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www.rhetorik.ch aktuell: (07. Feb, 2014)

Nicht immer ist Schweigen Gold

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Radio 1 (Teil I), Radio 1 (Teil II)
pad Johann Schneider-Ammann soll mit Offshore-Konstrukten Steuern gespart haben. Das bringt ihm mindestens so viel Kritik ein wie sein Schweigen zu den Vorwürfen. Obschon solche Geschäftspraktiken früher nicht Aussergewöhnliches sind und von Finanzexperten sogar als legal bezeichnet werden, ist die Oeffentlichkeit hinsichtlich ethischem Verhalten von Führungskräften sensibilisiert.

Der Wirtschaftsminister hat nach den ersten Bereichten eindeutig zu lange geschwiegen. Sein Statement wäre längst fällig gewesen. Wer angeschossen wird und mit Vorwürfen konfrontiert wird, muss reden. Er muss sich nicht rechtfertigen oder etwas beschönigen. Er genügt zu erläutern, weshalb man noch nicht reden darf. Der Bundesrat hätte schon früher sagen können, wann er zu den Vorwürfen Stellung nimmt. Wer in Krisensituationen den Kopf in den Sand streckt, handelt immer falsch. Es gilt Ruhe zu bewahren und sein Gesicht zeigen. Mit der Strategie des "Abtauchens" stand Schneider-Ammann mit dem Rücken zur Wand. Obwohl die Berner Steuerbehörden keine Verfehlungen finden konnte, bleibt das Image des Wirtschaftministers angeschlagen. Schweigen ist nicht immer Gold!

Ist das folgende Interview in der NZZ sein Befreiungsschlag?
Herr Bundesrat, Sie haben als Chef der Ammann-Gruppe mehrere hundert
Millionen Franken in Luxemburg und auf Jersey deponiert. War das ein
Fehler?

Nein. Es ging um Reserven, die wir steuerlich optimiert haben. Die Gelder
waren für die strategische Weiterentwicklung der internationalen
Ammann-Gruppe gedacht und wurden zur Sicherung der Arbeitsplätze
eingesetzt.  Es war alles legal, es war alles transparent, die
Steuerbehörde hatte zu jeder Zeit vollständig Einblick. Dies
hat sie am Freitag der Firma nochmals bestätigt.

Gab oder gibt es neben den Gesellschaften in Luxemburg und auf Jersey
weitere ähnliche Offshore-Konstrukte?

Nein. Es gab diese zwei ausländischen Tochtergesellschaften,
keine weiteren.

Weshalb legten Sie solche Reserven im Ausland an und nicht in der Schweiz?

Die Ammann-Gruppe muss sich in einem brutalen Wettbewerb behaupten. In
der Schweiz gab es diese Art von Steuerbefreiung vor der Jahrtausendwende
nicht.  Deshalb hat man uns empfohlen, die Mittel steuerbegünstigt
in Offshore-Gesellschaften anzulegen. In den letzten Jahren sind
die Möglichkeiten hierzulande ähnlich gut ausgestaltet
worden. Deshalb haben wir die Mittel in die Schweiz zurückgeholt.

Die Frage der Legalität ist das eine. Waren diese Konstrukte auch
legitim?

Wenn man in einer internationalen Gruppe die hiesigen Arbeitsplätze
sichern will, ist es legitim, die Steuern zu optimieren. Es wäre
unternehmerisch sogar ein Fehler, wenn man die legalen Möglichkeiten
nicht ausnutzen würde.  Denn damit würde man sich einen
wettbewerblichen Nachteil einhandeln.  Das Haus Ammann hat stets für
bestmögliche Rahmenbedingungen und Arbeitsplätze in der Schweiz
gekämpft.

Trotzdem haben Sie 2009 den Kurs gewechselt und die Gelder aus Jersey
in die Schweiz zurückgeführt. Warum?

Das Umdenken hat damit zu tun, dass auch die steuerlichen
Verhältnisse in der Schweiz vergleichbarer wurden.

Sie spielen auf die Unternehmenssteuerreform I an.

Sie war der Ausgangspunkt. Von dort an haben Firmen die Möglichkeit
bekommen, auch in der Schweiz zu optimieren. Damit war für uns
klar, dass wir die Mittel zurückführen und mit den hiesigen
Steuerverwaltungen entsprechende Abmachungen treffen würden.

Haben Sie aus unternehmerischen oder aus moralischen Gründen
umgedacht?

Es war zunächst ein unternehmerischer Entscheid. Aber
selbstverständlich haben wir intern auch diskutiert, ob es
Alternativen zu ausländischen Finanzgesellschaften gibt. Als wir
sahen, dass es sie gibt, haben wir die Reserven hier in die Schweiz
zurückgeführt.

2009 war absehbar, dass Bundesrat Merz bald zurücktreten
würde. Dachten Sie da schon an eine Bundesratskandidatur?

Nein, wo denken Sie hin! Der Entscheid zur Rückholung war schon
viel früher gefallen. Ich war Unternehmer bis am 6. August 2010, als
FDP-Präsident Fulvio Pelli mich fragte, ob ich zu einer Kandidatur
bereit wäre. Bis dahin habe ich keinen Gedanken daran verloren,
einmal in der Regierung sitzen zu wollen. Mit Verlaub: Ein solcher
Zusammenhang ist völlig konstruiert.

Wieviel Geld ist Bund und Kanton Bern durch die von Ihnen praktizierten
Steueroptimierungen entgangen?

Weder dem Kanton noch dem Bund ist irgendetwas entgangen. Wir haben legal
gehandelt. Wir haben der öffentlichen Hand nichts vorenthalten. Aber
ich mache die Gegenrechnung: Wir haben die Mittel zugunsten des Standorts
Schweiz und Berns immer wieder investiert und damit Arbeitsplätze
erhalten.  Das auch in schwierigsten Zeiten.

Können Sie das quantifizieren?

Da ich nicht mehr für die Ammann-Gruppe zuständig bin, ist es
nicht an mir, für sie zu sprechen.

Standen Sie jemals in der Versuchung, den Kanton Bern zu verlassen?

In der Schweiz hatte Ammann immer rund 1200 Arbeitsplätze. Im
Ausland sind es etwa 2500. Ich habe stets die Überzeugung gelebt,
dass dieses Land nicht desindustrialisiert werden darf. Ich hätte
mehrfach ausweichen und an billigeren Standorten Geld verdienen
können. Das haben wir nicht gemacht.

Weshalb nicht?

Wir haben eine Strategie aufgestellt für eine Entwicklung im
Ausland - aber immer mit einer positiven Rückwirkung ins Zentrum der
Unternehmensgruppe, damit in Langenthal Arbeitsplätze geschaffen
werden konnten. Ich habe für den Erhalt dieser Arbeitsplätze
gekämpft. Dafür habe ich gelebt. Dafür habe ich alle
möglichen legalen Möglichkeiten ausgeschöpft. Und
dafür lasse ich mich heute nicht anprangern.

Sind Sie enttäuscht, dass Ihr unternehmerisches Credo zurzeit kein
Thema ist?

Ja. Es sind Leute am Werk, die davon ausgehen, dass der Werkplatz Schweiz
selbstverständlich ist. Es sind Leute am Werk, die nicht anerkennen,
dass wir als Firma solide, nachhaltige und über alle Zyklen hinweg
Arbeitsplätze angeboten haben. Das enttäuscht mich.

Wenn die Ammann-Gruppe Steuern spart, erhöht das ihren Gewinn. Davon
profitiert die Familie Ammann.

Die Familie Ammann hat sich über Generationen und über
Jahrzehnte hinweg keine Dividenden ausbezahlt, ausser denen, die
sie brauchte, um Steuern zu bezahlen. Sie hat sich keine exzessiven
Gehälter geleistet, hat nicht in Saus und Braus gelebt.

Vor Ihrer Wahl in den Bundesrat waren die Finanzgeschäfte der
Ammann-Gruppe kein Thema. Weshalb jetzt?

Ich gehe davon aus, dass es nicht um mich persönlich geht, sondern
um eine politische Auseinandersetzung über die Ausgestaltung des
Standorts Schweiz.  Ich stehe für eine liberale Wirtschaftsordnung
ein. Auf der anderen Seite wird versucht, die Rahmenbedingungen mit Ideen
wie 1:12 oder Mindestlohn einzuschränken. Ich wehre mich mit aller
Kraft für offene und wettbewerbliche Verhältnisse. Ich vermute,
dass man jetzt versucht, auf meinem Buckel diese Auseinandersetzung
zu führen.

Sie sprechen also von einer Kampagne.

Ich nehme das Wort nicht in den Mund. Aber es ist eine fundamentale
Auseinandersetzung. Ich bin bereit, diese anzunehmen, weil ich weiss, dass
uns die liberalen Rahmenbedingungen Wohlstand und Sicherheit gebracht
haben.  Ich wehre mich gegen eine Einengung des Arbeitsmarktes. Ich
will Vollbeschäftigung. Ich will die Standortfaktoren attraktiv
halten, auch in steuerlicher Hinsicht. Ich will Firmen hier ansiedeln
können. Das ist nicht selbstverständlich. Es tobt ein Krieg um
Standortgunst. All das sage ich in aller Deutlichkeit, und das trägt
mir nicht nur Freunde ein.

Trotzdem steht Ihre Person im Fokus. Irgendjemand hat die Debatte um
Offshore-Konstrukte der Ammann-Gruppe angestossen. Haben Sie einen
Verdacht?

Nein. Ich will mir das auch nicht vorstellen.

Sie stehen selber im Verdacht, Wasser zu predigen und Wein zu trinken.

Das ist ein böser Vorwurf. Ich lebe nach dem Prinzip "walk the
talk".  Ich habe in der Vergangenheit die exzessive persönliche
Bereicherung gewisser Manager angeprangert, ebenso Steuerhinterziehung
und Steuerbetrug. Das mache ich unverändert. Ich habe nicht
Widerrechtliches oder Intransparentes gemacht. Ich habe auch nichts in
die eigene Tasche gesteckt.

Sie haben sich früh in die Debatte um exzessive Managerlöhne
eingeschaltet.  War das unbedarft angesichts der Vorwürfe, die
jetzt auf Sie niederprasseln?

Nein. Es war sehr wohl überlegt. Und es war schon damals ein einsamer
Kampf.  Ich habe gesagt: Wenn Einzelpersonen den unternehmerischen
Freiraum im liberalen Arbeitsmarkt nicht mit Bescheidenheit pflegen,
dann gibt es ein gesetzliches Korrektiv, das die Rahmenbedingungen
für alle einengt. Wir laufen durch das Verhalten einiger Gefahr,
unsere wettbewerblichen Rahmenbedingungen zu verschlechtern. Weil ich
das nicht passieren darf, habe ich schon damals auf den Tisch geklopft.

Die gegen Sie gerichteten Vorwürfe werden kaum so rasch verklingen.

Ich bin mir bewusst, dass es mir gelingen muss, Klarheit zu schaffen. In
meinem Fall geht es um die korrekte und notwendige Stärkung
eines Schweizer Unternehmens und seiner Arbeitsplätze, nicht um
persönliche Bereicherung. Es wird einige Zeit dauern, bis das
akzeptiert ist. Aber ich bin bereit, dafür zu kämpfen.

Wie haben Sie persönlich die letzten Tage erlebt?

Ich habe mich öfters gefragt, ob ich Fehler gemacht habe. Ich bin
zum Schluss gekommen: Nein, das habe ich nicht. In den 26 Jahren meines
Unternehmertums habe Hochs und Tiefs erlebt. Schon damals habe ich mich
an die Devise gehalten, dass es eine Linie gibt, die man weiterverfolgen
muss.  Auch gegen Widerstände. Daran halte ich mich nach wie vor. Es
waren unangenehme Tage. Ich habe sie als Herausforderung angenommen.

Sie haben lange geschwiegen. Weshalb?

Ich habe nicht geschwiegen. Gegenüber der "Rundschau" habe ich
Stellung genommen.

Aber nur schriftlich.

Ja, schriftlich. Ich habe mich nicht bewusst zurückgenommen. Die
Steuerverwaltung des Kantons Bern hat öffentlich gesagt, dass sie
eine interne Abklärung vornehmen will. Ich habe aber realisiert,
dass die Ungeduld steigt. Deshalb stelle ich mich jetzt Ihren Fragen.

Können Sie nachvollziehen, dass kritische Stimmen Ihre
Offshore-Konstrukte als moralisch verwerflich taxieren?

Natürlich habe ich Verständnis, dass die Leute fragen, was das
soll.  Deshalb ist es mir so wichtig, dass sie verstehen, was wir getan
haben. In der Ammann-Gruppe hat es keine persönliche Bereicherung
gegeben. Wir haben Steuern optimiert, um Reserven zu haben, um ein
verlässlicher Arbeitgeber zu bleiben. Die Familie Ammann hat nichts
anderes gemacht, als ihre Möglichkeiten auf legaler Basis zu nutzen.

Die SP fragt, ob Sie Ihre Glaubwürdigkeit noch für intakt
genug halten, um Wirtschaftsministers bleiben zu können.

Die Jungsozialisten haben ja bereits meinen Rücktritt gefordert.

Die SP war etwas weniger direkt, aber sie fordert faktisch das Gleiche.

Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Ich habe geholfen, dass
in diesem Land international kompetitive Industriebetriebe tätig
sein können.  Ich helfe weiter mit, dass das so bleibt. Ich
bleibe kämpferisch, weil ich überzeugt bin, dass meine
Glaubwürdigkeit und Leistungsfähigkeit so intakt sind, dass
ich mein Amt wie bisher ausfüllen kann.

Sie sind also gewillt, Bundesrat zu bleiben?

Ja, ich bin gewillt. Ich nehme diese Herausforderung an.

Auch über 2015 hinaus?

Über das sprechen wir dann zu gegebener Zeit.

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