandard
in der Türkei. "Im Gegensatz zu früheren Regierungen bringt
er wenigstens etwas zustande", sagt der Geschäftsmann.
(...)
Erdogan ist die Türkei. Kritik an ihm ist nach dieser
Logik unpatriotisch, geradezu Verrat. So sehen das auch
seine Anhänger. Die türkische Gesellschaft, schreibt
Türkei-Experte Gareth Jenkins, sei "hierarchisch, patriarchisch und
obrigkeitshörig". Der Gehorsam gegenüber Ranghöheren sei
wichtiger als individuelle Freiheiten. Erdogan sagt deshalb: "Twitter und
solche Sachen werden wir an der Wurzel ausreissen. Was die internationale
Gemeinschaft dazu sagt, interessiert mich überhaupt nicht." Seit
der Nacht auf Freitag ist Twitter in der Türkei tatsächlich
abgeschaltet.
(...)
Erdogan weiss, dass er einen weithin wahrnehmbaren Erfolg braucht. Die
Kommunalwahlen am 30. März erklärt er deshalb immer wieder zu
einem Referendum über die Zukunft der Türkei - und meint damit:
über seine eigene Zukunft.
Focus:
Der türkische Regierungschef Erdogan hält nicht viel von
sozialen Medien - vor allem, weil er dort immer öfter attackiert
wird. Nun hat er offenbar den Zugang zu Twitter blockieren lassen. In
vielen Landesteilen ist der Kurznachrichtendienst nicht erreichbar. Doch
es gibt einen einfachen Umweg für die Türken weiter zu twittern.
Der Kurznachrichtendienst Twitter ist in der Türkei gesperrt
worden, wie die türkische Zeitung Hürriyet berichtete. Die
Regierung in Ankara beschuldigt Verantwortliche von Twitter: Sie
würden Gerichtsentscheidungen ignorieren und bestimmte Links trotz
Beschwerden türkischer Bürger nicht entfernen. Beim Versuch, die
Twitter.com-Website zu öffnen, stiessen Nutzer auf eine Mitteilung,
die wohl von den türkischen Regulierungsbehörden stammt. Darin
hiess es, dass die Seite auf gerichtliche Verfügung hin blockiert
worden sei.
Die türkische Telekombehörde BTK hat am Freitag die
Twitter-Sperre im Land bestätigt: Ein Gericht habe dies verfügt,
weil der Dienst Rechte und die Privatsphäre türkischer
Staatsbürger verletzt habe, teilte die Aufsichtsbehörde
mit. Twitter habe sich geweigert, Entscheidungen türkischer Gerichte
zu befolgen. Deswegen müssten weitere Rechtsverstösse verhindert
werden. Erdogan will soziale Medien "alle auslöschen"
Twitter selbst weist seine Benutzer umgehend auf Wege hin, die Blockade
zu umgehen. Rowan Barnett, Market Director Germany bei Twitter, teilte
mit: "Für Nutzer in der Türkei - ihr könnt Tweets via
SMS schicken. Mit Avea & Vodafone, schickt START an 2444. Turkcell,
schickt START an 2555."
Am Donnerstag hatte der wegen einer Korruptionsaffäre unter Druck
stehende türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan gedroht,
Twitter zu verbieten. So hatte Erdogan In einer Wahlkampfveranstaltung
erklärt, er wolle Twitter und solche Sachen mit der Wurzel
ausreissen. Über soziale Medien sagte er: "Wir werden sie alle
auslöschen." Was die internationale Gemeinschaft dazu sage,
sei ihm egal. "Jeder wird sehen, wie mächtig die Türkische
Republik ist." Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft darauf sei
ihm egal. Mit Unterbindung der Meinungsfreiheit habe das nichts zu tun.
Telefonmitschnitte bringen Erdogan in Bedrängnis